Kommentar zum Miet-UrteilEin schlechter Entscheid für Mieter
Nach einem Urteil im Herbst fällt das Bundesgericht bedauerlicherweise jetzt erneut einen Entscheid, der starke Mieterhöhungen erleichtert.
Wer heute in grösseren Städten eine Wohnung sucht, zahlt entweder einen hohen Preis oder muss bei seinen Wünschen erhebliche Abstriche machen. Daran dürfte sich so schnell nichts ändern. Im Gegenteil: Ein gestern veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts macht die Ausgangslage für Mieterinnen und Mieter schwieriger.
Neumieter können den Preis zwar anfechten. Und wenn sie deutlich mehr bezahlen müssen als der Vorgänger, liegt die Beweislast beim Hauseigentümer. Die Beweisführung ist jedoch derart knifflig, dass sie kaum je geführt wird. Doch nun hat das Bundesgericht sie für Hauseigentümer abgeschwächt. Sie werden künftig den Verdacht auf eine missbräuchlich hohe Anfangsmiete einfacher umstossen können. Danach fällt aber die volle und nahezu aussichtslose Beweislast zurück auf die Mieterin oder den Mieter.
Die chronische Wohnungsnot in manchen grösseren Zentren dürfte sich weiter zuspitzen.
Schon im vergangenen Herbst hat das Bundesgericht die Möglichkeiten der Mieter zurückgestutzt: Es erhöhte die Schwelle der Nettorendite, die nötig ist, um einen Mietzins als missbräuchlich anzufechten.
Im konkreten Fall treffen diese Urteile zwar nur relativ wenige Personen: Jährlich finden schweizweit zwischen 400’000 und 500’000 Umzüge statt – davon wurden 2020 nur in gut 1000 Fällen die Anfangsmieten angefochten. Bedeutender als die Folgen für konkrete Einzelfälle ist jedoch die Signalwirkung, die das Bundesgericht aussendet. Die Hauseigentümer erhalten mehr Spielraum, bei einem Mieterwechsel den Zins stark zu erhöhen. Für Menschen, die gerne in Städten leben, verheisst dies nichts Gutes: Die chronische Wohnungsnot in manchen grösseren Zentren dürfte sich mit solchen Lockerungen weiter zuspitzen.
Eine gewisse präventive Wirkung gegen überrissene Mieterhöhungen beim Wohnungswechsel liesse sich mit Transparenz schaffen. Doch leider haben erst eine Handvoll Kantone die Offenlegungspflicht des vorherigen Mietzinses gegenüber dem neuen Mieter eingeführt. Es wäre angemessen, wenn die Kantone vermehrt solche Transparenz schaffen würden.
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