Justiz in JapanEin Land steht zur Todesstrafe
Erstmals seit Dezember 2019 meldet die Regierung in Tokio wieder Hinrichtungen. Damit setzt sie ein Zeichen: An der Strafe wird nicht gerüttelt.
Drei verurteilte Mörder seien mit dem Strang hingerichtet worden, meldete das japanische Justizministerium am Dienstag. Justizminister Yoshihisa Furukawa habe die Vollstreckung der Todesurteile «nach sorgfältiger Prüfung» angeordnet.
Später verlas der stellvertretende Kabinettssekretär Seiji Kihara ein Statement: «Die japanische Öffentlichkeit ist mehrheitlich der Meinung, dass die Todesstrafe für extrem bösartige Verbrechen unumgänglich ist.» Es gebe weiterhin schreckliche Verbrechen, sagte Kihara. Er finde es deshalb «nicht angebracht», die Todesstrafe abzuschaffen. Amnesty International machte deutlich, dass Japan Menschenrechtsstandards verletzt habe.
Todesurteile passen schlecht zu freiheitlichen Rechtsstaaten, und der weltweite Trend ist eindeutig. Laut Amnesty ist die Todesstrafe in zwei Dritteln aller Länder entweder abgeschafft oder ausgesetzt. Selbst in den USA tut sich was: Als erster US-Präsident hat sich Joe Biden dieses Jahr gegen Hinrichtungen ausgesprochen.
Mehrheit ist für Todesstrafe
Aber in Japan, neben den USA der zweite G-7-Staat mit der Lizenz zum Töten? Kein Umdenken, nirgends. Das hat dieser Dienstag deutlich gezeigt. Die Hinrichtungen der drei Männer waren die ersten seit Dezember 2019 und die ersten unter dem neuen Premierminister Fumio Kishida.
Seiji Kihara sagte zwar, dass die Abschaffung der Todesstrafe sorgfältig geprüft werden müsse. Aber wie diese Prüfung aus Sicht der Regierung aussehen sollte, sagte er eben auch: pro Todesstrafe, klar. Er kann dabei auf die Mehrheitsmeinung in Japan verweisen.
Die Hinrichtungsmethode in Japan ist seit 1882 das Erhängen.
Umfragen der Regierung zeigen regelmässig: Sehr viele Menschen in Japan sind für die Todesstrafe. Zuletzt im November 2019. Nur 9 Prozent der Befragten wollten sie abschaffen. 80,8 Prozent hielten sie in besonders schweren Fällen für nötig.
Der Hightech-Inselstaat wirkt fast archaisch, wenn es um die Todesstrafe geht. Auge um Auge gilt hier als brauchbares Rechtsprinzip. Dass mit dem Leben bezahlen müsse, wer Leben nimmt, ist laut der Umfrage von 2019 einer der meistgenannten Punkte der Befürworter. Und die Hinrichtungsmethode ist seit 1882 das Erhängen.
1955 bestätigte Japans Oberster Gerichtshof: «Im Vergleich zu anderen Formen der Todesstrafe (…) wie Enthauptung, Erschiessungskommando, Hinrichtung durch Stromschlag und Hinrichtung durch Gas kann das Erhängen aus humanitärer Sicht nicht als grausam angesehen werden.»
Verstörende Verbrechen wie der Giftgasanschlag der Aum-Sekte 1995 auf die Tokioter U-Bahn dürften das Gefühl vieler Japanerinnen und Japaner verstärkt haben, dass der Tod eine gerechte Strafe sein kann. Sektenführer Shoko Asahara und zwölf seiner Anhänger wurden 2018 hingerichtet.
Abschreckung ist ein weiteres Argument – das aber mit jeder neuen Gewalttat schwächer wird. Der Messerstecher, der im Oktober in der Tokioter U-Bahn 17 Menschen verletzt hatte, erklärte der Polizei sogar, er habe Menschen umbringen wollen, gerade weil er zum Tode verurteilt werden wollte.
107 Häftlinge in Todeszellen
Den Druck der Mehrheit in Japan lassen internationale Kritiker nicht als Grund gelten. Der britische Anwalt Saul Lehrfreund, Mitbegründer der Lobbygruppe «Death Penalty Project», sagte der Zeitung «Asahi Shimbun»: «Kein Land hat die Todesstrafe wegen der Ergebnisse von Meinungsumfragen abgeschafft. Dafür brauchte es immer politische Führung.»
Japans Rechtsstaat sieht nicht gut aus im Lichte seiner Todesurteile. Iwao Hakamada sass 46 Jahre einsam in der Todeszelle, ehe seine zweifelhafte Verurteilung wegen mehrfachen Raubmordes 2014 wieder aufgerollt wurde. Derzeit klagen zwei Häftlinge gegen die Praxis, die Verurteilten erst am Tag der Hinrichtung darüber zu informieren, dass sie dran sind.
Aber Japan gibt nicht nach. Nach den Exekutionen vom Dienstag sitzen immer noch 107 Menschen in den Todeszellen der Nation.
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