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Meinung

Kolumne «Heute vor»
Von schlaflosen Nächten und dem Kampf gegen Motorradfahrer

Für viele sind Motorradfahrer im Jahr 1952 «moderne Störenfriede».
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«Zu den kostbarsten Gütern, die uns in unserer an Illusionen immer ärmer werdenden Zeit verblieben sind, gehört die Nachtruhe, gehört ein von keinem Strassenlärm gestörter Schlaf», beobachtet vor 70 Jahren ein Redaktor des linksufrigen «Allgemeinen Anzeigers vom Zürichsee». Der Artikel soll zum Kampf gegen den Motorenlärm aufrufen, vor allem aber gegen die schlimmsten «modernen Störenfriede» – die Motorradfahrer. 

Während die Natur uns die nötige Ruhe gütig gewähre, würden «die entfesselten Kräfte von Maschinen» in sie einbrechen und uns damit «eines unersetzlichen Kraftspenders für den kommenden Tag» berauben. Es seien nur ein paar wenige rücksichtslose Menschen, denen jedes Empfinden für das gemeinsame Wohl der Nachtruhe fehle, die diese Maschinen bedienten. Der Redaktor führt 1952 weiter aus, dass man diesen Übeltätern nun an vielen Orten unseres Landes zu Leibe gehe. Dadurch breche man eine Lanze für alle, die unter der Störung ihres Schlafs durch solche Radaumacher litten.

Just in dieser Zeit kommt es in Zumikon in einer scharfen Kurve zu einer Kollision zwischen einem Personenwagen und einem aus der Gegenrichtung kommenden Motorrad, wie die rechtsufrige «Zürichsee-Zeitung» damals berichtet. Ob auch dieser Autofahrer eine Lanze für seine Mitmenschen brechen wollte oder wegen einer von Motorenlärm geplagten Nacht zu unaufmerksam am Steuer war, ist unklar.

Jedenfalls versperrte die Unfallszene die Forchstrasse, weshalb ein Zivilist, der den Unfall beobachtet hatte, kurzerhand versuchte, den Verkehr umzuleiten. Er habe sich 100 Meter ausserhalb des Unfallorts aufgestellt und den vorbeikommenden Fahrzeugen signalisiert, dass sie langsam fahren sollten. Ein grosser Teil der Autofahrer missachtete aber diese Anweisungen und ärgerte sich stattdessen über den Mann.

Dass der in der Mitte der Strasse stehende Mann mit Schimpfwörtern bedacht wurde, sei leider nicht das Schlimmste gewesen. «Oft wurde mit Vollgas auf den Mann losgefahren, sodass er nur noch im letzten Moment zur Seite springen konnte, wenn er nicht riskieren wollte, schonungslos überfahren zu werden», schreibt der Redaktor. Schliesslich sei er tatsächlich angefahren worden und mit zerschundenen Händen spät am Abend nach Hause gekommen. 

Solche Vorkommnisse würden dazu beitragen, dass allmählich zwischen Automobilisten und anderen Strassenbenützern eine Kluft entstehe, die zu ständigen Reibereien Anlass gebe. Der «Zürichsee-Zeitung»-Redaktor sieht 1952 die Autofahrer in der Schuld. «Oft hört man den Slogan vom ‹Ritter am Steuer›, aber was sich auf der Forchstrasse abgespielt hat, ist nichts weniger als ritterlich, dies gehört vielmehr zu den schlimmsten Auswüchsen menschlicher Brutalität», folgert er.