Schweizer Weg zur EMYakin, Xhaka, Shaqiri – das sind die grossen Fragen im Nationalteam
Nach einem deprimierenden Herbst soll im Frühling alles wieder gut werden. Was vor den Testspielen in Dänemark und Irland dafür spricht – und wo Zweifel angebracht sind.
Das Resultat? «Ist vielleicht zweitrangig», sagt Murat Yakin einen Tag vor dem Testspiel in Dänemark. Aber auch der Schweizer Nationaltrainer weiss, dass ein gutes Ergebnis helfen würde, seine Kernbotschaft zu stützen. Und die lautet: Die Krise vom letzten Herbst ist vorbei. Alle freuen sich auf die Europameisterschaft im Sommer. Oder kürzer: «Ich bin zuversichtlich.»
Antworten auf die drängendsten Fragen vor dem Test in Kopenhagen.
Warum wird alles besser als in der EM-Qualifikation?
Erstaunlich, was ein paar Monate Pause verändern können: Im Herbst war alles schwer und trist rund um das Schweizer Männerteam. Es gab sechs Spiele mit bloss einem Sieg – zu Hause gegen Andorra. Es gab die öffentliche Kritik von Captain Granit Xhaka an der Trainingsintensität. Nationaltrainer Murat Yakin wirkte müde und fahrig in seinen öffentlichen Auftritten.
Aber jetzt ist März. Und plötzlich soll vieles äusserst rosarot sein. Als Yakin vor einer Woche das Team für die beiden Testspiele im März bekannt gibt, wirkt er frisch. Sein Charme und seine Souveränität sind zurück. Und damit auch seine Überzeugung, dass das schon gut kommt mit der Europameisterschaft.
Einerseits hat er die Zeit ohne Länderspiele genutzt, um viele Spieler bei ihren Clubs zu besuchen: «Ich war nicht einfach zu Hause und habe gekocht oder Fitness gemacht oder Katzen gefüttert.»
Auf der Rundreise hat er zum Beispiel Fabian Schär erklärt, dass er für ihn keinen Platz als Stammspieler in der Innenverteidigung hat. «So hatten wir das noch nie besprochen», sagt Yakin. Er hofft, dass die neue Klarheit auch für eine bessere Stimmung im Team sorgt.
Zudem will Yakin das Trainingslager nutzen, um Taktik und System mit seinen Führungsspielern zu besprechen. Etwas, das mit Blick auf die Ansprüche von Granit Xhaka vermutlich nicht schaden kann. Und einiges aussagt über das Gewicht, das der Captain im Team hat.
Schliesslich glauben Yakin und Nationalmannschaftsdirektor Pierluigi Tami an folgende Theorie: Den Schweizern liegt es einfach nicht, gegen kleine Teams zu spielen, die tief stehen und kontern. Darum muss jetzt im Umkehrschluss alles gut kommen, wenn stärkere Gegner auf die Schweiz warten.
Ganz so, als sei es unter Yakins Vorgänger Vladimir Petkovic nicht eine bemerkenswerte Schweizer Stärke gewesen, die sogenannt Kleinen zuverlässig zu bezwingen.
Einmal wird die Frage gestellt, warum die Schweizer jetzt ein anderes Gesicht zeigen werden als im Herbst. Yakin sagt: «Das passiert automatisch.» Es ist die Antwort, an der die Auftritte in Dänemark und am Dienstag in Irland gemessen werden.
Was ist mit Murat Yakins Vertrag?
Nach dem 0:1 in Rumänien verlangte Pierluigi Tami im November mit viel Nachdruck Erklärungen für die schwachen Auftritte. Es brauchte nicht viel bösen Willen, um daraus abzuleiten, der Direktor der Nationalmannschaften zähle seinen Cheftrainer an.
Danach wurde Yakin als jener Trainer bestätigt, der mit der Schweiz an die Endrunde reist. Und heute? Redet Tami davon, Yakin sei auch sein Favorit für die Zeit nach der EM: «Er ist unser Kandidat Nummer 1.»
Der Schweizerische Fussballverband hat Yakin offenbar bereits eine Art Verlängerung unterbreitet. Allerdings mit einer Klausel: Der neue Kontrakt wäre erst mit dem Erreichen des EM-Viertelfinals gültig geworden. Yakin lehnte ab.
So reist der Nationaltrainer mit einem Vertrag nach Deutschland, der nach dem Turnier ausläuft. Und Tami lässt sich mit dem Satz zitieren: «Hat er Erfolg, wird es teuer für den Verband.»
Unabhängig davon, ob diese Aussage Tami als knallharten Verhandler erscheinen lässt: Es wäre unter den aktuellen Voraussetzungen fahrlässig, wenn sich der Verband nicht mit anderen Trainern austauschen würde, um für alle Fälle gewappnet zu sein.
Was ist die grösste Änderung zum Herbst?
Anstatt kurz vor dem Turnier den Cheftrainer zu ersetzen, hat sich der Verband für die kleine Rochade entschieden: Vincent Cavin wird durch Giorgio Contini als Assistenztrainer ersetzt.
Contini und Yakin haben einst beim FC Luzern in derselben Rollenverteilung gearbeitet. Jetzt soll der polyglotte Contini die Kommunikation mit den Französisch sprechenden Spielern verbessern. Und dem Team auch noch ein paar Ideen für die Offensive mit auf den Weg geben.
Continis Vertrag läuft ebenfalls mit Turnierende aus. Und wer weiss? Vielleicht spekuliert der Verband ja darauf, dass mit dem 50-Jährigen ein möglicher Yakin-Nachfolger schon an Bord ist, wenn alle Stricke reissen?
Wie steht es um Granit Xhaka?
Der Schweizer Captain spielt derzeit in Leverkusen so etwas wie die Saison seines Lebens und ist auf bestem Weg, deutscher Meister zu werden. Daneben fand er die Zeit, sich via Instagram für seinen Bruder Taulant in die Bresche zu werfen, der in Basel kaum mehr spielt. «Schön aufpassen, kommt nicht gut für dich», schrieb er an einen «Mr. XXX» gerichtet.
Yakin hält sich bei diesem Thema an das Motto des Schweizerischen Fussballverbandes, das lautet: Gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen. Er habe mehrfach mit Xhaka telefoniert, sagt Yakin. Es sei dabei nur um Fussball gegangen. Und: «Es ist ja selbstverständlich, dass er seinen Bruder schützt. Das kenne ich aus meiner Familie.»
Yakin weiss, was der Verband weiss: Läuft es Granit Xhaka, läuft es auch dem Nationalteam. Also wird am momentanen Burgfrieden zwischen Trainer und Captain tunlichst nicht gerüttelt.
Wer steht im Schweizer Tor?
Eigentlich müsste Gregor Kobel ganz nah dran sein an einem Platz im Tor der Nationalmannschaft. Stattdessen ist der Goalie von Borussia Dortmund zum dritten Mal in Serie mit einer Verletzung aus dem Schweizer Camp abgereist. Wieder kein Einsatz für den 26-jährigen Hochbegabten also.
Damit ist Yann Sommers Position vor der EM zusätzlich zementiert. Bei Inter Mailand zeigt er eine starke Saison. Und Yakin sagt: «Für mich ist Yann klar die Nummer 1.» Verletzt sich Sommer nicht, beginnt Kobels Zeit im Nationalteam also frühestens nach der Euro.
Muss Xherdan Shaqiri auf die Bank?
Ein Satz fällt auffällig oft bei diesem Zusammenzug: «Die beste Mannschaft besteht nicht immer aus den besten Einzelspielern.» So sagt es etwa Pierluigi Tami. Das wirkt so, als ob bisherigen Leistungsträgern mehr oder weniger sanft nähergebracht werden soll, dass sie auch einmal auf die Bank müssen.
Xherdan Shaqiri ist einer, den es treffen könnte. Ihn sieht Yakin zwar als «Unterschiedsspieler». Aber das vor allem, wenn die Schweiz viel im Angriff ist. «Wir werden aber auf ganz andere Gegner treffen», sagt Yakin. Sprich: Shaqiri könnte zum Joker degradiert werden. In der Hoffnung, dass er darauf nicht eingeschnappt reagiert.
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