Kommentar zu kultureller AneignungDas ist absurd
Das Konzert einer Berner Lokalband wurde abgebrochen. Sensible Gäste störten sich an den Rastalocken der weissen Musiker. Nun streitet die halbe Schweiz darüber.
Ein Berner Sommerabend mit Mundart-Reggae und Bio-Food. Die Lokalband Lauwarm soll in der Brasserie Lorraine für gute Laune sorgen. Gut eine Woche später ist nichts mehr easy. Denn über dieses Konzert vor kleinem Publikum streitet die halbe Schweiz.
Mehrere Gäste waren auf die Lokalbetreiber zugegangen und hatten ihr Unwohlsein mit der Situation geäussert. Das laufende Konzert wurde abgebrochen. Grund für die Beschwerden: die afrikanische Kleidung und die Rastalocken zweier weisser Bandmitglieder. Darin kann «kulturelle Aneignung» gesehen werden. Das Thema wird besonders an US-amerikanischen Hochschulen im Zuge der «Black Lives Matter»-Bewegung debattiert. Dürfen Weisse, die jahrhundertelang von Rassismus und Ausbeutung profitiert haben, Stilmerkmale und Kultur der Schwarzen übernehmen?
«Wir möchten uns bei allen Menschen entschuldigen, bei denen das Konzert schlechte Gefühle ausgelöst hat.»
Nein, sagt die von einem links-alternativen Kollektiv betriebene Brasserie und entschuldigte sich via Facebook «bei allen Menschen, bei denen das Konzert schlechte Gefühle ausgelöst hat».
Ja, sagt eine schäumende Mehrheit der Kommentarschreiber in diversen Medien. Das Berner Lokal hat die Kommentarfunktion auf seiner FB-Seite geschlossen.
Das ist schade. Denn eine Debatte über kulturelle Aneignung ist wichtig und kann Denkmuster durchbrechen. Zum Beispiel: Weder hat Kolumbus Südamerika entdeckt noch die portugiesischen Seefahrer Afrika.
In den USA, diesem Land mit seiner qualvollen Geschichte der Sklaverei, könnte eine solche Debatte Wunden heilen.
Mit der Ankunft dieser Weissen begann vielmehr eine kulturelle Aneignung, die zum Verderben von Millionen Menschen wurde.
In den USA, diesem Land mit seiner qualvollen Geschichte der Sklaverei, könnte eine solche intellektuell geführte Debatte Wunden heilen.
Im Berner Lorrainequartier darum aber freundliche Lokalmusiker von der Bühne zu jagen, ist schlicht und einfach: absurd.
Lilian Thuram, Fussball-Weltmeister und angesehener Rassismusaktivist, wurde auf einen ähnlichen Fall an einem deutschen Festival angesprochen. Der Mann aus Guadeloupe meinte: «Die Debatte um kulturelle Aneignung darf nicht zur Karikatur werden.»
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