EU kämpft ums ÜberlebenDiese drei Frauen führen die EU durch die Krise
Heute übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Zusammen mit zwei weiteren Frauen hat Angela Merkel es in der Hand, zu verhindern, dass die EU auseinanderbricht.
Schliesslich sei Europa eine Frau, hat der damalige EU-Ratspräsident Donald Tusk gesagt, als Ursula von der Leyen vor knapp einem Jahr relativ überraschend zur Kommissionspräsidentin gewählt wurde. Ab dem 1. Juli sind sogar drei Frauen Europa. Ob es gelingt, die EU nach Corona vor dem wirtschaftlichen Absturz zu retten, wird vom Zusammenspiel von Ursula von der Leyen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abhängen, die ab Mittwoch für ein halbes Jahr die EU-Agenda führt.
Christine Lagarde, die Chefin der Europäischen Zentralbank ist die dritte im Frauenbund. Wenn es die Politik nicht schafft, muss es die Notenbankchefin richten und noch mehr Geld in Umlauf bringen, um Investitionen und Konsum anzustossen. Die Konstellation ist ein Glücksfall in einer existentiellen Krise. Das Trio aus zwei Deutschen und einer Französin kennt und vertraut sich. Angela Merkel hat mit Christine Lagarde ein Vertrauensverhältnis, seit die Französin Chefin des Internationalen Währungsfonds und enge Partnerin in der Zeit der Eurokrise war.
Herzenseuropäerin
Ursula von der Leyen war 14 Jahre lang Ministerin unter Angela Merkel, so lange wie kaum jemand. Sie galt einst als prädestinierte Nachfolgerin der Bundeskanzlerin, bis ihr Stern als glücklose Verteidigungsminister nicht mehr so glänzte. Den Job in Brüssel bekam Ursula von der Leyen nicht, weil Angela Merkel sie puschte, sondern auf Vorschlag von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Das ist jetzt hilfreich, da eine «deutsche» Kommissionspräsidentin es schwieriger hätte, etwa im Streit um den Corona-Wiederaufbaufonds zwischen Nord und Südeuropäern zu vermitteln.
Weniger deutsch beziehungsweise proeuropäischer als Ursula von der Leyen ist kaum möglich. Anders als Angela Merkel ist sie eine «Herzenseuropäerin», der Job in Brüssel eine Heimkehr. Schliesslich hat sie die ersten 13 Lebensjahre in der europäischen Hauptstadt verbracht, wo ihr Vater und spätere Ministerpräsident von Niedersachen hoher Beamter der EU-Kommission war. Noch vor wenigen Jahren warb sie für einen europäischen Bundesstaat, nach dem Vorbild der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz oder der Vereinigten Staaten von Amerika.
«Wir haben alle tief in den Abgrund geschaut.»
Ursula von der Leyen wird gerne als eine beschrieben, die den Ball weit wirft, ohne immer zu wissen, wo er wieder runterkommt. In Brüssel hat sie sich nach einem Feuerwerk der Ideen zuerst schwer getan, Fuss zu fassen. Sie wurde mit einer knappen Mehrheit im EU-Parlament gewählt, hatte keine Zeit, sich gross einzuarbeiten und dann kam Corona.
Die nationalen Regierungen der Mitgliedstaaten schlossen unkoordiniert Grenzen, blockierten ohne Absprache dringend benötigtes Schutzmaterial und liessen die EU schlecht aussehen. «Wir haben alle tief in den Abgrund geschaut», sagte Ursula von der Leyen über die ersten Wochen mit der Pandemie.
Sie brauchen einander
Merkel und von der Leyen wissen, dass sie einander jetzt brauchen, sie tauschen sich täglich zumindest per Textnachrichten aus. Die Bundeskanzlerin hat zusammen mit Emmanuel Macron beim Corona-Wiederaufbau vorgelegt, den Tabubruch vorbereitet, dass die EU erstmals in grösserem Umfang Schulden machen darf. Von der Leyen hat den Vorschlag für den Fonds dann noch einmal um 250 auf 750 Milliarden Euro aufgestockt. Nun muss das Duo die Staats- und Regierungschefs aller 27 Mitgliedstaaten an Bord bekommen.
Scheitert Europa oder geht die EU gar gestärkt aus der Krise hervor? Für Merkel geht es um den politischen Nachruf, für Ursula von der Leyen, ob sie als ohnmächtige oder mächtige Kommissionspräsidentin in die Geschichte eingeht. Geht es gut, stehen Merkel und Ursula von der Leyen als Politikerinnen da, die der EU zu einem einmaligen Integrationsschub Richtung Bundesstaat verholfen haben.
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