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AHV-Reform vom 25. September
Inflation gefährdet AHV-Reform

Einkäufe werden durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer auch für Rentnerinnen und Rentner teurer. 
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Zwei Kröten sollen die Stimmberechtigten am 25. September schlucken: Rentenalter 65 für Frauen und die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Nur schon für das höhere Rentenalter müssen die bürgerlichen Befürworter viel Überzeugungsarbeit leisten, scheiterte doch das Vorhaben bisher dreimal in Volksabstimmungen. Auch diesmal bekämpft die Linke das Frauenrentenalter 65 mit dem Referendum. Und nun erhalten die Gewerkschaften mit der Inflation ein zusätzliches Argument, mit dem sie die AHV-Reform zu Fall bringen wollen. 

Im Juni stieg die Teuerung in der Schweiz auf 3,4 Prozent, und manche Experten rechnen für 2022 mit einer Jahresteuerung von 4 Prozent. Allein die Inflation belaste die Bevölkerung dieses Jahr mit über 10 Milliarden Franken, sagt Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB). Dazu erwarte die Bevölkerung im Herbst noch ein Prämienschock mit Zusatzbelastungen von 4 bis 5 Milliarden im Jahr. «Und genau zu diesem Zeitpunkt wollen die rechten Parteien 1,5 Milliarden mehr Mehrwertsteuer eintreiben», sagt der SGB-Präsident und Waadtländer SP-Nationalrat. Wären mit den Zusatzeinnahmen höhere Renten finanziert worden, hätte die Linke dies wohl akzeptiert. «Wir lehnen die Erhöhung der Mehrwertsteuer vor allem ab, weil auch noch die Leistungen der AHV verschlechtert werden», sagt Maillard. Die AHV sei solide finanziert und brauche in den nächsten fünf Jahren keine Zusatzfinanzierung. 

Auch bürgerliche Befürworter bereiten sich auf einen schwierigen Abstimmungskampf vor. «Tatsächlich weht einem eine steife Brise entgegen, wenn man das Thema AHV-Abstimmung anspricht», sagt der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller. Vor allem auf dem Land stellt er Skepsis fest. Bei älteren Menschen, Handwerkern und Gewerbetreibenden, die jeden Franken zweimal umdrehen müssten, sei die Mehrwertsteuererhöhung zunehmend ein Thema. Dazu komme noch, dass die Revision unter dem Strich der AHV wenig bringe, weil zu viel Geld für Ausgleichsmassnahmen für neun Frauenjahrgänge ausgegeben werde. 

Gewerbepräsident: «Für diese Debatte ist es zu spät»

Fabio Regazzi, Mitte-Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes, hat Verständnis für die Einwände gegen die höhere Mehrwertsteuer. «Allerdings ist es für diese Debatte zu spät.» Denn bei der AHV-Reform handle es sich um einen politischen Kompromiss, der zur Sicherung des Sozialwerks nötig sei. Die Vorschläge der Linken zur Finanzierung der AHV wie höhere Lohnbeiträge oder Nationalbankgelder seien keine Alternativen. «Bei der Rettung der AHV handelt es sich um ein übergeordnetes Ziel, für das man die Erhöhung der Mehrwertsteuer in Kauf nehmen muss.» Klar ist für Regazzi, dass die Gewerbebetriebe die Erhöhung der MwSt. in der Regel auf die Kunden überwälzen werden.

«Wir müssen nach über 20 Jahren Stillstand endlich wieder eine Reform zustande bringen»

Albert Rösti, SVP-Nationalrat

Im bürgerlichen Lager dürfte es die AHV-Reform vor allem bei der SVP-Basis schwer haben, die bereits 2017 die Reform der Altersvorsorge am deutlichsten ablehnte. Laut Politologe Michael Hermann könnte die Steuererhöhung im kleinbürgerlichen Milieu und in gewerblichen Kreisen ein zusätzlicher Grund für ein Nein sein. «Allerdings glaube ich nicht, dass die Teuerung zu einem Kernargument gegen die AHV-Reform wird», sagt Hermann. Die Teuerungsdebatte werde in der Schweiz weniger intensiv geführt als etwa in Deutschland. 

Für SVP-Nationalrat Albert Rösti ist die gestiegene Teuerung kein Grund, die AHV-Vorlage abzulehnen. «Wir müssen nach über 20 Jahren Stillstand endlich wieder eine Reform zustande bringen», sagt der Präsident der nationalrätlichen Sozialkommission. Bei einem erneuten Scheitern gebe es keine besseren Alternativen, um die Finanzierung zu sichern. Das schlimmste Szenario wäre für Rösti, wenn der Bund die AHV-Defizite mit Steuergeldern ausgleichen müsste.

Zusatzbelastung von 1 Milliarde

Zur Erhöhung der Mehrwertsteuer (MwSt.) braucht es im Gegensatz zur AHV-Vorlage neben dem Volks- auch das Ständemehr. AHV und Mehrwertsteuererhöhung sind miteinander verknüpft: Die AHV-Vorlage kann nur in Kraft treten, wenn auch die MwSt-Erhöhung angenommen wird und umgekehrt. Die Anhebung der MwSt. von 7,7 auf 8,1 Prozent (Normalsatz) führt aber nicht unmittelbar zu höheren Preisen. Eingeführt wird die AHV-Reform nach einem Ja an der Urne wohl erst 2024, und dann trägt die Steuererhöhung der AHV rund eine Milliarde zusätzlich ein. Die von Maillard erwähnte jährliche Zusatzbelastung von 1,5 Milliarden stellt sich gemäss den Prognosen des Bundes erst 2032 ein. 

Zudem dürfte kurzfristig nur die Hälfte der Erhöhung sofort auf die Konsumentinnen und Konsumenten überwälzt werden und der Rest nach einem bis zwei Jahren, sagt Jan-Egbert Sturm von der Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF). Insgesamt führe die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu einer Teuerung von rund 0,3 Prozent. Der Konjunkturforscher verweist darauf, dass Wohnungsmieten und Gesundheitsausgaben von der Mehrwertsteuer befreit sind. Nahrungsmittel unterliegen zudem dem reduzierten Satz von heute 2,5 und künftig 2,6 Prozent.

Die Steuererhöhung erfolge zwar erst auf 2024, räumt Maillard ein. Aber möglicherweise spüre die Schweiz dann auch noch die Folgen einer Rezession, und der Anstieg der Hypozinsen werde zu höheren Mieten führen.