Wegen SchneemangelDutzende Skigebiete wollen Staatshilfe – aber die ist schwer zu kriegen
Bei der Arbeitslosenversicherung gibt es einen Paragrafen für den Fall, dass die Skilifte nicht laufen. Davon profitieren die Anbügler und Pistenfahrzeugfahrer mit ihren speziellen Arbeitsbedingungen.
Wegen des Schneemangels sind in vielen Skigebieten die Anlagen ganz oder grösstenteils geschlossen. Nun haben zahlreiche Bergbahnbetreiber bei ihren Kantonen in diesen Tagen Anträge gestellt, um für ihre Angestellten Kurzarbeitsentschädigung zu erhalten. So hat der Kanton Bern bis Mittwoch fünf Gesuche erhalten, im Wallis waren es 15, in Graubünden 13, in St. Gallen eines.
Um welche Bergbahnbetreiber es sich handelt, wird unter dem Deckel gehalten. Weder die Kantone noch der Dachverband Seilbahnen Schweiz teilen die Namen mit. «Es handelt sich hauptsächlich um kleinere Betriebe meist in tieferen Lagen», schreibt Gian Reto Caduff, Leiter des Amts für Industrie, Gewerbe und Arbeit Graubünden. Der Grund: Diese Skigebiete haben meist keine eigenen Beschneiungsanlagen. Sie sind voll dem Wetter ausgeliefert.
Die Skigebiete, die sich Hilfe vom Staat holen wollen, sind allerdings in der Minderheit. Skigebiete in höheren Lagen berichten von einer bisher hervorragenden Saison. Und unter jenen, die geschlossen haben, verlangen längst nicht alle Kurzarbeitsentschädigung, wie zum Beispiel die Bündner Skigebiete Splügen, St. Antönien und Tschiertschen mitteilen.
Bedingungen sind für Skigebiete härter
Mit dem Ruf nach Staatshilfe rückt ein Verordnungsartikel in den Fokus, der vor dreissig Jahren eigens für die Skigebiete entworfen wurde. Seit 1992 sieht die Arbeitslosenversicherungsverordnung eine Kurzarbeitsentschädigung infolge wetterbedingter Kundenausfälle vor. Im entsprechenden Passus sind die Skigebiete zwar nicht erwähnt. In den erklärenden Weisungen des Bundes steht jedoch, dass damit «namentlich der Schneemangel in Wintersportgebieten» gemeint sei.
Die Hürden für diese sind jedoch hoch: So ist nicht nur ein «ungewöhnlicher Wetterverlauf […], der den Betrieb stilllegt oder erheblich einschränkt», Bedingung für eine Auszahlung. Auch muss der Umsatz der betreffenden Bergbahn um mindestens 75 Prozent unter dem Mittelwert der fünf vorhergehenden Jahre liegen.
Vor allem jedoch gilt eine Karenzfrist von zehn Tagen: Das bedeutet, dass die Betreiber den Lohn für diese Zeit selbst tragen müssen. Eine Auszahlung erfolgt nur, wenn der Schneemangel länger dauert.
Für andere Branchen gilt jeweils eine Karenzfrist von drei Tagen. Ein klassischer Fall, in dem Kurzarbeit geltend gemacht wurde, war zum Beispiel der Frankenschock von 2015, als plötzlich grosse Teile der exportorientierten Branchen wie der Maschinenindustrie deutlich weniger zu tun hatten. Während der Pandemie, zu deren Beginn weite Teile der Schweizer Wirtschaft in Kurzarbeit waren, galt eine Karenzfrist von nur einem Tag.
Kurzarbeit ist also für Seilbahnbetreiber schwieriger zu erhalten als für andere Firmen. Das dürfte damit zu tun haben, dass der Gesetzgeber Anfang der 1990er-Jahre eine gewisse Anzahl schneefreier Tage im Winter als üblich einstufte. Bloss eine deutlich längere Warmwetterperiode wie die jetzige sollte Anlass für staatliche Unterstützung sein.
Arbeitnehmer mit Saisonarbeitsverträgen profitieren
Allerdings ist im Skigebiete-Paragrafen auch eine Besonderheit eingebaut, die den Bergbahnangestellten zugutekommt: Anders als in anderen Branchen sind auch Arbeitnehmer mit Saisonarbeitsverträgen bezugsberechtigt. Das ist eine offensichtliche Berücksichtigung der Anbüglerinnen, Billettverkäufer oder Pistenfahrzeugfahrerinnen, die meist in solchen Anstellungsverhältnissen arbeiten.
«Wir sehen betreffend die Kurzarbeitsentschädigung für Bergbahnbetriebe derzeit keinen Handlungsbedarf.»
Die zuständigen Verbände sind sich nicht einig, ob es Staatshilfe überhaupt braucht. So sagte Hans Wicki, der Präsident des Branchenverbandes Seilbahnen Schweiz und FDP-Nationalrat, dem «Blick», es gehöre zum unternehmerischen Risiko von Bergbahnen, mit Schneemangel umzugehen. «Wir sehen betreffend die Kurzarbeitsentschädigung für Bergbahnbetriebe derzeit keinen Handlungsbedarf.»
Zuvor hatte Nicolo Paganini, der Präsident des Schweizer Tourismusverbands und Mitte-Nationalrat, gefordert, dass über eine Lockerung der strikten Bedingungen für Entschädigungen diskutiert werde.
Das Instrument der Kurzarbeit hat in solchen Fällen zum Zweck, dass Arbeitgeber bei nicht selbst verschuldeten Schocks ihre Angestellten nicht entlassen, sondern durch die Krise retten können. Das ist wirtschaftlich weniger schädlich, als Stellen ganz zu streichen. Bezahlt wird das Ganze mit Lohnabzügen, die alle Arbeitnehmer schweizweit entrichten. Ausbezahlt werden – abzüglich der Karenzfrist – 80 Prozent des Lohns, den die Arbeitnehmer während der fraglichen Zeit erhalten hätten.
Wie hoch die Kurzarbeitsentschädigungen für Skigebiete über die Jahre insgesamt ausgefallen sind, kann das Staatssekretariat für Wirtschaft nicht sagen. Die Auszahlungen würden nicht nach Zweck gegliedert, sagt ein Sprecher. Der Löwenanteil entfalle aber auf andere Branchen. Das dürfte auch dieses Jahr nicht anders werden: Ab Sonntag soll es in weiten Teilen der Alpen wieder schneien.
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