FTX-Gründer Bankman-Fried in Haft Die One-Man-Kryptoshow ist zu Ende
Sam Bankman-Fried steht unter Verdacht, einen der grössten Betrugsringe in der US-Finanzgeschichte aufgezogen zu haben.
Nach seiner überraschenden Verhaftung auf den Bahamas muss sich der 30-jährige Gründer der Kryptobörse FTX in den USA gleich drei Betrugsverfahren stellen. Die für die Finanzindustrie zuständige Staatsanwaltschaft in Manhattan, die Börsenaufsicht sowie die Rohstoffhandelsaufsicht sehen den Tatbestand des Betrugs auf mehreren Stufen für erfüllt und planen, ihn straf- und zivilrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen. Bei einem Strafurteil drohen ihm mehrjährige Haftstrafen.
Erschwert werden die Ermittlungen allerdings durch das totale Chaos, das Sam Bankman-Fried nach dem Bankrott von FTX hinterlassen hat. Nachlassverwalter John J. Ray, der die Trümmer der Kryptobörse aufräumen muss, erklärte gestern, er habe noch nie ein derart verludertes Unternehmen angetroffen. Im Vergleich zum Betrugsunternehmen Enron, das Ray 2000 aus dem Bankrott führen musste, stehe es um FTX mehrfach schlimmer. Bankman-Fried habe praktisch keine Geschäftsbücher geführt und keine Unterlagen aufbewahrt. Interne Kontrolle habe es keine gegeben; und auch ein unabhängiges Aufsichtsorgan sei nie installiert worden. Alle Fäden seien bei Bankman-Fried zusammengelaufen, so Ray.
«I fucked up»
Der gescheiterte Krypto-Unternehmer hatte sich nach dem Kollaps der FTX-Plattform auf seine Luxusresidenz in Nassau zurückgezogen, von wo aus er in den letzten Wochen oft Interviews gewährte und sein Bedauern und seinen Willen zur Wiedergutmachung beteuerte. Dazu sagte Ray kurz und bündig: «Keine seiner Stellungnahmen ist glaubwürdig.»
Wenige Stunden vor der Festnahme am Montagabend erschien er völlig ahnungslos. Er hätte am Dienstagmorgen vor dem Kongress aussagen sollen, weigerte sich aber, persönlich in Washington zu erscheinen, da die omnipräsenten Paparazzi ihm nach seinen Angaben das Verlassen seiner Residenz unmöglich machten. Stattdessen schickte er eine schriftliche Stellungnahme, die in zwei Punkten auffiel. Erstens erklärte er, dass er nichts substanziell Neues zu sagen habe, weil er den vollen Überblick über die Trümmerlandschaft noch nicht habe. Und zweitens gestand er: «I fucked up»; was ihm seitens des Kongresses einen Rüffel für den rüpelhaften Ausdruck eintragen sollte.
«Bankman-Fried hat auf einem Fundament der Täuschung ein Kartenhaus aufgebaut und Investoren vorgegaukelt, es handele sich um das sicherste Krypto-Gebäude.»
Am weitesten fortgeschritten scheinen die Ermittlungen der Börsenaufsicht SEC. Direktor Gary Gensler hatte sich schon vor Monaten, noch vor dem Auffliegen der FTX, äusserst kritisch zur Kryptoszene geäussert und klar gewarnt, dass Börsenplätze, die mit Kryptos handelten, illegal agierten. «Bankman-Fried hat auf einem Fundament der Täuschung ein Kartenhaus aufgebaut und Investoren vorgegaukelt, es handele sich um das sicherste Krypto-Gebäude», sagte Gensler gestern. Die Verhaftung sei ein Weckruf für alle Krypto-
Plattformen, sich gesetzeskonform zu verhalten.
Einer der grössten Geldgeber der Demokraten
Bankman-Fried bezifferte den Sachschaden des Kollapses von FTX und seinem Hedgefonds Alameda auf 6,5 Milliarden Dollar. Die Rohstoffhandelsaufsicht geht dagegen von veruntreuten Geldern im Umfang von acht Milliarden Dollar aus. Dass die betrogenen Kunden ihr Geld je wiedersehen, ist fraglich. Wenn, dann dürften es nur Bruchteile davon sein. Bisher seien nur rund eine Milliarde Dollar Vermögenswerte sichergestellt worden, erklärte John Ray vor dem Kongress. Untersucht wird überdies, ob Bankman-Fried Vorschriften über die Verwendung von politischen Spenden verletzt hat. Er war einer der grössten Geldgeber der demokratischen Partei. Seine öffentlichen Spenden werden auf 40 Millionen Dollar geschätzt. Seinen Angaben zufolge liess er auch den Republikanern Spenden in vergleichbarer Höhe zukommen.
Das Vorgehen von Bankman-Fried wird zuweilen mit jenem des Jahrhundertbetrügers Bernie Madoff verglichen. Wie jener hatte auch der FTX-Gründer einen Ring von leichtgläubigen Investoren aufgebaut
und deren Einsätze für Geschäfte auf eigene Rechnung missbraucht. Im Unterschied zu Madoff gab er seine Schuld früh und in aller Öffentlichkeit zu. «Ich habe es vergeigt. Das heisst, dass ich die Verantwortung trage», sagte er. Dieses offene Geständnis und das Risiko einer Anhörung im Kongress, die folgenlos zu bleiben versprach, dürften die US-Behörden bewogen haben, rasch zu handeln, ihn zu verhaften und die Kontrolle über den Fall zu gewinnen.
Auch Rolle der Eltern wird untersucht
Maxine Waters, die demokratische Präsidentin des Financial Services Committee des Abgeordnetenhauses, war von der Verhaftung ebenso überrascht wie enttäuscht. «Das amerikanische Volk verdient es, direkt von Bankman-Fried zu hören, wie er mehr als eine Million Menschen geschädigt und ihre hart verdienten Ersparnisse ausgelöscht hat.»
Bankman-Fried war auf dem Papier einmal über 20 Milliarden Dollar wert und behauptete heute, praktisch alles verloren zu haben. Sein Anwesen in Nassau steht zum Verkauf. Seine Eltern – Professoren der Stanford-Universität – versuchten angeblich, seine Versprechungen für gemeinnützige Zuwendungen an Non-Profit-Organisationen selber einzulösen. Ihre Rolle und Verantwortung werden inzwischen ebenfalls untersucht.
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