Bilanz der Amtswoche 1Trans, Tech und Tiktok: Trumps Beschlüsse der ersten Woche im Überblick
Tempo und Radikalität der Entscheidungen des neuen US-Präsidenten sind beispiellos. Die wichtigsten Dekrete der ersten Tage.

- Trump unterschreibt 26 Dekrete und verkündet vier Proklamationen in einer Woche.
- Er fordert Asylsuchende auf, Anträge in Mexiko zu stellen.
- Begnadigungen werden für Capitol-Stürmer und andere Demonstranten ausgesprochen.
- Trump verkündet einen US-Energienotstand, um Öl- und Gasförderung auszuweiten.
Wirbelstürme, die den nordamerikanischen Kontinent heimsuchen, richten meist punktuelle Zerstörung an. Der politische Tornado namens Donald Trump liess diese Woche keinen Teil des Landes unberührt.
Der 47. US-Präsident trat am Montag ausserordentlich schwungvoll seine zweite Amtszeit an. Noch am Tag der Vereidigung unterzeichnete Trump 26 Dekrete, veröffentlichte zwölf Memoranden und verkündete vier Proklamationen. Und während er im Oval Office mit dem schwarzen Filzstift seine Unterschrift auf ein Dokument nach dem anderen kratzte, beantwortete Trump sämtliche Fragen der anwesenden Medienleute.
An einer weiteren Pressekonferenz verteidigte der Präsident am Dienstag seine politische Rosskur. Am Mittwoch begannen die Ausschaffungen von straffälligen, illegal eingereisten Migranten, ebenfalls kamen die ersten der von Trump begnadigten Capitol-Stürmer frei. Am Donnerstag las Trump per Videoschalte der am WEF in Davos versammelten Weltelite die Leviten, und am Freitag besuchte er Katastrophengebiete in North Carolina und Kalifornien, bevor er nach Las Vegas flog. Dort schloss er seine Startwoche gestern – wie konnte es anders sein – mit einem Auftritt an einer Rallye vor grossem Publikum ab.
Trumps Gegner wie seine Unterstützer bekundeten während der gesamten Woche Mühe, sämtliche News überhaupt nachvollziehen zu können. Es fühlte sich an, als müsse man Wasser aus einem Feuerwehrschlauch trinken.
Demokraten wirken ratlos
Militärisch gesprochen, griff Trump zur Strategie des «shock and awe», des Schocks und der Einschüchterung. «Steve Bannon gab den richtigen Ratschlag: ‹Flood the zone with shit›», sagte James Carville, ein früherer Berater Bill Clintons. «Jetzt sind wir mit Scheisse überflutet, und wir haben keine Antwort darauf. Keine.»
Die Demokraten wirken in der neuen Situation ratlos. Anders als meteorologische Tornados oder geheime Militäraktionen kommen Trumps erste Schritte im Amt eigentlich nicht überraschend: Der republikanische Präsident setzte seine Ankündigungen um. In den Worten des linksliberalen Journalisten Glenn Greenwald: «Zum ersten Mal seit Jahrzehnten erlebe ich, dass ein Kandidat eine ganze Reihe von Versprechungen für den Fall seines Siegs macht, und dann gewinnt er tatsächlich, kommt ins Amt und beginnt genau das zu tun, was er angekündigt hat.» Trump und die von ihm dominierte Republikanische Partei können tatsächlich sagen, all seine Beschlüsse seien vom amerikanischen Wahlvolk abgesegnet.
Angesichts des Tempos und der Radikalität der Beschlüsse lohnt es sich, die wichtigsten Elemente nochmals aufzuzählen:
Einwanderung
Trump erklärte die US-Südgrenze zum Notstandsgebiet und schützt sie jetzt mit regulären Militäreinheiten. Er stoppte die Ansiedlung von Flüchtlingen, erklärte Drogenkartelle zu terroristischen Organisationen, begann mit der Ausschaffung von kriminellen «Illegalen» und verlangt von Asylsuchenden, dass sie ihre Anträge künftig in Mexiko stellen. Eine von der Biden-Regierung eingerichtete Handy-App für Einwanderungswillige wurde abgestellt.
Bürgerrecht
Trump verlangt, dass in den USA geborene Babys von illegalen Einwanderern keinen US-Pass erhalten sollen. Diese Negierung des «birthright citizenship» wurde jedoch von einem Bundesrichter vorläufig suspendiert mit der Begründung, sie widerspreche dem Wortlaut des 14. Verfassungszusatzes. Der Fall wird vor dem Obersten Gericht landen.
Begnadigungen
Amnestie erhielten rund 1500 Angeklagte und Verurteilte, die am 6. Januar 2021 aus Protest gegen Trumps Abwahl das US-Capitol stürmten. Begnadigt wurden auch Mitglieder der rechtsgerichteten Milizen Proud Boys und Oath Keepers sowie Demonstranten, die gewalttätig gegen Polizisten vorgegangen waren. Trump sagt, alle Capitol-Stürmer seien ungerecht behandelt worden. Ebenfalls begnadigt wurden 23 Abtreibungsgegner, die illegal protestiert hatten, ferner zwei wegen Mords einer schwarzen Frau verurteilte Polizisten und der Hacker Ross Ulbricht, der wegen Drogenhandels und Geldwäscherei im Darknet verurteilt wurde.
Energie und Umwelt
Trump verkündete für die USA den Energienotstand, um die Förderung von Erdgas und Öl vorantreiben zu können. Von Biden proklamierte Schutzzonen in Alaska werden aufgehoben, und der Bau von Exporteinrichtungen für Flüssiggas wird erleichtert. Dafür erhalten neue Windenergieprojekte keine Bewilligungen mehr und wird Bidens Dekret zur Elektrifizierung der Neuwagenflotte zurückgezogen. Zudem machen sich die USA daran, aus dem Pariser Klimaabkommen auszutreten.
Diversität und Gleichstellung
Trump verbot allen Bundesämtern, Abteilungen zur Förderung der «Woke»-Prinzipien «Diversity, Equity and Inclusion» (Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion, DEI) zu unterhalten. Die Angestellten in diesen Amtsstellen wurden mit Lohnfortzahlung freigestellt. Alle Programme mit «diskriminierenden Bevorzugungen» werden gestoppt. Die USA anerkennen nur noch zwei Geschlechter, männlich und weiblich. Das US-Militär darf keine neuen Transgender-Rekruten mehr aufnehmen.
Technologie
Trump ruft die Bundesangestellten vom Homeoffice in die Büros zurück. Die gesetzlich verordnete Schliessung der Video-Plattform Tiktok schob er um 75 Tage hinaus. Von Biden errichtete Hürden für die Entwicklung künstlicher Intelligenz werden beseitigt.
Transparenz
Trump lässt sämtliche bislang geheim gehaltenen Dokumente zu den Ermordungen des Präsidenten John F. Kennedy, dessen Bruders Robert Kennedy und des Bürgerrechtlers Martin Luther King veröffentlichen. Allen Ex-CIA-Mitarbeitern, die im Oktober 2020 in einem Brief Hunter Bidens Laptop als russische Desinformation bezeichnet hatten, wird der Zugang zu Geheiminformationen entzogen. Vier frühere Regierungsmitglieder verlieren ihre staatlich bezahlten Leibwächter, darunter Ex-Gesundheitsdirektor Anthony Fauci, Ex-Sicherheitsberater John Bolton und Ex-Aussenminister Mike Pompeo.
Geht es Trump um Vergeltung?
Manche von Trumps Massnahmen erwecken den Eindruck, dass er seine Anhänger belohnen und an seinen Kritikern Vergeltung üben möchte. Jedenfalls scheint er entschlossen, das Staatsschiff von dem unter Barack Obama eingeschlagenen und von Biden vorangetriebenen Kurs abzubringen. Bei verschiedensten Themen verlangt Trump eine Umkehr, die er eine «Revolution des gesunden Menschenverstands» nennt.
Innen- wie aussenpolitisch tritt Trump überaus selbstherrlich auf. Amerika, schreibt der britische «Economist» in seiner neuesten Ausgabe, habe jetzt eine «imperiale Präsidentschaft». Trump erinnere an seinen Vorgänger William McKinley, der ab 1897 jede Menge Einfuhrzölle erhob und mit Hawaii, Guam, den Philippinen und Puerto Rico den USA neue Territorien erschloss. Trump, der ein Auge auf Kanada, Grönland und den Panamakanal geworfen hat, scheint McKinley zu verehren. In seiner Antrittsrede erwähnte er ihn als Vorbild, und eines seiner Dekrete gibt Denali, dem höchsten Berg Nordamerikas, den alten Namen Mount McKinley zurück.
Ob und wie weit sich Trump im eigenen Land und weltweit durchsetzt, wird sich erst zeigen. Wie die Kolumnistin Peggy Noonan im «Wall Street Journal» analysiert, hat er zumindest einen Erfolg bereits verbucht. «Er dominiert unsere Gedanken», schreibt sie. «Er ist ein neurologischer Imperialist. Er stürmt herein und bleibt.»
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