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Internet-Konzerne vor Gericht
Die USA tun sich schwer mit einer stärkeren Regulierung von Youtube, Twitter & Co.  

Die Mutter von Nohemi Gonzalez, Beatriz Gonzalez, und ihr Stiefvater Jose Hernandez vor dem obersten Gerichtshof in Washington. Die 23-jährige Studentin war eines der Opfer der IS-Attacke in Paris 2015. Die Familie hat Youtube wegen der Verbreitung von Terrorpropaganda verklagt.
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Die 23-jährige Studentin Nohemi Gonzalez wurde im November 2015 Opfer des IS-Anschlages in Paris. 130 Personen fielen damals der Terrororganisation Islamischer Staat zum Opfer. Diese Woche standen ihre Eltern als Kläger vor dem obersten Gerichtshof des Landes, dem Supreme Court. Sie beschuldigen Youtube der fahrlässigen Weiterverbreitung von Propaganda der Terrororganisation. Die Videoplattform sei damit mitverantwortlich für den Tod ihrer Tochter. 

Bei einem weiteren IS-Anschlag 2017 auf einen Nachtclub in Istanbul kam der 23-jährige Nawras Alassaf ums Leben. Seine Familie stand diese Woche ebenfalls vor dem Supreme Court. Sie beschuldigt Twitter der Mitverantwortung für seinen Tod. Die Plattform habe die Hassbotschaften der Terroristen «in fahrlässiger Blindheit» toleriert.

«Ein Crash für die digitale Wirtschaft»

Es ging um grundsätzliche Fragen, die vor dem obersten Gerichtshof diskutiert wurden: Sollen die Internet-Konzerne noch immer von einer Vorzugsbehandlung gegenüber Radio, Fernsehen und Zeitungen profitieren, wenn es um die Verantwortung für die Inhalte geht? In den USA streitet die Politik seit Jahren um das Thema.

Für die Klägerinnen und Kläger ist die Beweisführung schwierig. Richterin Elena Kagan fasste es so zusammen: «Wir wissen in diesen Sachen nicht wirklich Bescheid. Wir sind nicht wirklich die neun grössten Experten für das Internet.» Ihre Kolleginnen und Kollegen lachten, aber die weiteren Ausführungen zeigten in der Tat wenig Fachkenntnisse.

Der konservative Richter Clarence Thomas verglich die Hassbotschaften der Terroristen mit einem Telefonanruf an den Kalifen in Bagdad. Sein Kollege Brett Kavanaugh meinte, dass weitreichendere Verantwortlichkeiten der grossen Internet-Konzerne «die digitale Wirtschaft in einen Crash stürzen würde, mit allen möglichen Folgen für die Konsumenten, die Pensionskassen und alles weitere».

Die Konzerne profitieren von einer Vorzugsbehandlung

Die Richter bezogen sich während der Verhandlung auf einen Artikel, der 1996 eingeführt worden ist, mit dem Ziel, die damals aufkommenden Internet-Foren vor möglichen Klagen wegen Inhalten, die Nutzerinnen und Nutzer bei ihnen veröffentlichen, zu schützen. Diese Sonderbestimmung war mit ein Grund für den rasanten Aufstieg von Facebook, Google, Twitter und Co. Mehrere Richter machten auch klar, dass sie diese Sonderstellung nicht infrage stellen wollen. Die Verantwortung wird an die Politik abgeschoben: «Es ist nicht unsere Aufgabe, etwas zu tun», sagte Kavanaugh, «der Kongress soll handeln.»

«Es ist nicht unsere Aufgabe, etwas zu tun. Der Kongress soll handeln.» 

Brett Kavanaugh, Richter am obersten Gerichtshof der USA 

Die Familien der beiden Opfer verwiesen auf ein Anti-Terrorismus-Gesetz und auf die lockeren Regeln der Internet-Anbieter. Anders als behauptet, hätten Twitter und Youtube die Inhalte nicht so gut wie möglich überwacht, sagte deren Anwalt. «Unser Vorwurf ist, dass sie es überhaupt nicht getan haben. Youtube hat Algorithmen spezifisch dafür entwickelt, Videos mit gewalttätigen Aufrufen und terroristischen Inhalten zu pushen», sagte er.

Google und Twitter fanden mehr Gehör. Sie argumentierten vor Gericht, wonach das «Internet von heute gefährdet ist», wenn die Konzerne für die Inhalte verantwortlich gemacht werden, die auf ihren Plattformen veröffentlicht werden. Damit stellen sie sich auf die Seite der Konservativen im Land, die Youtube, Facebook und Twitter als Zensuren von politisch unliebsamen Inhalten sehen. 

Allerdings zeigten auch die drei demokratischen Richterinnen wenig Interesse an einem verschärften Durchgriff. Sie fürchten, dass die in den USA stets beschworene Meinungsäusserungsfreiheit geschwächt werden könnte. Die Verhandlungen des Gerichts sind ein klarer Erfolg für die Internet-Konzerne. Zwar fallen die Urteile erst im Juni, aber eine Umkehr der Argumente ist erfahrungsgemäss nicht zu erwarten.

Da sich der Kongress trotz des Wunsches von Präsident Joe Biden bisher ebenfalls nicht auf mehr Verantwortlichkeit für die Branche einigen konnte, werden die USA wohl keine Vorreiterrolle bei der Regulierung der Internet-Konzerne einnehmen.