Zweite AbstimmungsumfrageEin Nein zum Filmgesetz ist plötzlich denkbar
Der Widerstand gegen die Lex Netflix erweist sich als überraschend stark: Die Zustimmung im Volk liegt nun knapp unter 50 Prozent.
Das Rennen um das neue Filmgesetz ist offener denn je. Das zeigen die Resultate der zweiten Umfrage von «20 Minuten» und Tamedia zur Abstimmung vom 15. Mai. Danach liegt die Zustimmung zur sogenannten Lex Netflix bei 49 Prozent.
Der Trend geht dabei in Richtung Ablehnung. Er ist aber nur leicht und statistisch nicht signifikant. In der ersten Welle von Anfang April hatte sich noch eine knappe Mehrheit von 51 Prozent für das Filmgesetz ausgesprochen. In der SRG-Umfrage im März war die Vorlage noch auf eine klare Mehrheit von fast 60 Prozent gekommen.
Der Politologe Lucas Leemann führt zusammen mit seinem Kollegen Fabio Wasserfallen die Umfragen für Tamedia und «20 Minuten» durch. Er sagt: «Der Abstimmungsausgang ist völlig offen.» Es fehle primär der Befürworterkampagne an Dynamik, sie werde fast nicht wahrgenommen.
Dabei spricht sich das SVP-Lager klar gegen die Lex Netflix aus, SP, Grüne und GLP deutlich dafür. Für Leemann ist deshalb klar, dass die Abstimmung durch die Basis von FDP und Mitte entschieden wird. «In den beiden Parteien sind die Meinungen aber geteilt, obwohl ihre National- und Ständeräte dem Filmgesetz im Parlament noch zugestimmt hatten.»
Matthias Müller ist Präsident des Nein-Komitees und der Jungfreisinnigen. Für ihn kommt das Ergebnis unerwartet: «Die Unterschriftensammlung war hart – und die Filmlobby hat uns belächelt.» Nun sieht sich das Komitee plötzlich mit der Möglichkeit eines Abstimmungssiegs konfrontiert. «Mit dem Sieg in Reichweite werden wir uns jetzt doppelt anstrengen», sagt Müller.
Provokanter Tweet der FDP
Die FDP-Zentrale hat sich unterdessen mit einem provokanten Tweet in den Abstimmungskampf eingeschaltet. Darin schreibt die Partei, mit einem Ja zum Filmgesetz werde «dem Zuschauer vorgeschrieben, was er zu schauen hat».
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Die Lex Netflix enthält aber keine annähernd so drastische Vorschrift. Das führte zu Kritik im Netz – auch aus den eigenen Reihen: Er schäme sich, «welchen populistischen Unsinn die Parteizentrale in Bern hier verbreitet», schreibt das FDP-Mitglied Marc Reinhardt.
Komiteepräsident Müller entgegnet, der Tweet sei zwar «pointiert formuliert», aber «im Endeffekt zutreffend»: Das Filmgesetz schreibe Streaminganbietern eine Mindestquote von mindestens 30 Prozent vor, zudem müssten die europäischen Filme gut sichtbar und besonders gekennzeichnet sein. «Das führt zu einer Bevormundung von uns Konsumenten, die wir ja freiwillig das Streaming bezahlen», sagt Müller, «ausserdem bedeutet eine Filmquote, dass andere Filme und Serien aus dem Programm fallen.»
SP-Nationalrat Matthias Aebischer führt das Pro-Komitee an. Er widerspricht: «Von Zwangskonsum kann keine Rede sein.» Netflix zeige in Österreich trotz 30-Prozent-Klausel heute mehr Serien und Filme als in der Schweiz. «Auf das Angebot hat die Klausel also keinen Einfluss.»
Für Aebischer ist aber klar, dass es eng wird für das Filmgesetz. Die Falschaussagen der Gegner müssten korrigiert werden. «Wir haben noch drei Wochen Zeit, um zu erklären, dass jeder Franken, der nicht in der Schweiz investiert wird, nach Frankreich, Spanien und in die USA geht.»
Deutliches Ja zum Transplantationsgesetz
Die zweite Vorlage in der Abstimmung ist das Referendum gegen das neue Transplantationsgesetz. Laut der Umfrage sprechen sich 62 Prozent der Stimmberechtigten für das Gesetz aus, nur 36 Prozent dagegen. «Die Zustimmung ist ausserordentlich stabil», sagt Politologe Leemann. Die Wahrscheinlichkeit ist damit hoch, dass die Vorlage angenommen wird. Die Zustimmung ist dabei unter den Jungen am höchsten.
Im Transplantationsgesetz wird die erweiterte Widerspruchslösung für die Organspende geregelt. Danach dürfen Organe nach dem Tod auch dann für eine Spende entnommen werden, wenn keine explizite Zustimmung vorliegt.
Breite Zustimmung zu Frontex
Auch bei der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands zeichnet sich ein deutliches Ja ab. Die Vorlage verlangt den Ausbau des Schweizer Beitrags an die EU-Grenzbehörde Frontex von 24 auf 61 Millionen Franken pro Jahr.
Laut Umfrage sprechen sich 61 Prozent dafür aus, nur 32 Prozent dagegen. SP und Grüne haben die Nein-Parole beschlossen. Dennoch spricht sich eine Mehrheit von 59 Prozent der Genossen für Frontex aus, bei den Grünen sind es immerhin 45 Prozent.
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