Ein Schlag für den «Blick», eine Lektion für die Medien
Ringier wurde zur Zahlung einer Genugtuung von 20 000 Franken an die Zuger Ex-Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der «Blick» hat mit seinem Bericht vom 24. Dezember 2014 die Persönlichkeitsrechte von Jolanda Spiess-Hegglin schwer und nicht gerechtfertigt verletzt. So steht es im Urteil, welches das Zuger Kantonsgericht publiziert hat, genau einen Monat nach der Hauptverhandlung vom 10. April. Die frühere Kantonsrätin hat gegen Ringier geklagt, weil der «Blick» über sexuelle Kontakte zwischen ihr und einem damaligen Ratskollegen sowie eine mögliche Schändung berichtet hatte. Dabei wurden die betroffenen Personen mit Bild und vollem Namen gezeigt.
Das Urteil ist ein harter Schlag für Ringier – insbesondere weil Spiess-Hegglin bereits angekündigt hat, dass sie auf Schadenersatz und Gewinnherausgabe klagen werde. Noch schwerer wiegt für das Boulevardmedium die Tatsache, dass das Gericht mit diesem Urteil die Persönlichkeitsrechte sehr hoch gewichtet. Es braucht sehr gute Gründe, um Personen mit Bild und Namen zeigen zu dürfen, wenn es um deren Intimleben geht. Die Tatsache, dass Jolanda Spiess-Hegglin und Markus Hürlimann zur Zeit des Vorfalls beides bekannte Politakteure waren und dass eine mutmassliche Straftat im Raum stand, derentwegen Spiess-Hegglin ins Spital musste und Hürlimann in U-Haft sass, genügt dafür nicht. Jedenfalls habe Ringier triftige Gründe, die eine solche Berichterstattung legitimieren würde, nicht vorgebracht, schreibt das Gericht.
Kein Schreibverbot für den «Blick»
Jolanda Spiess-Hegglin hat in ihrem Hauptanliegen gewonnen, Ringier ist der widerrechtlichen Persönlichkeitsverletzung schuldig und muss ihr die relativ hohe Genugtuung von 20'000 Franken bezahlen - ausserdem eine Parteientschädigung und die Gerichtskosten. Dennoch fällt das Urteil differenziert aus: Ein Schreibverbot, wie Spiess-Hegglin es gefordert hatte, bekommt der «Blick» nicht. Erstens habe die Zeitung länger nicht mehr über Spiess-Hegglin in Zusammenhang mit der Landammann-Feier berichtet, zweitens zeichne sich nicht ab, dass sie dies tun werde. Ausserdem sei Jolanda Spiess-Hegglin selber wiederholt an die Medien gelangt, um über die damaligen Ereignisse zu berichten.
Auch muss sich der «Blick» nicht bei Jolanda Spiess-Hegglin entschuldigen. Eine Entschuldigung könne bei Persönlichkeitsverletzung laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden, sondern höchstens freiwillig erfolgen, wie das etwa im Fall Thomas Borer geschehen sei.
Alles in allem: Jolanda Spiess-Hegglin hat in weiten Teilen recht erhalten und damit eine Genugtuung erkämpft für das, was sie sich in den vergangenen viereinhalb Jahren alles sagen lassen musste. Gleichzeitig machte das Gericht deutlich, dass daran nicht allein die Medien schuld sind: «Die Klägerin war mitverantwortlich, dass der Medienhype über eine längere Zeitspanne angehalten hat», heisst es im Urteil.
Volle Identifizierung, fatale Auswirkungen
Ungeachtet dessen sollten die Medien daraus ihre Lehren ziehen. Erstens: Die volle Identifizierung betroffener Personen in so einem Fall hat fatale Auswirkungen auf deren Leben und Alltag. Jahrelang. Markus Hürlimann ging es nicht viel besser, obwohl er sich ruhig verhalten hat. Seit dem «Blick»-Bericht sei nichts mehr, wie es war, sagte er einst in einem Interview. Personen müssen geschützt werden, wenn es um ihr Intimleben geht. Ausnahme: Es gibt eindeutig öffentlichkeitsrelevante Gründe, weshalb die Identität preisgegeben werden muss.
Und zweitens: Auch wenn eine Protagonistin selber an die Medien gelangt oder eine Fasnachtszeitung über sie berichtet, bedeutet dies noch keinen Freipass für die Presse.
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