Hit aus den AchtzigerjahrenDie Wodka-Spaghetti sind zurück!
Die Retro-Pasta von Model Gigi Hadid geistert seit längerem im Netz herum. Warum der Trend jetzt gerade recht kommt und worauf man achten muss, wenn man mit Spirituosen kocht.
Gut möglich, dass ihr erneutes Auftauchen der allgemein düsteren Weltlage geschuldet war, der Pandemie, einer Niedergeschlagenheit. Schliesslich wurden Probleme schon immer gern in Alkohol ertränkt.
Vielleicht ist es aber auch nur Zufall, dass es in den letzten Monaten ein seltsames Comeback gegeben hat: Die Wodka-Spaghetti geistern wieder herum! Die essbare Bloody-Mary-Version taucht gerade verdächtig oft in den sozialen Medien auf, vor allem auf Tiktok.
Nun könnte man anmerken: Ist jetzt nicht der denkbar falsche Moment, mit Wodka zu kochen? Einen Monat nach Beginn des Ukraine-Kriegs? Taktlos, gar?
Ist es. Aber eben auch nicht. Zwar haben die meisten Schweizer Händler russischen Wodka aus dem Sortiment gekippt. Doch genau dort liegen auch Möglichkeiten: Könnte man nicht ein kleines bisschen Widerstand gegen die russische Invasion leisten, und wenn es nur in der Saucenpfanne ist? Auch andere Länder haben schöne Wodkas! Die Ukraine zum Beispiel. Oder die Schweiz (mehr Infos zum Beispiel hier).
Das Model und die Schnüffler
Ausgelöst hat den digitalen Wodka-Pasta-Trend US-Model Gigi Hadid – allerdings lange vor dem Krieg. Der Star unterhält ihre 73 Millionen Follower auf ihrem Instagram-Kanal unter anderem mit einer Kategorie «From My Kitchen» – aus meiner Küche. Dort ist zu sehen, wie sie «Pasta mit Wodka» kocht. Und zwar, Achtung, jetzt wirds skurril: ohne Wodka.
Das Rezept machte trotzdem flugs die Runde in digitalen Kochgruppen. Und noch heute ignoriert die fröhliche Internetgemeinde Hadids Abstinenz und dichtet dem Rezept mal zwei Esslöffel, mal einen Spritzer und mal eine Viertelflasche Wodka hinzu. Eigentlich feiert man die Tatsache, dass ein Model Tomatensauce kochte, doch ziemlich heftig ab.
Nun gibt es Wodka-Pasta natürlich schon lange. Wer gegen Ende des letzten Jahrhunderts in WGs gelebt hat, hat sie gekocht. Alle anderen wohl auch.
«Bei kurzer Gardauer bleibt möglicherweise die Hälfte des Alkohols im Gericht zurück.»
Man gab diesen Teigwaren, so hiess Pasta damals noch, den lustigen Namen Bloody-Mary-Spaghetti und legte noch einen Stangensellerie in die Teller. Bloody Mary (der Drink) war ebenfalls wahnsinnig chic – und ja, Pasta mit Wodka-Tomatensauce ist tatsächlich ein Retro-Rezept aus den 80ern. Als man auch gern Toast Hawaii, Crevettencocktail und, man traut sichs fast nicht zu sagen, Russische Eier servierte. Alles irgendwie verstaubt, aber es hat halt doch was. Auch weil man Snacks von früher ja gern ein wenig glorifiziert. Was heute durchaus wohltuend sein kann.
Gigi Hadids Erklärung für das Weglassen von Wodka in ihrer «yummy + easy spicy vodka sauce» lautete übrigens lapidar: «But have no vodka. so without. But still good.» Man muss keine grosse Schnüffelnase sein, um herauszufinden: Zum Zeitpunkt, als sie das Filmchen hochschaltete, war sie schwanger und verzichtete deshalb auf Alkohol.
Wodka ist ein spezieller Tropfen
War das überhaupt nötig? Immer wieder hört man, dass der Alkohol verdampft. Und man deshalb auch für Menschen «hochprozentig» kochen kann, die keinen Alkohol trinken. «Das hängt mit der Art und der Dauer des Kochens zusammen», sagt Ernährungswissenschaftler David Fäh von der Berner Fachhochschule, «mit den anderen Zutaten. Und mit der Höhe der Temperatur.» Reiner Alkohol verdampfe bereits bei 80 Grad. «Ich denke, bei Gerichten mit kurzer Gardauer bleibt möglicherweise die Hälfte des Alkohols im Gericht zurück.»
Schlechter Wodka wird durch stundenlanges Kochen nur noch schlechter.
Wer sicher sein will, macht also ganz auf Gigi Hadid und lässt Alkohol weg. Denn selbst wenn sich der Grossteil des Alkohols verflüchtigt, beeinflusst dessen Zugabe den Geschmack. «Das und die anderen Geschmacksstoffe aus dem alkoholischen Getränk verleihen einem Gericht eine besondere Note», sagt Fäh. Das, obwohl Wodka als eher neutrale Spirituose gilt, und Tomaten normalerweise recht dominant sind.
Eine andere Regel – sie gilt auch für Wein im Essen: nicht zu irgendeinem Fusel greifen. Schlechte Qualität wird durch stundenlanges Kochen nur noch schlechter. Apropos: Wodka enthält im Gegensatz zu Wein und Bier fast keine Nebenalkohole. Was bedeutet, dass man nach Wodka (aka Wodkasauce) keine Fahne hat.
Und jetzt? Soll man beim Frühlingsputz sämtliche Restalkoholika aufbrauchen, die russischen wie alle andern? Mitmachen bei diesem Uralt-Pasta-Trend und dabei gar nicht betrunken werden? Na ja, unter Freunden macht sich so ein Teller Wodka-Spaghetti vielleicht ganz gut. Mit oder ohne Alkohol und hoffentlich mit nur wenigen Tropfen «weltschmerz», wie man in den USA sagt, wenn man besonders trendy sein will.
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