Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Analyse zu Frankreichs Afrika-Politik
Diese Beziehung ist am Ende

Angehörige der französischen Fremdenlegion zusammen mit nigrischen Soldaten in Niamey, der Hauptstadt Nigers.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Nicht nur in Niamey, der Hauptstadt von Niger, sondern auch in Paris zogen am Wochenende Afrikaner demonstrierend auf die Strasse. Es waren überwiegend Senegalesen, die gegen ihren Präsidenten Macky Sall protestierten, einen Verbündeten Frankreichs. Auch Nigrer kamen auf die Place de la République, zusammen riefen sie, Macron sei ein «Komplize». Der Tenor: Paris behaupte zwar immer, Afrika helfen zu wollen. In Wahrheit denke es nur an sich. Frankreich solle endlich abhauen aus dem Sahel.

Der Putsch in Niger, das Geschehen in Mali, Burkina Faso und anderen Ländern des Sahelgebiets in den vergangenen zwei, drei Jahren: Das alles quält Frankreich. In einem Staat nach dem anderen haben Militärs die Macht an sich gerissen, werden die früheren Kolonialherren aller möglichen Übeltaten beschuldigt und zum Abzug aufgefordert. Das ist eine Demütigung. Aber es könnte auch ein heilsamer Schock sein. Es geht so nicht weiter. Die Idee der Françafrique, einer engen, für beide Seiten nützlichen Sonderbeziehung zwischen Frankreich und seinen früheren Kolonien, liegt in Scherben, endgültig.

In 14 Staaten der Region bezahlt man noch mit dem Franc

Seit Präsident Charles de Gaulle in den 1960ern hatte Frankreich versucht, die Ex-Kolonien politisch, wirtschaftlich und kulturell möglichst eng an sich zu binden, in der Hoffnung, einen Teil der früheren Grösse für die Zukunft nutzbar zu machen. Ein gigantisches Beziehungsnetz entstand, zusammengehalten vom Französisch, der Amtssprache in weiten Teilen West- und Zentralafrikas, vom Franc, der noch immer 14 Staaten der Region als Währung dient, und von persönlichen Kontakten der Eliten.

Paris mischte sich ein, entsandte Soldaten und beteiligte sich notfalls an Wahlfälschungen.

Nicht zuletzt ging es um den Zugang zu Energieressourcen in Afrika. Paris mischte sich ein, entsandte Soldaten, beteiligte sich notfalls an Wahlfälschungen, half beim Sturz missliebiger Regimes oder bei Putschversuchen befreundeter Potentaten. Schon Mitterrand sah, dass der Nutzen die Kosten nicht aufwog, doch im Wesentlichen blieb stets alles beim Alten.

Man muss Emmanuel Macron abnehmen, dass er einen radikalen Wandel wollte. 2017 versprach er Gleichberechtigung, Dialog, Kontakt zwischen den Zivilgesellschaften, er propagierte die Rückgabe geraubter Kulturgüter, besuchte die Region so oft wie kein anderer. Doch die Antiterroroperation in Mali und anderen Ländern wurde fortgeführt. Frankreich bezieht noch immer wertvolle Rohstoffe aus der Region, etwa Uran aus Niger. Und es versucht weiterhin, bestimmte Machthaber zu fördern oder zu beseitigen, je nach Interesse.

Es ist vor allem die Doppelzüngigkeit, die viele Afrikaner verstört.

Paris behauptet, die Demokratie zu fördern. Und hofiert Präsidenten wie den erwähnten Macky Sall. Der hat Hunderte Opponenten und Journalisten einsperren lassen. Oder Alassane Ouattara, Präsident der Elfenbeinküste, der 2020 nach einer Wahl, die die Opposition boykottiert hatte, eine dritte Amtszeit antrat. Oder Togos Präsidenten Faure Gnassingbé, der die Verfassung so hinbog, dass er derzeit eine vierte Amtszeit absolvieren kann. Im Tschad stand Frankreich an der Seite des Langzeitdiktators Idriss Déby und stützt nun dessen Sohn.

Es ist vor allem diese Doppelzüngigkeit, die viele Afrikaner verstört. Es ärgert sie auch, wenn Frankreich eine Interessenpolitik als selbstlose Antiterror- und Hilfsmission darstellt. Das alles schürt die Wut. Von der Kremlpropaganda wird sie mit Freuden aufgebauscht.

Eine Lücke, die Russland und China nutzen würden

Manche französische Medien beklagen, dass Frankreich als Sündenbock herhalten müsse für alle Übel, die diese Staaten plagen. Das ist so verständlich wie nutzlos. Das Einmischen in der bisherigen Form hat nicht funktioniert. Es bleibt fürs Erste nur der Rückzug, militärisch wie politisch. Ernsthaft, nicht nur mit Worten. Das könnte auch bedeuten, französische Stützpunkte in Ländern wie Gabun, der Elfenbeinküste und Senegal aufzugeben; vielleicht sogar im instabilen Tschad. Das ist gewiss nicht leicht. Russland und China werden in die Lücke springen. Viele in Afrika – in Paris sagt man: eine Mehrheit – würden das französische Engagement gern beibehalten. Das Band ist so stark, dass es sich nicht von heute auf morgen lösen lässt. Und doch ist das Ende von Françafrique unvermeidlich.

Wenn Frankreich und der Westen dann aufs Neue in Kontakt treten wollen mit der Region, sollten sie, zusammen mit den Staaten dort, überlegen, was wirklich nottut. Sie könnten, statt korrupte Potentaten dafür zu belohnen, dass sie Migranten von der Flucht Richtung Europa abhalten, Zusammenarbeit von gleich zu gleich anbieten, ohne Bevormundung, ohne Erpressung. Eine Zusammenarbeit, die auf die Sahelzone selbst abstellt: den Mangel an Bildung, die viel zu hohe Geburtenrate, die Umweltzerstörungen, die Entwicklung einer nachhaltigen Wirtschaft. Dafür braucht es Mut und einen langen Atem. Eine andere Lösung gibt es nicht.