Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Nachhaltige Materialien
Die Zukunft fährt vegan

Veganes Leder wie hier in einem Concept-Car von VW belastet die Umwelt weniger und verursacht kein Tierleiden.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Vegane Materialien liegen im Trend, auch im Fahrzeuginterieur. Als Pionier der Bewegung gilt Tesla. Nachdem der US-Hersteller auf Kundenwunsch bereits 2016 lederfreie Komponenten ankündigte, sollen Model 3 und Model Y komplett vegan erhältlich sein. Bei Volumenherstellern wie Citroën, Ford, Kia, Honda, Renault und Toyota ist die vegane Innenausstattung teilweise Standard. Und selbst bei den Premiummarken mit traditionell hohem Ledervolumen tut sich etwas. Die Volvo-Tochter Polestar etwa hat mit Weavetech einen veganen Bezugsstoff im Neopren-Look am Start. Bei Land Rover, Audi und Mercedes kommt nebst Nylonfasern aus recycelten PET-Flaschen die veloursähnliche Mikrofaser Dinamica aus wiederverwertetem Polyester zum Einsatz und in der neuen S-Klasse unter anderem ein Rezyklat aus alten Fischernetzen.

«Viele grosse Marken der Autoindustrie bieten mittlerweile umweltfreundliche Innenausstattungen an, für die kein einziges Tier leiden musste», bestätigt die internationale Tierrechtsorganisation Peta. «Aber einige Unternehmen fahren immer noch auf der langsamen Spur.» Die Umstellung fällt offenbar schwer – selbst in der Kompakt- und Mittelklasse sind Bauteile wie Sitze, Lenkräder und Schaltknäufe oft serienmässig mit Leder ummantelt. Peta schätzt den Verbrauch auf 50 Millionen Tierhäute pro Jahr, hinzu kommt Wolle vom Schaf, das Stoffsitzen beigemischt wird. Kleb- und Schmierstoffe enthalten ebenfalls häufig tierische Produkte.

Vegan heisst nicht umweltfreundlich

Dabei geht es nicht nur um die Vermeidung von Tierleid, sondern auch um Ressourcenschonung. «Global muss die Haltung und Schlachtung von riesigen Rinder- und Schafherden schnellstmöglich reduziert werden, um die Folgen des Klimawandels abzufedern», fordert Frank Schmidt von Peta Deutschland. Die Methanemissionen sowie der Raubbau für Weideland und Futteranbau seien untrennbar mit Leder und Wolle verbunden. Dazu kommt der aufwendige Veredelungsprozess. Um aus Tierhaut Leder zu machen, sind laut Peta 130 verschiedene Chemikalien erforderlich – einschliesslich Cyanid. Wegen strenger Umweltauflagen in den Industrienationen sind die meisten Gerbereien längst in Drittweltländer abgewandert.

Nun gibt es mit Kunstleder schon lange eine vegane Alternative. Doch vegan bedeutet längst nicht umweltfreundlich, basiert Kunstleder doch häufig auf latex- oder erdölbasierten Trägern. Nach der Nutzung landen Kunststoffrückstände massenhaft in den Weltmeeren, auch das Recycling ist aufwendig. Besser will es Piñatex machen, mit dem bereits Skoda experimentiert hat. Dessen Fasern etwa für Fussmatten im Auto werden aus den Blättern des Ananasbaums gewonnen. Von einem biologisch abbaubaren Produkt kann laut Kritikern allerdings nicht die Rede sein, zumal die Verbundstoffe aus erdölbasierten Harzen sowie PLA (Polymilchsäure) bestehen.

Lederersatz mit gutem CO₂-Footprint

An einer interessanten Lösung unter dem Motto «Good bye animal farming. Hello biofabrication» arbeitet Scobytec aus Leipzig. Das Start-up entwickelt alternative Werkstoffe auf Basis von bakterieller Zellulose, unter anderem um Lederersatz durch Biofabrikation zu realisieren. Das im Labor gezüchtete Material soll so komfortabel, reissfest und atmungsaktiv wie Leder sein, aber eine bessere Ökobilanz aufweisen. «Grösstes Problem der Lederbranche ist der immense Wasserverbrach. Bis zu seiner Schlachtung gehen bei der Haltung eines Rindes 80 Liter pro Tag drauf», rechnet Produktmanager Bernhard Schipper vor: Umgerechnet auf einen Quadratmeter Leder, seien das 7750 Liter Wasser. Um die bakterielle Zellulose zu züchten, würden insgesamt nur 60 Liter Wasser benötigt. An Nährmasse sollen sich die Bakterien bei Scobytec für einen Quadratmeter Material 6 Kilogramm genehmigen, verglichen mit 4800 Kilogramm Futter für einen Quadratmeter Leder.

Zu den Unternehmen, die mit Scobytec zusammenarbeiten, zählt Volkswagen – laut Peta einer der Konzerne, die bislang eher wenig an veganen Ausstattungsoptionen anbieten. Das Zellulose-Leder passt gut in das Vorhaben der Wolfsburger, den Einsatz nachwachsender Rohstoffe in ihren Fahrzeugen zu erhöhen. «Interessant hierbei ist für uns die Aussicht auf ein veganes Material, welches nicht auf Erdöl basiert und zusätzlich einen sehr guten CO2-Footprint vorweisen kann», erklärt Benedikt Griffig, Sprecher für Technologie und Innovationen bei Volkswagen.

In zwei, drei Jahren möchte Scobytec die ersten Automotive-Kunden im grösseren Stil mit nachhaltigen Sitzen und anderen Materialien beliefern. Auf die Bakterien- und Pilzkulturen im Labor kommt also eine Menge Arbeit zu. Ist das denn zumutbar, sind die winzigen Arbeiter nicht auch Lebewesen? Produktmanager Schipper lacht und sagt: «Darüber machen wir hier auch manchmal Witze.» Peta hält das Material offenbar für ethisch vertretbar. Für die Entwicklung des Zellulose-Leders zeichnete die Tierschutzorganisation Scobytec mit dem «Peta Innovator Award» für vorbildlichen Tierschutz und Nachhaltigkeit aus.

1 / 3
Initialzündung war eine vegane Bikerweste, die Designstudenten als nachhaltige Alternative entwickelt hatten.
Bakterielle Nanozellulose ist ein Stoffwechselprodukt von symbiotischen Bakterien- und Hefekulturen.
Daraus entsteht bei Scobytec veganes Leder, Spezialpapiere und Biokunststoffe.