Auswirkungen von Regen und HagelDie Weinernte fällt bis zu 50 Prozent geringer aus
Die heftigen Unwetter im Sommer haben den Schweizer Rebbergen zugesetzt. Werden die Weinpreise steigen? Produzenten und Handel halten sich bedeckt.
Es ist Raclette- und Fonduezeit. Wer dazu einen günstigen Weisswein schweizerischer Herkunft sucht, wird im Internet rasch fündig: Von A wie Aldi bis L wie Le Shop (von Migros) werben die Detailhändler derzeit mit Aktionen. Die Lager sind gut gefüllt, denkt sich die Käuferin.
Das könnte sich womöglich ändern. Vom Genfersee bis zum Bodensee, vom Schaffhausischen bis ins Tessin ertönen Klagerufe der Winzerinnen und Winzer. Die heftigen Niederschläge im Sommer und der Befall der Rebstöcke mit dem feuchtigkeitsliebenden Mehltau sorgen für teils massive Ernteausfälle.
Nassester Rebsommer seit Jahrzehnten
Im Kanton Zürich rechnet die Fachstelle Rebbau mit einem Minderertrag von 50 Prozent. In einigen Regionen des Kantons wurden bis zu 90 Prozent der Reben zerstört. Der Baselbieter Rebbaukommissär Urs Weingartner erklärte in der Zeitschrift «Schweizer Bauer», dass seine Region den «nassesten Rebsommer» seit Beginn der Messungen 1984 erlebt habe. Einige Parzellen erlitten wegen der Pilzerkrankung Mehltau einen Totalschaden. Unter Winzerinnen und Winzern ist die Rede von einem der schlechtesten Weinjahre in den letzten 20 Jahren.
Im Wallis rechnet die Branche mit Ernteeinbrüchen von 30 bis 40 Prozent. Frédéric Rouvinez von der gleichnamigen Kellerei, die zu den drei grössten im Wallis gehört, erklärte im Westschweizer Fernsehen, die diesjährige Ernte sei die schlechteste für seine seit drei Generationen im Weingeschäft tätige Firma. Die Ernte sackte um 50 Prozent ab. Als wären Hagel und Regen nicht schon schlimm genug gewesen, sorgte im Wallis der nächtliche Traubenklau unlängst für Schlagzeilen im ganzen Land. Für die betroffenen Besitzenden ist die Sache klar, wie Walliser Medien rapportierten: Da waren andere Rebbäuerinnen und Rebbauern am Werk.
Am Genfersee sind die Weinterrassen des Lavaux östlich von Lausanne und die benachbarte Region des Chablais betroffen, wo ebenfalls eine um die Hälfte kleinere Ernte eingefahren wurde.
Selbst Biowinzer greifen zur chemischen Keule
Der massive Befall mit Mehltau dürfte auch zur Folge haben, dass einige Bioweinhersteller ihr Biolabel verlieren werden, weil sie bei der Bekämpfung zur chemischen Keule gegriffen haben, wie Rebbaukommissärinnen und -kommissäre berichteten.
Wie hoch der gesamte Ernteausfall in der Schweiz sein wird, ist laut Bundesamt für Landwirtschaft erst in einigen Wochen klar. Aufgrund erster Meldungen aus den Regionen könnte laut Branchenkennerinnen und -kennern ein Minus von bis zu 50 Prozent resultieren. Im Vergleich: Im letzten Jahr war die Ernte um knapp 15 Prozent tiefer als im Vorjahr. Damals hatten ein Kälteeinbruch in der Blütezeit und ein extrem trockener Sommer den Rebstöcken zugesetzt. Allerdings war just Letzteres dann für die Traubenqualität von grossem Vorteil.
Ob auch die diesjährige Ernte unter dem Motto «Klein, aber fein» ausfallen wird, muss sich noch zeigen. Mindestens im Bündnerland freut man sich schon jetzt über die Qualität des Jahrgangs 2021. Der Kanton war glimpflich durch die Wetterunbill gekommen, obwohl auch hier der Mehltau ein Problem war. Man sei jedoch an die Bekämpfung des Pilzes gewöhnt, erklärt Walter Fromm, Leiter der Fachstelle Obst- und Weinbau. Er rechnet je nach Rebsorte mit normalen oder gar deutlich höheren Erträgen – und dies zu einer «guten Qualität».
Auch in anderen Weinregionen rechnen die Fachleute mit einer ansprechenden Qualität der Ernte.
Reduktion der Weinimporte ist vom Tisch
Mit den Folgen der Klimaerwärmung werden die Winzerinnen und Winzer in der Schweiz nun öfter zu kämpfen haben. Vor allem aus der Westschweiz ertönt regelmässig der Ruf, der Bund müsse mehr zum Schutz der Branche unternehmen. Im Vordergrund stand dieses Jahr die Forderung, dass der Weinimport zum Schutz des einheimischen Gewächses um 50 Prozent gesenkt werden müsse. Für diese Marktabschottung hatte sich der Kanton Genf mittels Standesinitiative starkgemacht.
Das Parlament in Bern hatte kein Gehör dafür. In der Septembersession versenkte der Nationalrat wie zuvor der Ständerat die Initiative.
Werden die Konsumentinnen und Konsumenten für Schweizer Weine tiefer in die Tasche greifen müssen? Der Bündner Weinexperte Walter Fromm glaubt zumindest für die Weine aus Graubünden nicht an Preissteigerungen. Beim Detailhändler Coop, der hierzulande zu den grössten Weinanbietern im Handel gehört, heisst es auf Anfrage, man gebe «nur unvermeidbare Preiserhöhungen weiter». Was das für den 2021er Jahrgang heisst, will man bei Coop nicht sagen. Dazu sei es noch zu früh, teilt ein Sprecher mit.
Fehler gefunden?Jetzt melden.