Probleme mit CurevacDrohender Ausfall dürfte zum Wettlauf um die besten Impfstoffe führen
Der Impfstoff von Curevac könnte wegen geringer Wirksamkeit ausfallen. Falls die EU deshalb bei Moderna nachbestellt, wären die Lieferungen in die Schweiz gefährdet.

Die Schweiz, Grossbritannien und die Europäische Union haben Millionen Dosen des Impfstoffkandidaten Curevac bestellt. Nun kommen schlechte Nachrichten vom deutschen Biotech-Unternehmen: Eine Zwischenanalyse der laufenden klinischen Studie zeigt, dass der Impfstoff zu lediglich 47 Prozent gegen eine Covid-Erkrankung schützt. Erhärtet sich dieses Ergebnis, dürfte der Impfstoff nicht zum Einsatz kommen. An der Börse brach die Aktie am Donnerstag um die Hälfte ein.
Für die Schweiz zeichnet sich bei einem Ausfall von Curevac zunächst kein Versorgungsengpass ab. Sie hat insgesamt 5 Millionen Dosen reserviert. Eingeplant waren zuletzt die ersten 300’000 Dosen im September. Im Oktober und November sollten es dann jeweils rund 800’000 sein. Der Vorteil von Curevac ist, dass er keinerlei Tiefkühlung braucht, sondern bei Kühlschranktemperatur gelagert werden kann.
Den Fokus hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bei der Planung nicht auf den mRNA-Impfstoff von Curevac gelegt, sondern auf die beiden anderen mRNA-Impfstoffe von Moderna und Pfizer/Biontech. In den nächsten drei Monaten soll allein von Moderna jeweils 1 Million Dosen geliefert werden. Auch später würde die Versorgung nicht unter dem Ausfall des neuen Impfstoffs leiden. Grund: Die Schweiz hat überbestellt – dies, um sich genau gegen solche möglichen Zwischenfälle zu wappnen.
«Es werden diesen Sommer genug Vakzine von Moderna und Pfizer/Biontech zur Verfügung stehen, um allen, die es wollen, eine Impfung anzubieten – vorausgesetzt, die Lieferungen treffen wie angekündigt in der Schweiz ein», erklärt BAG-Sprecherin Masha Foursova. Doch daran muss nun gezweifelt werden.
Impfstoff-Karussell dreht sich wieder
Werden Moderna und Pfizer/Biontech ihre Lieferzusagen tatsächlich einhalten? Die Europäische Union hat bei ihrer Planung mit bis zu 405 Millionen Dosen von Curevac gerechnet und dürfte ohne diesen Impfstoff bei anderen Herstellern um Ersatz besorgt sein. Dafür kommen vor allem Pfizer/Biontech und Moderna infrage. Das aber könnte bedeuten, dass die Schweiz zu kurz kommt und das Wettrennen um die Impfstoffe erneut losgeht.
«Moderna bleibt weiter verpflichtet, die für die Schweiz zugesagten Dosen auszuliefern», hiess es von Moderna auf Anfrage. Wie sich Anfang des Jahres gezeigt hat, sind die genauen Lieferdaten jedoch flexibel. Zu einer gewissen Entspannung trägt nun bei, dass diesmal im Vergleich zum Frühjahr schon gut die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung geimpft ist. Und dass der Schutz nach der Grundimpfung inzwischen auf mindestens zwölf Monate verlängert wurde. Werden alle Impfstofflieferungen pünktlich eingehalten, hat die Schweiz ein Überflussproblem statt einen Engpass.
«Grundsätzlich wird der Kaufpreis eines Covid-19-Impfstoffs erst bei der Lieferung in die Schweiz fällig.»
«Grundsätzlich wird der Kaufpreis eines Covid-19-Impfstoffs erst bei der Lieferung in die Schweiz fällig», sagt BAG-Sprecherin Foursova. Erhalten – und damit auch bezahlt – hat das Land noch nichts, da eine Auslieferung des Curevac-Stoffs rechtlich erst möglich ist, wenn ein Impfstoff auch von der Zulassungsbehörde Swissmedic genehmigt wurde. Dies ist aber noch nicht der Fall.
Einer der Herstellungspartner von Curevac ist der Schweizer Pharmariese Novartis. Er wollte in seinem Werk in Kundl, Österreich, allein in diesem Jahr 50 Millionen Dosen herstellen. «Novartis verfolgt die Entwicklung aufmerksam und wird die endgültige Analyse und die Bewertung der Gesamtheit der Daten abwarten», sagte ein Sprecher auf Anfrage.
134 Erkrankungen bei 36’500 Studienteilnehmerinnen
Noch gibt es keine wissenschaftliche Publikation, sondern bloss eine Pressemitteilung des Herstellers Curevac: 134 Erkrankungsfälle wurden in der Impfstudie mit 36’500 Personen bisher ausgewertet. Die Wirksamkeit der Vakzine liege demnach bei 47 Prozent, gab Curevac bekannt. Verglichen mit den Konkurrenten Biontech/Pfizer und Moderna, steht der Tübinger Impfstoffentwickler damit schlecht da.
«Das ist traurig für die Mitarbeiter von Curevac», sagt Steve Pascolo. Der Wissenschaftler am Zürcher Universitätsspital war 2000 einer der drei Mitgründer von Curevac. Die mRNA-Vakzine von Curevac sind sehr ähnlich denjenigen von Biontech/Pfizer und Moderna, unterscheiden sich aber in vier Details. Eines davon ist die Dosis. Pascolo vermutet, dass dies der entscheidende Punkt für die schlechtere Wirksamkeit ist.
«Diese Varianten könnten das Ergebnis ungünstig beeinflusst haben.»
«Curevac hat eine Impfdosis von 12 Mikrogramm mRNA gewählt, Biontech/Pfizer entschied sich
für 30 Mikrogramm, und die Moderna-Impfung enthält 100 Mikrogramm», sagt Pascolo. Curevac selbst dagegen stellt die Virusvarianten als vorrangiges Problem dar. Bei 124 der 134 ganz überwiegend mild an Covid-19 erkrankten Studienteilnehmer wurden die Viren genau untersucht. In fast 60 Prozent der
Fälle hätten als «besorgniserregend» eingestufte neue Virusvarianten die Erkrankung verursacht, in etwa 40 Prozent weitere neue Varianten, und nur in weniger als 1 Prozent waren die Sars-CoV-2-Viren verantwortlich, gegen die der Impfstoff ursprünglich entwickelt worden war.
«Diese Varianten könnten das Ergebnis ungünstig beeinflusst haben», sagt Christian Münz,
Immunologe an der Universität Zürich. Die mässige Wirksamkeit von 47 Prozent sei aber nicht eins zu eins mit den Ergebnissen der anderen Impfstoffe vergleichbar, gibt Erik von Elm, der Direktor von Cochrane Schweiz, zu bedenken. «Die Situation war bei den ersten zugelassenen mRNA-Impfstoffen noch anders. Es wird also nicht mit gleich langen Spiessen gemessen.»
Ganz aus dem Rennen sei der Curevac-Impfstoff noch nicht, glaubt Steve Pascolo. «Vielleicht könnte das eine Impfung für junge Menschen werden.» Bei ihnen wirkten die Vakzine laut Hersteller. In zwei bis drei Wochen sollen die Zwischenergebnisse der Studie detaillierter vorliegen.
Hinweis: Grafik und Text wurden nach der Publikation angepasst. Ursprünglich zeigte die Grafik, dass das BAG noch am 15. Juni mit einer ersten Lieferung von Curevac im August rechnete. Korrekt ist September. Die entsprechende Planung wird laufend angepasst. Anfang Juni plante das BAG noch mit Curevac-Lieferungen ab Juli. (18. Juni 2021 um 10.50 Uhr)
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