Probefahrt mit Honda ZR-VEin Japaner für die Europäer
Honda hat bei der Modellentwicklung lange die hiesigen Vorlieben ignoriert und wurde dafür mit sinkenden Verkaufszahlen bestraft. Der neue ZR-V soll das nun ändern.
Im Schweizer Automarkt ist Honda nur noch eine kleine Nummer. Im vergangenen Jahr konnte der zweitgrösste japanische Hersteller hierzulande knapp 2400 Autos verkaufen und erreichte damit einen Marktanteil von lediglich 1,1 Prozent – in den ersten fünf Monaten 2023 schrumpfte dieser weiter auf 0,8 Prozent. Vor 15 Jahren waren es noch 3,1 Prozent. In Gesamteuropa sieht die Lage noch düsterer aus: 2022 konnte Honda lediglich 0,6 Prozent des Marktes für sich beanspruchen. Damit liegt der Hersteller auf Rang 26.
Ganz anders ist das globale Bild. Weltweit gesehen ist Honda der achtgrösste Autohersteller mit 3,8 Millionen Verkäufen im vergangenen Jahr. In den USA, dem wichtigsten Markt aller grossen japanischen Hersteller, erzielte Honda 2022 einen Marktanteil von 6,7 Prozent – 2019 waren es sogar 9,4 Prozent. Damit lagen die Japaner in den Vereinigten Staaten auf Rang 5. Diese Zahlen zeigen klar die Prioritäten des Herstellers: Der Fokus liegt auf dem US-Geschäft, Europa spielt nur eine kleine Nebenrolle. Dementsprechend ist Hondas Modellpalette ausgelegt.
Drei SUV sollen es richten
Die jüngste Modelloffensive zeigt aber, dass die Japaner dem alten Kontinent wieder mehr Beachtung schenken. Honda hat kürzlich gleich drei neue SUV vorgestellt, die alle noch dieses Jahr zu den Händlern kommen sollen. Neben der Neuauflage des CR-V, der ein globaler Bestseller ist, hat die Marke auch einen kleinen Elektro-Crossover mit dem kryptischen Namen e:NY1 präsentiert (vgl. Box), der beim wachsenden Stromer-Anteil in Europa partizipieren soll. Dazu gesellt sich mit dem ZR-V eine weitere neue Baureihe, die voll auf die europäischen Bedürfnisse zugeschnitten ist, mit einem besonderen Augenmerk auf eine hohe Fahrdynamik.
Davon ist zumindest Projektleiter Yutaka Kato überzeugt: «Wir glauben, dass der ZR-V das perfekte Paket bietet, um die Anforderungen der Kunden in ganz Europa zu erfüllen. Wir wollten ein einzigartiges SUV entwickeln, das sich von den anderen Modellen des Segments klar abhebt, mit herausragendem Komfort, einem wunderschönen Interieur, einer kraftvollen Präsenz und unserem aussergewöhnlichen Hybridantrieb.» Das sind grosse Worte. Doch schon nach wenigen Kilometern im neuen Kompakt-SUV zeigt sich, dass Honda mit dem ZR-V tatsächlich ein guter Wurf gelungen ist.
Überraschend sportlich
Schon äusserlich hebt sich der ZR-V von den Markengeschwistern HR-V und CR-V ab, zwischen denen er sich mit einer Länge von 4,57 Metern einreiht. Das Design erinnert von vorne an Ford und von hinten an Maserati, was aber ein harmonisches Gesamtbild ergibt. Der Innenraum wirkt hochwertig, das Cockpit mit einem frei stehenden Screen für das Infotainmentsystem, mit Digitalanzeigen hinter dem Lenkrad und einem Head-up-Display auf der Windschutzscheibe ist zeitgemäss und bedienungsfreundlich. Abheben kann sich der Neue jedoch vor allem mit seinem Fahrverhalten: Der ZR-V rollt komfortabel ab, lässt sich aber auch überraschend sportlich fahren, dank des ausgewogen abgestimmten Fahrwerks und einer präzisen, gefühlvollen Lenkung. Solches kennt man zwar vom «hot hatchback» Civic Type-R, aber bisher nicht von Hondas SUV.
Das eigenwillige Hybridsystem namens e-HEV hat in Europa bisher nicht für Begeisterung gesorgt, doch die Japaner haben über die letzten Jahre stetig daran gefeilt. Im ZR-V kommt nun die gleiche Variante zum Einsatz wie im aktuellen Civic – und die wird auch den hiesigen Vorlieben gerecht. Der Clou des Systems: Der 2-Liter-Vierzylinder-Benziner wird mehrheitlich als Stromgenerator eingesetzt, der damit zwei E-Motoren versorgt – so ist man fast immer mit Elektroantrieb unterwegs. Nur bei konstant hohen Geschwindigkeiten treibt der Verbrenner die Räder direkt an, bei Bedarf unterstützt von den E-Motoren. So reichen eine Systemleistung von 135 kW/184 PS, um flott zu beschleunigen. Der Normverbrauch von 5,8 Litern ist ein guter, aber nicht herausragender Wert.
Ob Honda dank der neuen Produktstrategie in Europa wieder Marktanteile zurückgewinnen kann, wird sich zeigen. Der ZR-V jedenfalls wird hierzulande bestimmt auf Gegenliebe stossen. Ein kleines Manko hat er in der allradverliebten Schweiz allerdings: Es gibt ihn bei uns nur mit Frontantrieb. In den USA hingegen wird der ZR-V auch als 4×4-Version mit reinem Verbrennungsmotor angeboten. Das liegt aber für einmal nicht an der US-Fokussierung, sondern an den strickten CO2-Richtlinien in Europa. Deshalb ist der e-HEV die einzige Antriebsversion, die es bei uns für den ZR-V geben wird.
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