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Kostenschub im Parlament 
Die Stimmbevölkerung soll wissen, was der parlamentarische Eifer kostet

Will einen Damm gegen die Vorstossflut errichten, indem Transparenz über die Kosten geschaffen wird: Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi.
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Die Spirale dreht unaufhaltsam nach oben. Jahr für Jahr decken die Parlamentarierinnen und Parlamentarier Bundesrat und Verwaltung mit immer mehr Motionen, Postulaten, Interpellationen und Anfragen ein. Fordern mit Vorstössen Auskunft, verlangen Berichte oder versuchen, Gesetze zu ändern.

Besonders fleissig sind die Nationalrätinnen und Nationalräte: Sie reichen mehr Vorstösse ein, als sie behandeln können. Schaffen sie es nicht innert zwei Jahren, dann wird der Vorstoss abgeschrieben. Dutzende von Motionen und Postulaten ereilt in jeder Session dieses Schicksal.

In der Antwort soll stehen, was der Vorstoss gekostet hat

Zuvor aber halten die parlamentarischen Papiere Heerscharen von Beamten auf Trab – was nicht gratis ist. Hier möchte der Tessiner Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi den Hebel ansetzen: Bei jedem Vorstoss müsse künftig ausgewiesen werden, wie viel dessen Beantwortung gekostet hat und wie viele Arbeitsstunden darauf verwendet wurden, verlangt er in einer parlamentarischen Initiative.

Zwar gibt es dazu eine Schätzung: 6120 Franken koste ein durchschnittlicher Vorstoss, liess der Bundesrat einst in Beantwortung einer Interpellation des damaligen SVP-Nationalrats und heutigen Nur-noch-Unternehmers Peter Spuhler errechnen.

Bei der Schätzung schlug der am wenigsten aufwendige Vorstoss mit 2230 Franken zu Buche, der aufwendigste mit 13’210 Franken.

Allerdings ist das schon 15 Jahre her und wurde in einem einfachen Verfahren aufgrund von 14 parlamentarischen Vorstössen eruiert – einem Bruchteil der über 1000 Motionen, Postulate, Interpellationen, Anfragen und parlamentarischen Initiativen, die im betreffenden Jahr eingereicht wurden.

Dabei kann der Aufwand von Vorstoss zu Vorstoss stark variieren, wie Urs Bruderer von der Bundeskanzlei erklärt. Manche würden von einer einzigen Stelle relativ zügig bearbeitet, bei anderen brauche es das Fachwissen mehrerer Departemente. Bei der Schätzung schlug der am wenigsten aufwendige Vorstoss mit 2230 Franken zu Buche, der aufwendigste mit 13’210 Franken.

Jeder Vorstoss beschäftigt alle Departemente

In jedem Fall durchlaufen Vorstösse laut Bruderer eine Ämterkonsultation und ein Mitberichtsverfahren, beschäftigen also Leute in allen Departementen und der Bundeskanzlei, bevor sie vom Bundesrat verabschiedet werden. Ausserdem müssen sie in drei Amtssprachen übersetzt werden.

Das läppert sich zusammen. Wurden 2001 in beiden Räten noch weniger als tausend Vorstösse eingereicht, waren es 2011 über 1400 und im vergangenen Jahr knapp 1900. Nimmt man den 2007 geschätzten Durchschnittswert, so kostete deren Beantwortung 11,5 Millionen Franken, die Teuerung nicht mitgerechnet. Dazu kommt der Aufwand für die 1250 Fragen aus der Fragestunde, die zu beantworten einfacher und damit billiger ist – um wie viel, wurde allerdings noch nicht einmal geschätzt.

Das nehme «beängstigende Formen» an, sagt Regazzi, und verweist als Präsident des Gewerbeverbandes auf die Gewerbebetriebe: Die Erfassung von Zeit und Aufwand für die einzelnen Projekte sei für jedes KMU selbstverständlich. Dies müsse umso mehr für den Bund gelten, als dieser nicht mit privatem Kapital, sondern mit Steuergeldern arbeite.

Im Tessin werden die Kosten schon deklariert

Im Kanton Tessin funktioniere die Transparenz problemlos: Bei jedem Vorstoss werde die Anzahl der Stunden und der Stundenansatz des Beamten ausgewiesen, der ihn behandelt hat. «Das ist völlig unkompliziert und unbürokratisch und dient dem Bürger», so Regazzi. «Der kann am Ende der Legislatur selber bestimmen, ob der Parlamentarier übertrieben hat oder nicht.»

Einen Schritt weiter gehen möchte die Thurgauer Nationalrätin Diana Gutjahr, ebenfalls Vertreterin des Gewerbes, allerdings mit SVP-Parteibuch. Gemäss ihrer parlamentarischen Initiative müssten Bundesrat und Verwaltung angeben, welche Folgekosten die Annahme eines Vorstosses auslösen würde: Was würde der vom Postulat verlangte Bericht kosten? Wie gross wäre der Aufwand für das Gesetz, das eine Motion fordert?

«Es geht darum, den Aufwand in Relation zum Nutzen zu setzen.»

Diana Gutjahr, Nationalrätin SVP Thurgau

Würde das ausgewiesen, würden ihre Ratskolleginnen und -kollegen zweimal überlegen, ob es ihren Vorstoss wirklich braucht, sagt Gutjahr: «Es geht darum, den Aufwand in Relation zum Nutzen zu setzen. Wenn ich weiss, dass der Bericht, den ich gerne hätte, 50’000 Franken kostet, weil man ein externes Büro beiziehen muss, ziehe ich mein Postulat vielleicht zurück.» 

SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr möchte die Folgekosten der parlamentarischen Vorstösse offengelegt haben.

Eingereicht wurden die beiden Vorstösse schon im Sommer, behandelt werden können sie frühestens in der Wintersession, vorher kommt der Nationalrat wegen der Vorstossflut nicht dazu.

Eines steht jetzt schon fest: Diana Gutjahr hat den guten Rat, den sie ihrem Rat geben will, beherzigt. In den 5 Jahren, in denen sie im Nationalrat sitzt, reichte sie erst 19 Interpellationen, Postulate, Motionen und parlamentarische Initiativen ein. Fabio Regazzi indes bringt es in 11 Jahren auf 160 Vorstösse (plus 114 Fragen in der Fragestunde) – womit er zu den fleissigeren Parlamentariern gehört.