Nach dem BrexitEU und Briten wollen neuen Schwung
Die EU und Grossbritannien kommen nicht voran mit dem geplanten Partnerschaftsabkommen.
Bei einem Spitzengespräch haben beide Seiten versichert, die Gespräche nun zu intensivieren.
Einen Durchbruch gab es bei dem Spitzengespräch nicht. Das hatte allerdings schon im Vorfeld der Videokonferenz zwischen London und Brüssel niemand erwartet. Zu gering sind die Hoffnungen, dass es mit einer Einigung auf ein Partnerschaftsabkommen zwischen Grossbritannien und der EU vor Ende Jahr noch klappt. Immerhin waren sich beide Seiten einig, dass man es noch einmal versuchen will. Für den britischen Premier Boris Johnson und die EU-Spitze ging es zuerst einmal darum, Zwischenbilanz zu ziehen. Seit dem Start im März haben die Unterhändler Michel Barnier und David Frost in vier Verhandlungen kaum Fortschritte erzielt.
Zwischenbilanz ernüchternd
Die Zwischenbilanz musste also ernüchternd ausfallen. Man sei sich einig, dass «neuer Schwung erforderlich» sei, heisst es in einer Erklärung. Statt divergierender Statements also immerhin eine gemeinsame Mitteilung, die allerdings sehr dürr ausfiel. Zumindest öffentliche Schuldzuweisungen wollen beide Seiten vermeiden.
Auf Seite der EU nahmen neben Kommissionschefin Ursula von der Leyen auch Ratspräsident Charles Michel und Parlamentspräsident David Sassoli teil. Das Trio wollte damit Geschlossenheit signalisieren. Ein Deal muss am Ende nicht nur der EU-Kommission, sondern auch den Mitgliedsstaaten und dem EU-Parlament passen. Die EU-Spitze nahm zur Kenntnis, dass Johnson die Möglichkeit nicht nutzen will, die Übergangsphase zu verlängern und den Verhandlungen über die künftige Partnerschaft mehr Zeit zu gewähren. Grossbritannien ist am 31. Januar zwar aus der EU ausgetreten, aber während der Übergangsfrist bis Ende Jahr noch Teil des Binnenmarktes und der Zollunion. Wenn sich beide Seiten vorher nicht auf einen neue Partnerschaft einigen, droht ein harter Bruch mit Zöllen und anderen Handelshemmnissen.
Keine Verlängerung
Theoretisch hätte Johnson die Übergangsphase um ein bis zwei Jahre verlängern können, und die europäischen Partner hätten sich da auch nicht quergestellt. Aber London hatte schon vor der Videokonferenz signalisiert, dass Grossbritannien bis Ende Jahr eine unabhängige Handelsnation werden wolle, egal was bei den Verhandlungen mit Brüssel geschehe. Das EU-Trio macht da gute Miene zum bösen Spiel: «Die EU ist bereit, die Gespräche zu intensivieren, wir stehen rund um die Uhr bereit», schrieb Ursula von der Leyen über den Kurznachrichtendienst Twitter.
Tatsächlich sollen die Verhandlungen nun bis Ende Juli im wöchentlichen Rhythmus stattfinden. Boris Johnson hält eine Einigung bis Ende Sommer für möglich. Vorerst müssen die Verhandlungen aber immer noch per Videoschaltung stattfinden, was es nicht einfacher macht. Die Hürden sind ohnehin hoch. Die EU bietet Grossbritannien ein umfassendes Handelsabkommen mit Zugang zum EU-Markt ohne Zölle und Mengenbegrenzungen, fordert aber gleiche Wettbewerbsbedingungen mit hohen Sozial-, Umwelt- und Konsumentenstandards.
Die Briten wollen zwar möglichst hürdenfreien Zutritt zum Binnenmarkt, aber keine Vorgaben mehr aus Brüssel. Dort und in den Hauptstädten der Mitgliedsstaaten ist die Sorge gross, dass die Briten mit Steuerdumping und niedrigen Sozialstandards den Binnenmarkt untergraben könnten. Grosse Streitpunkte sind auch der künftige Zugang von EU-Fischern zu denbritischen Küstengewässern unddie Rolle des Europäischen Gerichtshofs bei Streitigkeiten, etwa bei der Nutzung der Polizeidatenbanken, auf die London auch weiterhin Zugriff möchte.
Ratifizierung im Herbst
Die Zeit ist knapp, denn ein Partnerschaftsabkommen müsste vor Ende Jahr in den Mitgliedsstaaten und im EU-Parlament auch noch ratifiziert werden. Und gibt es einen Plan B? Die Rede ist von einem Rumpfabkommen, in dem nur die wichtigsten Fragen geregelt würden. Das würde aber für beide Seiten teuer werden, grössere Verwerfungen zur Folge haben und nicht ohne Folgen für Lieferketten bleiben.
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