Episches Paris–RoubaixUnd im Ziel kann der verschlammte Sieger nur noch flennen
Sonny Colbrelli schlägt im Endspurt auch Favorit Mathieu van der Poel in einem Rennen für die Geschichtsbücher. Die Schweizer können nicht ganz vorne mitmischen.
Im Ziel sind da nur noch Tränen. Wobei Tränen im Fall von Sonny Colbrelli noch leicht untertrieben sind: Der Italiener hält einige Meter nach der Ziellinie an, steigt vom Velo und weint Sturzbäche, dazu flennt er unkontrolliert. Es sind Emotionen, wie sie wohl nur dieses Rennen, und nur diese Ausgabe hervorbringen können. Der Europameister ist Sieger von Paris–Roubaix, von einem epischen Rennen, dominiert von Regen, Schlamm und Stürzen. Es ist das Ende der besten Saison seiner Karriere. Der 31-Jährige, Sonny getauft wegen Miami-Vice-Hauptdarsteller James «Sonny» Crockett, ist der erste italienische Roubaix-Sieger seit Andrea Tafi 1999.
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Wie Colbrelli schüttelt es auch Mathieu van der Poel durch. Er liegt ausgestreckt auf dem Rasen, das Gesicht im Gras. Aus anderen Emotionen: Zum zweiten Mal 2021 wird der Niederländer als Topfavorit bei einem der fünf Radmonumenten niedergesprintet: Im Frühling unterlag er an der Flandernrundfahrt im Duell mit Kaspar Asgreen. Im Vélodrome von Roubaix kämpften sie zu dritt um den Sieg – und Van der Poel wird Dritter. Vor ihm klassiert sich noch der 22-jährige Neoprofi Florian Vermeersch, die ganz grosse Überraschung.
Ausserordentlich ist, dass die drei, die den Sieg zuletzt unter sich ausmachen, alle Roubaix-Debütanten sind. Ausgerechnet in Roubaix, wo Erfahrung doch so viel zählt – letztmals hatte 1955 ein Neuling in der «Hölle des Nordens» gewonnen.
Mehr Schlitterpartie als Tanz auf dem Pavé
Nur: Vielleicht ist dieses Mal die jahrelange Erfahrung nichts wert, weil diese Ausgabe ein Stück weit für alle eine Premiere ist: Es ist das erste Mal seit 2002, dass der Pavé-Klassiker unter Regen ausgetragen wird. Das lässt den so schon anspruchsvollen Tanz auf dem Kopfsteinpflaster zeitweise zur Schlitterpartie werden, so rutschig sind die Steine vom Schlamm. Dass der Schlamm die Pflastersteine rutschig macht, ist nur ein Aspekt: Die Fahrer kriegen alle eine integrale Schlammpackung verpasst vom aufspritzenden Dreck der Hinterräder. Von vorne sehen sie nach einer Weile alle gleich aus, braun von oben bis unten.
Hinter dem Trio, das um den Sieg sprintet, bleiben ganz viele Verlierer. Die allermeisten sind solche, weil sie wie immer bei Paris–Roubaix irgendwann einfach nicht mehr das Tempo mithalten können. Dann gibt es viele, die von Defekten gebremst werden, darunter das anfänglich sehr dominante Team Deceuninck-Quickstep. Und schliesslich fallen die Fahrer durch unzählige Stürze aus der Entscheidung.
Die bitterste Niederlage erleidet Gianni Moscon, den die drei Podestfahrer kurz vor der Ziellinie überrunden, derweil er noch die abschliessende Stadionrunde absolvieren muss. So erlebt der Italiener aus nächster Nähe mit, wie sein Landsmann ob des Sieges emotional eruptiert. Und dürfte sich auf den verbliebenen Metern ins Ziel mehrfach sagen: Das sollte eigentlich ich sein.
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Wie der sichere Sieger pedalt der Ineos-Fahrer lange Zeit: Er ist Mitglied der grossen Fluchtgruppe, die sich nach rund 40 der 257,7 Kilometern bildet. Von den 25 Vorausfahrern ist irgendwann nur noch Moscon übrig: Während 36 Kilometern führt er das Rennen souverän und solo an, derweil die Topfavoriten Van der Poel und etwas weiter hinten Wout van Aert vergeblich versuchen, den Abstand zu ihm zu verringern. Doch dann erleidet Moscon erst einen Plattfuss. Und vier Kilometer später auch noch einen Sturz.
Kurz darauf ist Moscon von Van der Poel und Co. gestellt und bald abgehängt – ohne die zwei Malheurs wäre das kaum gelungen. «Ich versuche es wieder», gibt sich Moscon im Ziel ungerührt einsilbig. Auf viele Gratulationen aus dem Peloton hätte er bei einem Sieg nicht warten müssen: Moscon ist für seine Ausraster berüchtigt und entsprechend unbeliebt.
Die Schweizer gehören zu den Geschlagenen
Das kann Wout van Aert nicht von sich behaupten. Als Siebter muss auch er geschlagen abziehen. «Ich bin nicht zufrieden, wie ich auf dem Pavé fuhr, ängstlich, so verlor ich Energie», sagt der Topfavorit. Dass der Belgier recht früh aus der Entscheidung fällt, überrascht. Denn er wirkt lange sehr souverän, anders als etwa Van der Poel, der schon bald vor Anstrengung die Zähne bleckt.
Und da wären schliesslich die Schweizer mit ihren grossen Hoffnungen: Stefan Küng findet diese früh zerstört – und das gleich mehrfach. Ihm, der den Regen so sehr liebt, rutscht bereits vor dem ersten Pavé-Sektor zwei Mal das Vorderrad weg. Und im Pflastersteinschlamm noch ein drittes Mal – sein Rennen ist damit zu Ende.
Perfekt läuft dieses dagegen lange für Stefan Bissegger, einem weiteren Roubaix-Debütanten: Der Thurgauer schafft es (wie bis zu seinem ersten Sturz auch Küng) in die frühe Spitzengruppe, zu der auch Moscon gehört. Als dann aber die grossen Attacken folgen, scheint Bissegger etwas die Kraft zu fehlen, sodass er rund 40 Kilometer vor dem Ziel ebenfalls aus der Entscheidung fällt und Roubaix als 56. erreicht.
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