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Menschenrechte in China
Sie hat einfach geschwiegen

Chiles Ex-Präsidentin Michelle Bachelet wurde unter Pinochet verhaftet und gefoltert, nun sorgt ihr Chinabesuch für Kritik. 
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Als Michelle Bachelet vergangene Woche nach China aufbrach, gab es kaum offene Fragen. Das erste Mal seit fast zwei Jahrzehnten würde eine UNO-Menschenrechtskommissarin in die Volksrepublik reisen, mit Stationen unter anderem in der nordwestchinesischen Region Xinjiang. Dort sind Hunderttausende muslimische Uiguren in Lagern interniert, all das ist seit Jahren umfassend belegt.

Die Frage ist, weshalb Michelle Bachelet dies nicht explizit kritisiert hat - weiss sie doch aus eigener Erfahrung, was es heisst, in einem Land zu leben, in dem Menschen verhaftet, gefoltert und ermordet werden.

70 Jahre alt ist Michelle Bachelet, und ihr Leben hat sie als Inhaftierte in Foltergefängnisse geführt ebenso wie in die Höhen der internationalen Politik.

Erste Frau in vielen Ämtern

Seit 2018 ist Bachelet die Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, davor wurde sie in ihrer Heimat Chile zweimal zur Präsidentin gewählt, als erste Frau überhaupt in diesem Amt. Sie war Gesundheits- und Verteidigungsministerin, auch das ein Meilenstein, stand sie doch Generälen vor, die teils schon in der blutigen Militärdiktatur von Augusto Pinochet gedient hatten. Mehrere Tausend Menschen fielen dieser zum Opfer, darunter Bachelets eigener Vater.

Michelle Bachelet stammt aus einer liberal-progressiven Familie. Die Mutter war Archäologin, der Vater General der Luftwaffe. Als Teile des chilenischen Militärs im September 1973 gegen den demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende putschten, stellte sich Bachelets Vater gegen die Junta. Er wurde festgenommen und gefoltert, ein Jahr später starb er in Haft an einem Herzinfarkt.

Ihre eigene dramatische Lebensgeschichte verlieh ihr Glaubwürdigkeit.

1975 wurden Bachelet und ihre Mutter verhaftet, verhört und gefoltert. Dank alter Kontakte bekamen sie eine Ausreiseerlaubnis, Bachelet floh erst nach Australien, dann in die DDR, wo sie weiter Medizin studierte. Bachelet verliebte sich in einen ebenfalls im Exil lebenden Chilenen. Die beiden bekamen einen Sohn. Trotz aller Gefahren ging die Familie 1979 zurück in das noch immer von Pinochet beherrschte Chile.

Nach der Rückkehr des Landes zur Demokratie Ende der 80er-Jahre arbeitete Bachelet im Gesundheitsministerium, dessen Führung sie im Jahr 2000 übernahm. Zwei Jahre später wurde sie Verteidigungsministerin, dann von ihrer Sozialistischen Partei 2005 als Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen nominiert, die sie 2006 gewann.

Es herrscht Unverständnis

Michelle Bachelets Amtsantritt fiel in eine Zeit, in der die weltweiten Rohstoffpreise in immer neue Höhen kletterten. Linken Präsidenten in Lateinamerika bescherte das sprudelnde Einnahmen und enorme Beliebtheit. Nach dem Ende ihrer zweiten Amtsperiode wurde die Chilenin zur UNO-Menschenrechtskommissarin ernannt. Ihre eigene Geschichte trug dabei lange zu ihrer Glaubwürdigkeit im Amt bei. Bachelet fand auch harte Worte, so im Falle Venezuelas, wo sie 2019 systematische Folter anprangerte.

Umso unverständlicher ist für viele, dass Bachelet in China kaum öffentliche Kritik geübt hat. Eine Erklärung mag sein, dass ihr Besuch von Anfang an nicht als «Untersuchung» geplant war, sondern als Möglichkeit zum Dialog. Dass China diesen weitestgehend bestimmen konnte, stösst auf Unverständnis. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sagte, Bachelet sei «entweder unfähig oder nicht willens, die zweitmächtigste Regierung der Welt zur Verantwortung zu ziehen».