Kolumne «Heute vor»Ein Parkierrowdy und die «Wädenswiler Orgelfrage»
Um einen Parkplatz vor der Badi zu ergattern, verlor ein Meilemer 1997 jegliche Rücksicht. Zeitgleich schieden sich die Geister an der Wädenswiler Orgeldebatte.
«Wenn es um freie Parkplätze geht, verlieren oft auch brave Bürger die Nerven», stellte ein Redaktor der rechtsufrigen Ausgabe der «Zürichsee-Zeitung» bereits vor 25 Jahren fest. Gelegentlich rutschten manche Lenker sogar in «die Niederungen der Verkehrskriminalität ab». So auch an einem schönen Sonntag im August 1997, als sich vor der Badi Meilen ein kurioses Verkehrsdelikt ereignete.
Freie Felder waren wohl keine zu sehen, als der angeklagte «Parkierrowdy» mit seiner Frau auf den Parkplatz des Strandbads einfuhr. Um Zeit zu sparen, stieg die Partnerin dem damaligen Bericht zufolge bereits aus und ging allein zur Kasse. Als nach einer Weile endlich ein Parkfeld frei wurde, «fuhr der 50-Jährige rasant los». Den «begehrten Freiraum» fest im Blick, bemerkte er gar nicht, dass er einen unschuldigen Passanten auf seiner Kühlerhaube kurzerhand bis in die Büsche hinter dem Parkfeld kutschierte. Als der Lenker anschliessend ausstieg, «begab er sich gleichgültig zum Eingang der Badeanstalt».
Ganz so gleichgültig wird er die darauffolgende Strafanzeige wohl nicht hingenommen haben: Als der Fall vor dem Bezirksgericht landete, wurde der Angeklagte zu einem Monat bedingter Gefängnisstrafe verurteilt. Dieser legte darauf Berufung ein – jedoch ohne Erfolg. «Ich glaube einfach nicht, dass Sie den Fussgänger nicht gesehen haben», erklärte ihm der Gerichtspräsident des Obergerichts und bestätigte das Urteil des Bezirksrichters.
So einig wie die beiden Richter war man sich am anderen Ufer derweil nicht. Dort sorgte «das Instrument des Wohlklangs für Dissonanz», wie ein Redaktor in der linksufrigen Ausgabe schrieb. «Für das Publikum mag die Orgel noch ganz gut klingen, aber wenn man dran sitzt, erschrickt man» , stellte ein Konsulent für Orgelbau der Denkmalpflege beim «Informations- und Ausspracheabend zur Zukunft der Wädenswiler Orgel» fest. Während sich eine Fraktion «in der Wädenswiler Orgelfrage» für die Revision des damaligen Instruments starkmachte, waren die restlichen Versammelten der Meinung, dass die Tage der im Jahr 1950 gebauten Orgel gezählt waren. Jedoch beliefen sich die Kosten einer neuen Orgel auf rund eine Million Franken – doppelt so viel wie eine Generalüberholung gekostet hätte.
Ersatz oder Revision? Mechanisch oder elektrisch? Zwei oder drei Manuale? Zu guter Letzt landete man auch bei der Grundsatzfrage, ob es denn überhaupt eine Orgel brauche. Auf diese entgegnete der Pfarrer aber deutlich, dass die Orgel als «das klassische Instrument der Christenheit» unverzichtbar sei. Allgemein habe es an diesem Donnerstag «an Anschlussfragen und Erklärungen nicht gemangelt», schreibt der Redaktor. Deshalb wundert es auch nicht, dass es noch vier weitere Jahre dauerte, bis eine neue Orgel die Wädenswiler Kirche mit Klang erfüllte.
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