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Wettkampf der Grossmächte
Ein Schweizer Notfallplan für den Fall, dass der Konflikt mit China eskaliert

Als die Beziehung noch rosiger war: Die damalige Bundespräsidentin Doris Leuthard und Chinas Präsident Xi Jinping am WEF in Davos, 2017.
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Mit Russland hat die Schweiz die Übung bereits durchexerziert. Nach Beginn der Invasion in der Ukraine dauerte es nur wenige Tage, bis der Bundesrat sich gegen Russland und an die Seite Europas und der USA stellte: Er übernahm fast alle westlichen Sanktionen gegen Moskau.

Ähnliche Weichenstellungen könnten fällig werden, wenn der Konflikt zwischen den USA und China eskaliert. Darauf müsse sich die Schweiz bereits heute gedanklich vorbereiten, fordert die Denkfabrik Avenir Suisse – und präsentiert einen 3-Stufen-Krisenplan. Die Schweiz könne sich dem Wettkampf der Systeme – autoritäre Regime gegen die liberalen Demokratien des Westens – nicht entziehen, heisst es in der 68-seitigen Studie unter dem Titel «Navigieren in unruhigen Gewässern». (Lesen Sie dazu das Interview mit Vontobel-Chef Zeno Staub. «Eine Konfrontation mit China wäre für die Schweiz ungleich dramatischer»)

Für die Schweiz ist China heute hinter der EU und den USA der drittgrösste Handelspartner – 132’000 Schweizer Arbeitsplätze hängen vom Export nach China ab. Auch die Wachstumsraten des Schweizer Handels mit China waren in den letzten Jahren substanziell höher als jene mit Europa. Immer wieder hört man darum (namentlich von Gegnern des Rahmenabkommens) die Idee, dass die Schweiz wirtschaftlich mehr auf China setzen sollte als auf Europa.

«Die Schweizer Politik muss agil sein, um gegebenenfalls rasch entscheiden zu können.»

Avenir Suisse

Doch dieser Idee erteilt Avenir Suisse eine Absage. Die Studienautoren – Patrick Dümmler, Teresa Hug Alonso und Mario Bonato – wagen dazu eine Prognose zur künftigen Entwicklung des Handelsvolumens mit China, der EU und den USA. Selbst wenn die Exporte in diese drei Wirtschaftsräume gleich stark wachsen sollten wie in den letzten Jahren, wäre China im Jahr 2050 immer noch bloss die Nummer 3 hinter den USA und der EU. In anderen (eher realistischen) Prognosemodellen bleibt China im Jahr 2050 für den Schweizer Export noch stärker hinter den Wirtschaftsräumen EU und USA zurück.

Alleine schon aus diesen Zahlen schliessen die Studienautoren, dass es für die Schweiz keine Option sein kann, sich im Konfliktfall für China und gegen den Westen zu entscheiden – ganz abgesehen davon, dass die Schweiz politisch, kulturell, gesellschaftlich der EU und den USA viel näher stehe als China.

Was heisst das nun konkret? Avenir Suisse skizziert drei Szenarien:

Szenario: Geringer Druck auf die Schweiz

Dieses Szenario beschreibt den Status quo. Zwar haben die USA und die EU sowie China sich schon heute wechselseitig mit Sanktionen belegt. Doch keiner der drei Blöcke übt derzeit grossen Druck auf die Schweiz aus, sich ihren Handelseinschränkungen oder diplomatischen Kampfmassnahmen anzuschliessen.

In dieser Situation, so fordert Avenir Suisse, solle sich die Schweiz darum diskret verhalten, um keine wirtschaftlichen Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Die Schweiz sollte zwar «ihre Werte weiterhin konsequent vertreten», aber ohne «zu missionieren». Öffentlichkeitswirksame Kritik an China solle die Schweiz nicht üben, von eigenen Sanktionen gegen Peking ganz zu schweigen. «Bei geringem Druck auf die Schweiz ist sie gut beraten, möglichst lange einen pragmatischen Weg zu wählen», fordert Avenir Suisse.

Mit dieser Empfehlung stellt sich Avenir Suisse gegen Politikerinnen und Politiker der Linken und der Mitte-Partei, die bereits heute ein robusteres Auftreten der Schweiz gegen China fordern – namentlich wegen der Menschenrechtsverbrechen, welche die Parteidiktatur in Peking gegen die muslimischen Uiguren verübt.

Szenario: Der Druck auf die Schweiz wächst

Nach Ansicht der Studienautoren ist jedoch offen, wie lange die Schweiz sich auf diese Weise weiterhin durchwursteln kann. Gerade der Fall Ukraine zeige, wie schnell die Situation politisch kippen könne – und wie rasch die Schweiz vom Westen «unter mittelstarken Druck geraten kann». Innert Tagen habe sich die Schweiz Ende Februar entscheiden müssen, «ob sie Teil der westlichen Wertegemeinschaft ist – oder nicht». Andernfalls, so analysieren die drei Autoren, hätte die Schweiz Gegenmassnahmen der EU und der USA gewärtigen müssen.

In einem solchen Szenario müsste die Schweiz sich daher an den Beschlüssen der EU gegen China «anlehnen», schreiben die Studienautoren. Die Folgen dürften sein, dass China seine Sanktionen (die schon heute gegen die EU in Kraft sind) auf die Schweiz ausdehnen würde.

Szenario: Der Westen vereint sich gegen China

Doch was, wenn die Situation weiter eskaliert und sich die USA und China gegenseitig mit weitreichenden Handelsverboten belegen? Oder wenn es sogar zum Krieg kommt?

Dann sei davon auszugehen, «dass ähnlich dem Ukraine-Krieg ein Schulterschluss zwischen den USA und der EU erfolgen würde». Für die Denkfabrik Avenir Suisse steht ausser Frage, dass die Schweiz dann «weitestgehend alle wirtschaftlichen Massnahmen» gegen China übernehmen müsste.

Die Reaktion Chinas dürfte «heftig ausfallen», warnt Avenir Suisse. Die Schweiz müsste damit rechnen, ihren wichtigsten Handelspartner in Asien zu verlieren. «Für die heimische Wirtschaft wäre diese ein schwerer Schlag.» Wie plausibel ist dieses Szenario? Für Avenir Suisse ist es «nicht unwahrscheinlich».

Die Denkfabrik erhebt darum zwei Forderungen. Erstens: «Die Schweizer Politik muss agil sein, um gegebenenfalls rasch entscheiden zu können.» Zweitens: Schweizer Unternehmen müssen sich schon heute vorbereiten, «gegebenenfalls in zwei statt drei Wirtschaftsräumen tätig zu sein». Das heisst: nur noch in der EU und in den USA. Und nicht mehr in China.