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Opernhaus-Bilanz der letzten Pandemiesaison
Die Skandaldisziplin ist begehrt

Szene aus «Angels’ Atlas», Wiederaufnahme im Februar 2023. 
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Jetzt hat das Opernhaus Zürich seine Bilanz für die Saison 2021/22 vorgelegt – mit dem Verweis, dass man am Haus noch bis April 2022 mit gewissen pandemischen Einschränkungen wie Maskenpflicht hatte umgehen müssen. Angesichts dessen lässt sich konstatieren: Das Opernhaus Zürich hat eine erfolgreiche Saison hinter sich. Insgesamt 248 Vorstellungen auf der Hauptbühne verzeichneten rund 202’500 Besuchende.

Trotzdem werfen zwei Aspekte der Bilanz Fragen auf, die über das Opernhaus hinausreichen. Erstens zeigt ein Vergleich mit der vorpandemischen Spielzeit 2018/19, dass der Trend nach unten weist. Es wurde dieses Jahr weithin über «woke» Entwicklungen an Theaterhäusern geschimpft, die teils monokausal für den Besucher- und Abo-Rückgang verantwortlich gemacht wurden. Aber auch am deutlich weniger «woken» Opernhaus ist die Auslastung gesunken: auf der Hauptbühne von über 90 Prozent auf etwa 83 Prozent. Auch der Reingewinn aus den Vorstellungen sank um rund 5 Millionen.

Auffällig ist ausserdem: Zwar gibt es in beiden grossen Sparten, Oper und Ballett, Rückgänge – doch das Ballett hat weiterhin prozentual die Nase vorn. Von phänomenalen 98 Prozent in der Saison 2018/19 fiel die Ballettauslastung auf 93,6 Prozent; in der Oper von 88,9 Prozent auf 81,6 Prozent. Anders gesagt: Die Leute stürmten ins Ballett.

Szene aus «Anna Karenina», Wiederaufnahme im März 2023.

Was reizt die Menschen an dieser traditionellen Kunstform, die häufig nur durch menschenverachtende Methoden erreicht wird und deren Profiausbildungsstätten in der Schweiz durch massive Skandale erschüttert wurden – dies freilich erst nach der Periode, die der Geschäftsbericht abdeckt? Nach schlimmen Vorwürfen in Bezug auf den Umgang mit den Schutzbefohlenen und nach der Freistellung der Basler Direktorin ist Ende November beschlossen worden, die Profiausbildung an der Ballettschule Theater Basel zu schliessen. Und bereits im Juni legte, nach ähnlichen Vorwürfen, das Leitungsduo der Tanzakademie Zürich seine Ämter nieder; die Administrativuntersuchung läuft.

Die Sportpsychologin Jeannine Ohlert fragte damals in dieser Zeitung: «Wer möchte perfekte Ballettstücke sehen, hinter denen eine Kindheit mit Essstörungen, physischen Quälereien, Bodyshaming und Ausbeutung steckt? Das ist ja im Grunde Kinderarbeit.» Die Antwort scheint zu lauten: eine ganze Menge Leute.

Der neue Trend in der Mode: Balletcore.

Überhaupt feiert die Ballettästhetik gerade fröhliche Urständ, wie auch Fashionmagazine wie die «Vogue» diesen Herbst feststellten. «Balletcore» heisst der neue Trend, bei dem man von Tüllröcken, Bodies und Ballerinas nicht genug bekommen kann, gern kombiniert mit Stulpen.

Die überwunden geglaubte fragile Mädchenhaftigkeit – es ist die Rede von einer «nostalgischen» Weiblichkeit – ist wieder in. Dass dieses Ideal auf den Social Media schlimme Folgen gezeitigt hat (Körperbild-Probleme, Essstörungen), ist hinlänglich bekannt. Aber vielleicht gelingt ja im Ballett nun ein neuer Umgang mit diesen Themen.