Saudis holen Liverpool-CaptainDieser Transfer erschüttert Schwule und Lesben
Jordan Henderson geht für viel Geld in ein Land, in dem gleichgeschlechtliche Liebe unter Strafe steht. Vertreter der LGBTQIA+-Gemeinschaft fühlen sich von ihm verraten.

Es muss einiges passieren, damit ein Transfer noch so etwas wie einen Schock auslöst. Jordan Henderson ist es gelungen. Nicht, weil ein 33-jähriger Fussballer entschlossen ist, sich seine letzten Jahre in Saudiarabien vergolden zu lassen. Daran hat sich die Fussballwelt in diesem Sommer in rekordverdächtiger Zeit gewöhnt.
Aber Henderson ist mehr als bloss ein Fussballer. Es gibt all diese symbolhaften Bilder von ihm. Wie er aus Protest gegen Rassismus auf dem Rasen kniet. Wie er sich das Captain-Armband des FC Liverpool mit der Regenbogenfahne überstreift. Und dann hat er den Bildern auch noch klare Ansagen folgen lassen.
Immer wieder hat sich Henderson öffentlich gegen Diskriminierung ausgesprochen. «Wenn du etwas siehst, das eindeutig falsch ist und das anderen Menschen das Gefühl gibt, dass sie ausgeschlossen sind, dann solltest du Schulter an Schulter mit ihnen stehen. Daran glaube ich.» Das hat er im November 2021 im Matchprogramm des FC Liverpool zu einer Aktion für die queere Gemeinschaft geschrieben.
Der Zeitschrift «The Athletic» sagte er 2019: «Es ist unfassbar, dass jemand in der heutigen Zeit jemand anderem das Gefühl gibt, dass er aufgrund seiner Sexualität nicht willkommen ist.»
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Henderson wurde für Menschen der LGBTQIA+-Bewegung zu einem Hoffnungsträger. Er verkörperte den Glauben, dass der Männerfussball tatsächlich ein Ort werden könnte, an dem sich Personen jeden Geschlechts, mit jeglicher sexuellen Orientierung und Hautfarbe willkommen fühlen dürfen.
Ausgerechnet dieser Jordan Henderson wechselt jetzt nach Saudiarabien. Der Kämpfer gegen Rassismus und Diskriminierung, der Vater von zwei Töchtern und Fürsprecher für Frauenrechte geht in ein Land, in dem gleichgeschlechtliche Liebe gemäss der Scharia bestraft werden kann. In dem letztes Jahr eine Studentin für ihre Twitter-Beiträge zum Thema Frauenrechte zu 34 Jahren Gefängnis verurteilt worden ist. Und in dem laut Amnesty International 2022 Zehntausende Migrantinnen inhaftiert und gefoltert wurden.
Werbe-Aktion für ein autokratisches Land
Henderson wird Teil eines gross angelegten PR-Stunts, mit dem das autokratische Land all diese Themen übertünchen und verwedeln will. Die aktuelle Transferoffensive der saudischen Clubs ist die spektakulärste Sportswashing-Aktion seit der Vergabe der Fussball-WM an Katar. Ein reflektierter Mensch wie Henderson muss sich dessen bewusst sein.
«Jordan Henderson hatte das Vertrauen meiner Gemeinschaft. Dann hat er es gebrochen», schreibt die lesbische Autorin Caoimhe O’Neill deswegen in «The Athletic». Kop Out, die Vereinigung der queeren Fans des FC Liverpool, hielt schon vor dem Vollzug des Transfers fest: «Wir sind entsetzt darüber, dass jemand in Erwägung ziehen könnte, für ein Regime zu arbeiten, in dem Frauen und LGBT+-Menschen unterdrückt werden und das regelmässig weltweit die meisten Todesstrafen vollzieht.»
Wie moralisch muss ein Fussballer sein?
Natürlich gibt es auch Stimmen, die Henderson verteidigen. Warum sollte ein Fussballer höhere moralische Standards einhalten müssen als Wirtschaftsführer? Auch die Schweiz bemüht sich darum, mit Saudiarabien ins Geschäft zu kommen. Im Januar hat sich Bundesrat Guy Parmelin mit Khalid A. al-Falih vom saudischen Ministerium für Investment getroffen. Der Wüstenstaat lockt mit Milliardenaufträgen.
Bei Henderson sind die Zahlen etwas tiefer. Und doch noch immer schwindelerregend hoch. 780’000 Franken soll sein Lohn bei Al-Ettifaq betragen – in der Woche. Der «Guardian» schreibt darum bissig, man müsse ihn bitte verstehen: «Er kann sich mit nur einem Schritt von lächerlich reich zu hirnverbrannt-obszön reich verbessern.» Bei Liverpool erhielt der Mittelfeldspieler zuletzt immerhin 195’000 Franken in der Woche.
Am Mittwoch hat sich Jordan Henderson mit einem emotionalen Video von den Liverpool-Fans verabschiedet. Menschenrechte sind in den drei Minuten kein Thema.
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