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Hintergrund
«Digitales Design ist alternativlos»

Moderne Autos sind extrem komplexe Produkte. Ohne digitales Design wären sie gar nicht machbar.
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Jedes Auto beginnt mit einer handgemalten Skizze. «Designer denken mit dem Stift», betont Volkswagens Chefdesigner Klaus Bischoff die Wichtigkeit dieses ersten Entwurfs. «Der Designer hat ein Bild im Kopf, das muss er präsentierbar machen. Da führt an der klassischen Zeichnung kein Weg vorbei.» Die meisten Auto-Designer machen das aber inzwischen digital auf einem Tablet, genauso wie der gesamte Gestaltungsprozess heute nur noch dank Bits und Bytes möglich ist. Die vielen Tonmodelle, die in kunstvoller Handarbeit zurechtgeschliffen wurden, Hunderte Detailzeichnungen, die früher in Tausenden Arbeitsstunden von Hand gezeichnet wurden – all diese Arbeiten werden heute von intelligenter Software erledigt. Wie ein Auto aussehen soll, definieren nach wie vor Menschen. Doch die Umsetzung macht der Computer.

Die Vorteile des digitalen Autodesigns sind immens. Bereits die erste Skizze kann stetig weiterentwickelt werden, ohne das Medium wechseln zu müssen, ohne hundertmal neu zu beginnen. Die verschiedenen Designstudios rund um den Globus können gleichzeitig am selben Objekt arbeiten. In der digitalen Welt gibt es keine Distanzen. Aus dem ersten Entwurf entstehen so schnell konkretere Zeichnungen und bald ein dreidimensionales Bild, das bereits Oberflächenstrukturen, Falze im Blech und die entsprechenden Lichtspiele zeigt. Diese fotorealistische Darstellung dient als Präsentationsobjekt, um das neue Automodell dem Vorstand vorzustellen, um es Marketingexperten oder Testgruppen zu zeigen.

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Das Ergebnis ist ein fotorealistisches 3-D-Modell, mit dem die Ingenieure aussen und innen am Auto und auch unter dem virtuellen Blech arbeiten können.
Am Anfang jedes Autos steht eine Zeichnung. Inzwischen wird die zwar noch per Hand, aber digital auf einem Tablet erstellt.
Der erste Entwurf wird laufend weiterentwickelt, teilweise von mehreren auf dem Globus verteilten Design-Teams gleichzeitig.

Die Umsetzung der ersten Zeichnungen zu einem digitalen 3-D-Modell des neuen Fahrzeugs erfolgt mit «Cloud Modeling». Die Designer arbeiten dabei in der virtuellen Realität, also mit einer VR-Brille auf dem Kopf und mit virtuellen Werkzeugen in den Händen. Aus einer Vorder- und einer Seitenansicht in 2-D wird so ein dreidimensionales Modell erstellt, das bis in die kleinsten Details herausgearbeitet wird. «Diese Modelle sind so realistisch, man kann den Neuwagenduft fast riechen», schwärmt Bischoff. Ein entscheidender Vorteil dabei ist, dass auch die Ingenieure mit diesen virtuellen 3-D-Modellen arbeiten können, innen und aussen am Fahrzeug und unter dem virtuellen Blech. Von der Aerodynamik über die Materialbelastung bis hin zu der Anzahl der Metallic-Flakes in den einzelnen Lackschichten können die Ingenieure alles virtuell simulieren, prüfen und verfeinern, ohne dafür Werkzeuge oder echte Modelle bauen zu müssen.

«Diese digitalen Modelle bilden im Entstehungsprozess die Basis, zu der sich alle referenzieren», erklärt der VW-Design-Chef. «Wir haben im Konzern 415 Designer sowie rund 10'000 Ingenieure, die alle mit dieser Datenbasis arbeiten.» Das findet nicht nur in der Gestaltung, in der technischen Entwicklung oder im Windkanal statt, aufgrund dieser Modelle wird auch die Machbarkeit in der Produktion evaluiert. Wo man früher in Werkzeuge investieren musste, um zu sehen, ob ein Blech reisst oder nicht, kann man das heute digital simulieren. «Und wo früher aufwendige 1:1-Modelle für den Windkanal gefertigt werden mussten, kann man das heute im Computer berechnen.» Einzelne Tonmodelle gibt es zwar auch heute noch, sie werden aber nicht mehr von Hand geformt, sondern aufgrund des digitalen 3-D-Modells von computergesteuerten Fräsmaschinen gefertigt.

Die Zeitersparnis ist frappant. Bischoff zeigt es an einem Beispiel auf: Während man früher für die Findung der gewünschten Form des charakteristischen Waben-Kühlergrills des Golf GTI Hunderte Modelle in monatelanger Arbeit hätte zeichnen und formen müssen, erledigen das heute Algorithmen in Echtzeit. «Bei unserem Produktportfolio verfolgen wir bis zu hundert Projekte im Jahr gleichzeitig, die alle zum Ziel führen müssen», führt der Design-Chef aus. Nur dank der digitalen Arbeitsweise ist die Modellvielfalt, die grosse Autohersteller heute anbieten, überhaupt möglich. Trotz der Zeitersparnis dauert der gesamte Designprozess bei VW noch immer bis zu zwei Jahre, denn: «Ein modernes Auto ist ein extrem komplexes Produkt.»

Neu ist digitales Design nicht, die Autobranche gestaltet und entwickelt ihre Produkte schon seit Jahren am Computer. «Heute ist es aber alternativlos», sagt Klaus Bischoff – die Entwicklung moderner Autos wäre anders gar nicht mehr zu bewerkstelligen. Für die Elektroautos gibt es übrigens keinen gesonderten Gestaltungsweg bei Volkswagen. Doch ohne digitale Arbeitsweise hätte es deutlich länger gedauert und viel mehr Ressourcen in Anspruch genommen, bis diese neuen Modelle auf dem Markt sind. Klaus Bischoff schmunzelt. «Wenn ich viel Holz zu machen habe und mir stellt jemand eine Handsäge und eine Motorsäge hin, nehme ich natürlich die Motorsäge.»

Gezeichnet oder echt? Dank cleverer Software erscheinen die Designentwürfe so realistisch, dass man den Neuwagenduft fast riechen kann.