Mario Draghi stellt Kabinett vorMit Hybridantrieb aus der Krise
8 Techniker, 15 Parteipolitiker – Italiens neue Regierung ist ein ausbalanciertes Team. Allerdings besteht es aus weniger Frauen als angenommen.
Italien erhält eine hybride Regierung, zusammengestellt aus 8 parteilosen Experten, sogenannten Technikern, und aus 15 Politikern jener Parteien, die dieses Kabinett im Parlament stützen werden. Ausser den Postfaschisten von Fratelli d’Italia haben während der Sondierungsgespräche alle italienischen Parteien zugesagt. Mario Draghi, der künftige Premier und selbst parteilos, hat am Freitagabend die Liste seiner Minister vorgestellt. Es sind 15 Männer und nur 8 Frauen – man hatte eigentlich angenommen, dass Draghi gleich viele Frauen wie Männer berufen würde.
Justizministerin wird die Richterin und frühere Präsidentin des italienischen Verfassungsgerichts Marta Cartabia (57). Innenministerin bleibt Luciana Lamorgese, die frühere Mailänder Präfektin, die das Amt im Sommer 2019 von Matteo Salvini von der rechtsnationalen Lega übernommen hatte, der sie in der Folge oft kritisiert hat. Nun sitzt die Lega in derselben Regierung. Draghi hat drei Politiker aus Salvinis Partei berufen: Der gemässigte Giancarlo Giorgetti, Nummer 2 der Lega, leitet das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, das frühere Industrieministerium; Massimo Garavaglia wird Tourismusminister und Erika Stefani Ministerin für die Anliegen von Menschen mit Behinderungen. Salvini selbst erhielt kein Ministerium, auch alle anderen Parteichefs bleiben draussen.
Mit viel Spannung wurde die Besetzung von zwei Positionen erwartet, die wichtig sein werden für die Umsetzung des Recovery Plan mit den 209 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds der Europäischen Union. Sie gehen an ausgewiesene Experten: Der Physiker Roberto Cingolani (59), Gründer des Technologieinstituts von Genua und zuletzt zuständig für Innovation im Luft- und Raumfahrtkonzern Leonardo, wird Superminister für die ökologische Transition. Er gilt in Italien als Guru für Klima- und Zukunftsfragen.
Um die Digitalisierung des Landes und die technologische Innovation soll sich Vittorio Colao kümmern, der frühere Manager des Telecomunternehmens Vodafone. Er hatte neulich schon in einer Taskforce für die italienische Regierung gearbeitet. Für das Finanz- und Wirtschaftsministerium holte Draghi den Norditaliener Daniele Franco. Die zwei haben sich einst bei der Banca d’Italia kennen gelernt, der italienischen Zentralbank, dessen Generaldirektor Franco zuletzt war. Franco gilt seit seiner Zeit als oberster Rechnungsprüfer des Staates, von 2013 bis 2019, als strenger Haushalter, als Rappenspalter: In jener Zeit stritt er sich mit allen Regierungen, die mehr ausgeben wollten, als vernünftig war.
Cingolani, Colao, Franco – dieses Trio, zusammen mit Draghi, soll wohl Brüssel überzeugen, dass hier ein Team von fähigen Leuten an die Macht kommt und die einmalig grossen Ressourcen in die Hand nimmt. Eine zentrale Rolle wird auch der frühere Arbeitsminister Enrico Giovannini spielen, ebenfalls parteilos, er wird neuer Transportminister.
Auch Berlusconis Forza Italia erhält Ministerien
Die restlichen Posten besetzen bisherige und einige neue Minister aus den Parteien. Luigi Di Maio etwa, der frühere «Capo politico» der Fünf Sterne, bleibt Aussenminister. Auch Gesundheitsminister Roberto Speranza von der kleinen linken Partei Liberi e Uguali wurde im Amt bestätigt; da wollte man in Zeiten der Pandemie und mitten in der Impfkampagne keinen Wechsel herbeiführen. Kulturminister bleibt Dario Franceschini, Verteidigungsminister Lorenzo Guerini – beide gehören zum sozialdemokratischen Partito Democratico wie der neue Arbeitsminister Andrea Orlando.
Für Forza Italia, die Partei von Silvio Berlusconi, zieht Renato Brunetta ins Kabinett ein, als Minister für die öffentliche Verwaltung. Er hatte diese Funktion schon einmal innegehabt, von 2008 bis 2011. Er soll den Staatsapparat entschlacken und entbürokratisieren. Die Neapolitanerin Mara Carfagna wird Ministerin für den Süden. Für Italia Viva von Matteo Renzi, der mit seinem Koalitionsbruch die Regierungskrise ausgelöst hatte, kehrt Elena Bonetti zurück ins Ministerium für Gleichstellung und Familie.
Ihren Eid legen die neuen Minister am Samstagmittag ab. Draghi wird dann kommende Woche im Parlament erwartet, wo er seine Programmrede halten und die Vertrauensfrage stellen wird. Er wird so viele Stimmen erhalten, wie das noch kein Premier in der Geschichte geschafft hat. Im Senat, der kleineren Kammer, könnte er 290 von 315 Stimmen gewinnen.
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