Garten-ExperimentEinen Monat lang Selbstversorger
Was der Permakulturgärtner Lucas Meyer bei seinem Selbstexperiment erlebte - und was er am meisten vermisste
Einen Monat lang nur essen, was Garten und Natur zu bieten haben – was stand da bei Ihnen auf dem Menüplan?
Zum Frühstück ass ich Gerstenbrot mit Früchtemus. Kaffee stellte ich aus Löwenzahnwurzeln und Lupinen selber her. Als Znüni nahm ich einen Apfel oder ein Rüebli. Für die Hauptspeisen hatte ich eine Auswahl von 57 Zutaten zur Verfügung. Auch wenn meine Ernährung im Vergleich zu sonst sehr eingeschränkt war, staunte ich doch über die enorme Vielfalt, die mir zur Verfügung stand.
Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Seit ein paar Jahren beschäftige ich mich mit Nachhaltigkeit. Ich fing damit an, mich nur mit lokal und saisonal hergestellten Produkten zu ernähren, dann verzichtete ich auf Fleisch, schliesslich wurde ich vegan. Es ist nicht einfach, vor allem beim Einkaufen muss man sich stark mit den Lebensmitteln auseinandersetzen. In diesem Prozess bin ich auf die Idee gekommen mit dem Selbstversorgermonat. Dadurch war ich gezwungen, mich noch stärker mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Ich wollte erleben, wie es ist, wenn man einfach akzeptiert, dass nun keine Banane zur Verfügung steht. Aber früher ging es auch ohne Banane. Es war ein Experiment.
Haben Sie keine Kompromisse gemacht?
Doch, beim Salz und bei der Milch. Ich bin der Meinung, dass Salz wichtig ist für den Körper. In der Schweiz ist Salz jedoch in freier Natur nicht auffindbar, und dafür extra ans Meer zu reisen, fand ich nicht nachhaltig. Deshalb verwendete ich Salz aus der Schweiz.
Und die Milch?
Eigentlich wollte ich mein eigenes Sonnenblumenöl herstellen, doch die Sonnenblumen wuchsen nicht so gut. So dachte ich, dass ich mir Fette einfach durch Nüsse, Samen und Kerne zuführen kann. Unser Körper ist süchtig nach Fetten, Salz und Zucker, weil wir zu viel davon konsumieren. Doch der Körper kann sich schnell an eine andere Ernährung gewöhnen. Aber die Zubereitung der Speisen ist schwierig ohne Öl und Fett, und so entschied ich mich, einen Demeter-Bauern zu fragen, ob ich bei ihm eine Kuh melken darf. Mit der Milch stellte ich Butter, Rahm und Joghurt her.
Wie lange haben Sie sich auf das Experiment vorbereitet?
Anfang Jahr begann ich mit der Anbauplanung: Getreide, Mais, Kartoffeln und viel Gemüse. Im Frühsommer kochte ich Beeren ein – halt ohne Zucker, einfach als Mus. Zudem fror ich Brennnesselblätter und Bärlauch ein, um sie während des Selbstversorgermonats als Spinat kochen zu können.
Wie gross ist Ihr Selbstversorgergarten?
Ich konnte bei Freunden rund 200 Quadratmeter unbenutzte Wiese brauchen und bebauen.
Diese Fläche hat gereicht, um sich selber zu versorgen?
Ja, für den Monat September sowieso – wobei ich auch noch in der Natur Lebensmittel gesammelt habe, vor allem Brombeeren, Wildbeeren, Pilze, Haselnüsse und Kräuter. Ich konnte mich aber auch den ganzen Sommer über im Garten bedienen und kann viel für den Winter einlagern. Würde man sich aber das ganze Jahr über selber ernähren wollen, bräuchte man mehr Fläche. Für eine vegane Ernährung bräuchte es zwischen 1000 und 2000 Quadratmeter pro Person.
Hat sich Ihr Körper irgendwie verändert?
Ich nahm in den vier Wochen vier Kilogramm ab, womit ich gerechnet habe. Und ich hatte keine Heisshungerattacken mehr.
Kein Heisshunger mehr, weil sowieso keine Schokolade zur Verfügung stand?
Die psychologische Komponente spielt sicher mit. Aber der Hauptgrund ist meiner Erfahrung nach, dass der Körper nicht mehr danach verlangt. Speisen mit viel Öl und Zucker lösen im Körper das Verlangen nach mehr aus. Das Verlangen, mehr und mehr zu essen, schrumpfte bei mir ziemlich.
Was haben Sie vermisst?
Öl und das Soziale rund ums Essen. Ich ass immer ein anderes Menü als meine Familie und musste, wenn ich tagsüber unterwegs war, mein Essen am Morgen vorkochen und mitnehmen. Dies hat aber auch zu Gesprächen geführt, und ich wurde gefragt, was genau ich esse, wie ich mich fühle. Oft hörte ich auch den Satz: «Das könnte ich nicht.» Aber alle fanden, es mache Sinn.
Was waren die grössten Herausforderungen?
Wer alles selber machen möchte, braucht eine riesige Ausrüstung. Maschinen für den Anbau, viel Land, einen Estrich zum Trocknen, einen Keller zum Lagern, einen Tiefkühler. Unsere Wohnsituationen machen dies in den meisten Fällen nicht möglich. Was den Anbau bestimmter Kulturen betrifft, etwa Getreide, macht Arbeitsteilung und Tausch von Produkten ja auch Sinn.
Jeden Handgriff selber zu machen, ist sehr zeitaufwendig. Hatten Sie überhaupt noch Zeit für anderes?
Ja, es blieb mir mehr Zeit, als ich dachte. Natürlich waren die ganzen Vorbereitungen und das Anpflanzen schon sehr zeitaufwendig. Aber ich habe davon ja auch länger profitiert als nur diesen einen Monat.
Lucas Meyers Tipp für Selbstversorgungsneulinge: «Kartoffeln – da kann nicht viel schief gehen, sie geben viel her, und man kann sie gut lagern.»
Würde das Experiment auch in einem Wintermonat funktionieren?
Ich denke schon, man müsste einfach gut vorbereitet sein mit Lagergemüse. Ich entschied mich bewusst für den September, weil man in diesem Monat viel zur Verfügung hat. Lagergemüse ist schon reif für die Ernte, und im Garten hat es noch viel frisches Gemüse.
Wer zumindest einen Anfang in Richtung Selbstversorgung starten möchte: Was raten Sie für den Start? Was lässt sich einfach anbauen und wirft eine grosse Ernte ab?
Kartoffeln – da kann nicht viel schiefgehen, sie geben viel her, und man kann sie gut lagern. Bohnen eignen sich auch und Mangold, den man immer wieder schneiden kann. Einfach mal anfangen ist der beste erste Schritt, um seine Umgebung essbarer zu machen.
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