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Krieg in der Ukraine
«Humor hilft uns, zu überleben»

Madonna mit Raketenwerfer: Ein Saint-Javelin-Sticker in Kiew, im Hintergrund die St.-Andreas-Kirche. 
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In den sozialen Medien ist Wladimir Putin nicht nur der furchteinflössende Kremlherr, der einen barbarischen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Abgebildet wird er auch als Puppenspieler, der mit dem ungarischen Premier Viktor Orban spielt. Als Schachspieler, der gegen einen grinsenden ukrainischen Hund verliert, oder als ungebetener Gast, der sich beim Staatsbesuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski in Grossbritannien unter einem Tisch versteckt. 

Die ukrainische Bevölkerung wehrt sich gegen Putins Invasion nicht nur mit Panzern und Raketenwerfern, sondern auch mit Witzen und Memes. Also mit Bildern und Symbolen, die aktuelle Kriegsereignisse in einen popkulturellen Kontext einbetten. Sie verbreiten sich in den sozialen Medien wie Instagram und Twitter und werden tausendfach in Telegram-Gruppen und Whatsapp-Chats geteilt.

Weil sich ein wichtiger Teil des Publikums im Ausland befindet, sind viele der bekannten Memes auf Englisch verfasst. Es geht der Ukraine darum, die Herzen und Köpfe der Menschen zu gewinnen, damit die ideelle und finanzielle Unterstützung aus dem Westen über ein Jahr nach Kriegsbeginn nicht versiegt.

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Aber auch für die ukrainische Bevölkerung sind Memes weit mehr als nur Blödeleien. Sie stärken die Moral und schaffen ein Gemeinschaftsgefühl. Man lacht zusammen über Wladimir Putin, ungeschickte russische Soldaten und irre Propagandisten. Das stärkt die ukrainische Identität – und hilft, den schweren Kriegsalltag zumindest ein bisschen erträglicher zu machen.  

Beliebt sind etwa Memes, die den Ukraine-Krieg mit Analogien aus den «Herr der Ringe»-Filmen darstellen. Dazu gehört der Twitter-Kanal Middle-earth of Eastern Europe. Betrieben wird er von einem Ukrainer, der anonym bleiben will, wir nennen ihn hier Serhi. Er wohnt in der südukrainischen Grossstadt Kriwi Rih und betreibt den Kanal mit zwei Freunden.  

Joe Biden als Gandalf

«‹Der Herr der Ringe› ist sehr aktuell geworden. Die Analogie – der Kampf zwischen Gut und Böse – liegt auf der Hand», sagt Serhi. In seinen Memes ziehen die Hobbits Frodo, Bilbo und der Ritter Aragorn für die Ukraine in den Krieg – unterstützt von Himars-Raketenwerfern und Panzern aus dem Westen.

Auch der gute Zauberer Gandalf mit seinem bekannten Ausspruch «Ein Zauberer kommt nie zu spät, ebensowenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wenn er es für richtig hält» hat bei Serhi einen Auftritt – als Joe Biden, der den Ukrainern Waffen liefert – eine Anspielung auf den überraschenden Besuch des US-Präsidenten am Montag in Kiew.

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Auf der russischen Seite kämpfen der Magier Saruman und der dunkle König Sauron, unterstützt von Hunderttausenden Orks, den deformierten und willigen Vollstreckern der dunklen Mächte. Gerade über die Orks, die russische Armee, hat Serhi viele Memes produziert. «Wie soll man diejenigen nennen, die Wohnhäuser und Spitäler bombardieren, Frauen vergewaltigen und Kinder umbringen?», fragt Serhi. Er habe Mühe damit, solche Leute als «Menschen» oder «Russen» zu bezeichnen. Orks hingegen, das passe. 

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Einige Meme-Künstler haben es geschafft, mit dem Kriegshumor Geld zu verdienen, das der
gebeutelten Ukraine zugute kommt. Der wohl bekannteste unter ihnen ist der ukrainisch-kanadische Ex-Journalist Christian Borys.

Schöpfer der Popikone Saint Javelin: Christian Borys in Lwiw. 

Borys ist der Macher hinter einem der erfolgreichsten Memes des Ukraine-Krieges, der Popikone Saint Javelin. Es handelt sich um eine Madonnenfigur mit dem ukrainischen Dreizack im Heiligenschein, die statt des Jesuskinds eine Javelin-Panzerabwehrrakete in ihren Armen trägt. 

Das Bild hat einen Nerv getroffen: die Waffe, welche die Schlacht um Kiew mitentschieden hat. Die Jungfrau Maria als Beschützerin der Ukraine. «Auch wer nicht genau weiss, was eine Javelin-Rakete ist, hat die Symbolik verstanden», sagt Borys im Videogespräch. Früher arbeitete er unter anderem für BBC und Vice aus Kiew, heute lebt er in Toronto. 

Gerade im Westen gebe es ein Verlangen danach, nicht nur Geld zu spenden, sondern auch zu zeigen, dass man «dem Team Ukraine angehört», wie es Borys formuliert. Und so gibt es im offiziellen Onlinestore die Madonna mit Raketenwerfer auf T-Shirts, Pullovern, Stickern und Baseballcaps zu kaufen. 

Daneben hat Borys das Sortiment ausgeweitet. Weitere Motive sind Himars-Raketenwerfer, Leopard-Kampfpanzer und Traktoren, die russische Panzer abschleppen. Heute arbeiten 15 Leute für Saint Javelin, der Umsatz beträgt rund 140’000 Schweizer Franken pro Monat. Zu den Fans der Marke gehören der ukrainische Verteidigungsminister Olexi Resnikow und Kiews Bürgermeister Witali Klitschko

Beste Werbung: Der ukrainische Verteidigungsminister Olexi Resnikow mit einem Saint-Javelin-Shirt.

Dass gerade aus der Ukraine viel guter Humor komme, ist für den Unternehmer kein Zufall. Krieg gebe es in der Ukraine schon seitdem Russland 2014 die Krim annektiert habe. Bereits damals seien die Memes populär geworden. «Die ukrainische Bevölkerung hatte also viel Zeit zum Üben», sagt er. Im Internet habe sich ein spezifisch ukrainischer Humor entwickelt. «Weil die Menschen jahrelang das Schlimmste durchlebt haben, haben sie einen sehr schwarzen Humor kultiviert.» 

Borys erwähnt eine Journalistin, die in der schwer umkämpften Stadt Bachmut einen Arzt aufsuchte. Dieser machte im Gespräch Witze über den Krieg, währenddessen die Stadt beschossen wurde. Die Journalistin habe gefragt, wie er in einer solch tragischen Situation spassen könne. «Was sollte ich denn sonst machen?», antwortet der Arzt. «Humor hilft den Menschen, die Realität zu bewältigen», sagt Borys. 

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Den Vorwurf, er würde den Krieg trivialisieren, weist Borys zurück. Neben Memes und Gags zeigen seine Accounts in den sozialen Medien auch Informationen und Links zu ernsthaften Beiträgen über das Kriegsgeschehen. Und ohnehin gehöre an den Frontlinien der schwarze Humor dazu. Es sei sozial akzeptiert, auch über die schlimmen Kriegserlebnisse Witze zu reissen. In einem bekannten Video mache ein Soldat, der unter schwerem Beschuss stehe, Witze über die russische Artillerie, die ihm nichts anhaben könne, weil sie unfähig sei. 

Serhi sagt, dass der ukrainische Humor nur im Kontext des Krieges verstanden werden könne. Seit einem Jahr lebten die Ukrainer unter konstantem Stress und Druck. Die Einstellung der Menschen könne mit dem Satz zusammengefasst werden: «Mach dich über das Problem lustig, und es wird verschwinden. Und wenn nicht, wird es einfacher.» 

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Deshalb seien Humor, Meme und Witze über den Krieg ein fester Bestandteil des ukrainischen Lebens. «Humor hat mir geholfen, einige der schwierigsten Zeiten in meinem Leben zu überstehen, und ich hoffe, dass meine Memes anderen Menschen helfen.» 

Der Kampf gegen das Vergessen

Der ukrainische Humor hat dazu beigetragen, dass sich so viele Menschen im Westen mit der Ukraine solidarisiert haben. Doch Borys befürchtet, dass eine Kriegsmüdigkeit überhandnehmen könnte. «Irgendwann wollen die Menschen einfach ihr Leben weiterleben», sagt er. Das merke auch sein Geschäft, die Verkäufe hätten zuletzt stagniert. «Wenn die Menschen viele Male sehen, wie ein ukrainischer Wohnblock explodiert, erscheint es ihnen plötzlich normal.»

Borys hofft, dass die Aufmerksamkeit um den Jahrestag des Kriegsbeginns am 24. Februar wieder zunehme. «Ich für meinen Teil habe zurückgeschaut, was alles geschehen ist, und neuen Sinn in meiner Arbeit gefunden. Ich hoffe, dass es vielen Menschen im Westen auch so geht.» 

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Trotz der drohenden Gleichgültigkeit gibt es für die beiden Ukrainer Grenzen des Humors. Serhi würde sich nie über ukrainische Menschen lustig machen, die im Kampf um die Freiheit gestorben sind. Für Borys ist klar, dass es keine Memes zu Kindern oder zu ethnischer Zugehörigkeit gibt. Ebenso verzichtet er auf eine zu explizite Darstellung von Gewalt. Der leichtherzige Humor gefalle ihm besser. «Wir wollen den Menschen zeigen, dass es ein Licht am Ende des Tunnels gibt.»

So sieht es auch Serhi. Humor helfe dabei, Spannungen und Stress abzubauen und die geistige Gesundheit zu erhalten, was im Krieg besonders wichtig sei. «Humor hilft uns, zu überleben», sagt er.