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Neue Jelmoli-Chefin im Gespräch
«Die Umsatzeinbrüche sind für uns dramatisch»

Die neue Jelmoli-Chefin. Seit April ist Nina Mueller die neue Chefin des Warenhauses. Wie hart trifft Corona Jelmoli? Ihre Strategie: Online, Konkurrent Globus, Expansion Circle, das Warenhaus neu erfinden?

17.04..2020
(Andrea Zahler)
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Frau Müller, zu Ihrem Start als neue Jelmoli-Chefin war das Warenhaus Corona-bedingt geschlossen. Was haben Sie an Ihrem ersten Arbeitstag gemacht?

Gott sei Dank war nicht das ganze Haus geschlossen. Der Foodmarket war offen. Und auch wenn es ein «schräger» erster Arbeitstag war, hat er sich gut angefühlt. Ich bin mit einer vollen Agenda gestartet und wurde von meinen Angestellten aus dem Homeoffice mit einem Video begrüsst. So, wie es in diesen Zeiten von Corona üblich ist.

Sie befinden sich in einem schwierigen Umfeld. Die Warenhäuser leiden schon länger. Wie viel Umsatz hat Jelmoli seit der Schliessung im März bereits
verloren?

Genaue Umsatzzahlen kommunizieren wir nicht. Aber ein Grossteil unseres Hauses ist geschlossen. Der Foodmarket ist offen und macht tolle Umsätze über Budget und über Vorjahr. Auch mit dem Onlineshop können wir ein schönes Umsatzwachstum erzielen. Vor allem in den Bereichen Sport und Beauty ist die Nachfrage gestiegen. Aber all das macht nicht wett, was das gesamte Haus verliert. Die Einbrüche sind für uns dramatisch. Kurz vor dem Lockdown haben wir am Flughafen Zürich den ersten von drei Shops eröffnet und nach wenigen Tagen wieder geschlossen. Auch hier fehlen uns die Umsätze.

2019 schrieb Jelmoli rote Zahlen – auch wegen der Investitionen für die neuen Standorte am Flughafen. Die Einnahmen gehen seit Jahren zurück. Wie wollen Sie diese Entwicklung aufhalten?

In den Innenstädten sind weniger Menschen unterwegs. So auch in den Warenhäusern. Es braucht neue Lösungen. Einfach eine Vielzahl an Marken zu führen, reicht heute nicht mehr. Der Kunde erwartet mehr. Es geht heute darum, Erlebnisse und Austausch zu schaffen. 2020 wird zudem wegen Corona ein spezielles Jahr: Wir werden unser Ergebnis wahrscheinlich nicht verbessern können. Die letzten sechs Wochen hatten wir praktisch keine Einnahmen. Ich erwarte, dass nach dem Lockdown wieder konsumiert wird. Allerdings nicht im gleichen Masse wie vor Corona.

Wie meinen Sie das?

Ich persönlich hoffe etwa, dass wir wegkommen von der Wegwerfgesellschaft und uns mehr Gedanken machen beim Einkaufen. Die Themen Wellness, Gesundheit und Bewegung werden sicher immer wichtiger.

«Ich hoffe auch, dass so viele Globus-Filialen wie möglich bestehen bleiben, denn Globus gehört für mich zur Schweiz.»

Ökonomen erwarten eine Rezession. Das drückt auf die Konsumstimmung.
Bereitet Ihnen das Sorgen?

Das macht mir grosse Sorgen. Aber wichtig ist, dass wir uns weiterhin fragen, wie wir für unsere Kunden relevant bleiben. Auch in den schwierigsten Zeiten wollen Menschen konsumieren und es sich gutgehen lassen. Eine Rezession bedeutet, dass dies nicht mehr für alle so einfach sein wird. Darauf müssen wir uns einstellen. Unsere Aufgabe ist es, das Einkaufen auch in schwierigen Zeiten so positiv wie möglich zu gestalten.

Das Konsumverhalten verändert sich, und wir merken: Eigentlich kann ich alles online bestellen. Braucht es Warenhäuser in Zukunft noch?

Das kann ich ganz klar mit Ja beantworten. Es wird auch in Zukunft Warenhäuser geben, davon bin ich überzeugt. Ob es noch alle bestehenden Warenhäuser geben wird, wage ich nicht zu sagen. Ich glaube daran, dass sich unser Konsum- und Einkaufsverhalten ändern wird. Aber der Austausch und die Beratung werden wichtiger. Ich glaube, auch die onlineaffinsten Shopper freuen sich darauf, Produkte bald wieder anfassen zu können.

Dennoch ist ein Onlineshop überlebenswichtig. Bauen Sie hier aus?

Wir planen im Oktober einen grossen Relaunch unseres derzeitigen Onlineshops und aller Omnichannel-Prozesse. Unser Ziel ist es, unseren Kunden ein nahtloses Einkaufserlebnis über alle Kanäle zu bieten. Im Moment arbeiten alle hart daran, den Termin einzuhalten. Dann sind wir auch digital gut aufgestellt.

Wie stark ist die Onlinenachfrage seit Februar gewachsen?

Die Kurve geht steil nach oben. Aber man muss auch sagen, dass die Nachfrage bis dahin wegen des aktuell sehr kleinen Sortiments relativ gering war.

Die Fluktuation bei Jelmoli ist hoch. Im letzten Jahr kündigten 26 Prozent der
Angestellten wieder. Wie kommt das?

Ich glaube nicht, dass Jelmoli ein schlechter Platz zum Arbeiten ist. Die Fluktuation ist im Detailhandel allgemein eher hoch. Bei Jelmoli gibt es viele Mitarbeiter, die seit zehn, zwanzig oder dreissig Jahren dabei sind. Die Menschen, die ich in den letzten zwei Wochen kennen gelernt habe, sind mit viel Passion bei der Arbeit und identifizieren sich mit dem Haus. Es gibt zudem Abteilungen, in denen die Fluktuation gering ist, so zum Beispiel in der Herrenwelt. Aber wir haben auch Bereiche wie etwa die Gastronomie, wo der Anteil wieder höher ist. Doch das ist normal für diese Branche.

Wie wollen Sie Jelmoli als Arbeitgeber attraktiver machen?

Meine Mitarbeiter sind mir extrem wichtig. Sie sollen merken, dass ich präsent bin. Denn ich bin eine Chefin, die nahe bei ihren Mitarbeitern ist. Ich versuche, das Haus so schnell wie möglich zu verstehen, und führe viele Gespräche.

Ein paar Meter weiter wächst die Konkurrenz an der Bahnhofstrasse. Die neuen Globus-Besitzer wollen das Warenhaus zum Luxustempel machen. Wie will sich Jelmoli von Globus abheben?

Wir sind der Jelmoli, das Traditionshaus hier in Zürich. Das sehen auch unsere Kunden so, und daran müssen wir festhalten. Aber ich hoffe auch, dass so viele Globus-Filialen wie möglich bestehen bleiben, denn Globus gehört für mich zur Schweiz.

«Wir wollen das Haus jetzt nicht in den Sale schicken. Das wäre traurig und die falsche Botschaft.»

Haben Sie keine Sorge, dass Marken lieber zu Globus gehen?

Im Retail reisst man sich immer um die verschiedenen Marken. Aber es wird wichtiger sein, dass wir unsere Identität schärfen. Wir sind bereits im Gespräch mit neuen Marken. Im Markt und auch bei Globus wird die neue Realität anders ausschauen. Es braucht Konkurrenz, und es braucht tolle Geschäfte in den Innenstädten, damit die Kundenfrequenzen bleiben. Dafür braucht es gute Konzepte, und ich arbeite daran, dass unsere noch besser sind.

Die Pallas-Klinik bietet Beautybehandlungen an und ist letztes Jahr neu bei Jelmoli eingezogen. Bedeuten neue Konzepte auch, dass man weniger Ware anbietet?

Ja, denn es geht um eine spannende Mischung. Jelmoli hat ein Angebot, das von Fashion über Food, Home and Living, Beauty bis zur Gastronomie reicht. Wir haben ein Riesenpotenzial und eine grosse Fläche dafür, uns neue Konzepte zu überlegen.

Erst mal werden Sie um Einsparungen nicht herumkommen. Wird es Entlassungen geben?

Im Moment arbeiten wir mit Kurzarbeit, Entlassungen infolge von Corona sind keine geplant. Aber es hängt davon ab, wie schnell die Kunden wiederkommen. Wir setzen uns mit den Kosten auseinander und wollen dort anfangen zu sparen, wo es am wenigsten wehtut. Und sicherlich haben wir auch in jeder Abteilung Sparpotenzial.

Der Bundesrat hat entschieden, dass Läden und Warenhäuser am 11. Mai wieder öffnen dürfen. Was hat der Entscheid bei Ihnen ausgelöst?

Ich bin enttäuscht über den späten Zeitpunkt. Ich hatte gehofft, dass wir früher aufmachen dürfen. Doch bei Jelmoli machen wir alle Phasen der Lockerung mit. Die Pallas-Klinik und Coiffina öffnen bereits nächste Woche am 27. April. Unsere zwölf Restaurants bleiben hingegen noch länger geschlossen. Für die Eröffnung sind wir vorbereitet. Schon heute regeln wir den Zugang zum Foodmarket, stellen sicher, dass Abstandsregeln eingehalten werden, und stellen Desinfektionsmittel und Handschuhe bereit. Diese Erfahrungen werden wir aufs gesamte Haus ausweiten. Unsere grosszügigen Flächen bieten genug Platz dafür, die Distanzregeln hervorragend einzuhalten.

Die Frühlingskollektion liegt seit Wochen in den Lagern. Wird es eine
Rabattschlacht geben?

Nein, wir wollen das Haus jetzt nicht in den Sale schicken. Das wäre traurig und die falsche Botschaft. Sicher wird es Angebote geben, aber aus einem anderen Grund: Wir wollen die Eröffnung feiern und freuen uns, für unsere Kunden wieder mit dem ganzen Haus da sein zu dürfen.