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Tami zur Krise im Nationalteam
«Murat Yakin muss uns erklären, was passiert ist. Und wieso»

21.11.2023; Bukarest; Fussball Nationalmannschaft Euro 2024 Qualifikation - Rumaenien - Schweiz, Trainer Murat Yakin (SUI) nachdenklich an der Seitenlinie
(Claudio Thoma/freshfocus)
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Pierluigi Tami neigt sich schon vor dem Satzende in Richtung des Fragestellers. Streicht ihm beinahe zärtlich über die Schulter und sagt: «Das ist eine schöne Frage. Aber ich habe keine Antwort darauf.» Was der Journalist vom Direktor der Schweizer Nationalmannschaften wissen wollte: ob er bereits eine Short- oder eine Longlist mit Namen möglicher Nachfolger für Murat Yakin zusammengestellt hat.

Nein, ganz so weit geht Tami in dieser Bukarester Nacht dann doch nicht in der Trainerfrage. Aber er geht weit. Weiter, als man es ihm vielleicht zugetraut hätte, der sich einst 2019 mit dem Satz vorgestellt hatte: «Ich möchte nicht stören.»

Mitternacht ist bereits vorbei, als Tami redet und erklärt. Je ausführlicher und detaillierter seine Auslegeordnung wird, umso klarer wird auch, was Yakin im Dezember bevorsteht: Es ist so etwas wie eine zweite Bewerbungsrunde für den Posten des Schweizer Nationaltrainers.

«Die Resultate sprechen für ihn, aber…»

Es ist Tami wichtig, Yakins Leistung zu würdigen. Mehrfach zählt er auf, was unter dem aktuellen Trainer alles erreicht worden ist: Die WM-Qualifikation gegen Italien. Die Siege gegen Spanien und Portugal in der Nations League. Jetzt das Erreichen der EM-Endrunde in Deutschland.

«Die Resultate sprechen für Murat Yakin», sagt Tami darum. Bloss folgt sogleich der wichtige Zusatz: «Aber wir dürfen die Entwicklung der Mannschaft nicht unterschätzen, diese Nervosität auf dem Platz.»

Keine Frage: Tami ist beunruhigt. Weil er sieht, dass eine Mannschaft, die in Yakins Anfangszeit kaum Gegentore erhalten hat, nun gegen Israel, Belarus, Kosovo und Rumänien Treffer um Treffer kassiert. «Murat muss uns diese negative Tendenz erklären», fordert Tami: «Ich will wissen: Was ist passiert? Wieso? Und was sind die Lösungen?»

Pierluigi Tami, Director of Swiss Football Federation SFV, uses his mobile phone prior to the UEFA Euro 2024 qualifying group I soccer match between Romania and Switzerland at the National Arena stadium in Bucharest, Romania, Tuesday, November 21, 2023. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Tami geht damit einen deutlichen Schritt weiter, als es das sein Trainer nach dem 0:1 in Rumänien tut. Yakin erklärt da zum wiederholten Mal: «Das Einzige, was zählt, ist die Qualifikation. Alles andere ist zweitrangig.»

Bei einer derart divergierenden Sicht der Dinge ist es vermutlich gut, dass Tami so rasch wie möglich mit seinem wichtigsten Untergebenen zusammensitzen will. Aber voraussichtlich wird es trotzdem erst nach der Gruppenauslosung am 2. Dezember passieren.

Dann muss Yakin etwas mehr Argumente vorlegen, als er es in Bukarest vor den Medien tut. Eine Gesamtbilanz der Qualifikation will er da erst nicht ziehen: «Das wäre nicht richtig.»

Danach kommt er immer wieder auf die Chancen zu sprechen, die seine Spieler vergeben haben: «Hätten wir die verwertet, wären wir nicht Gruppenzweite.» Mehr als einmal führt Yakin «fehlendes Glück» an oder er will «das Glück wiederfinden».

Zur Erinnerung: Die Schweiz hat von zehn Qualifikationsspielen deren vier gewonnen. In einer Gruppe mit den Nummern 48, 71, 100 und 105 der Weltrangliste.

Tami fragt darum auch mit Blick auf die Gegner: «Waren wir jetzt das vierte Mal glücklos? Ich denke nicht.» Oder auch: «Wollen wir denken, dass alles nur Zufall ist? Wenn das die Analyse ist, okay. Aber ich denke, es ist nicht alles Zufall.»

Switzerland's coach Murat Yakin shouts during the Euro 2024, group I, qualifying soccer match between Romania and Switzerland at the National Arena stadium in Bucharest, Romania, Tuesday, Nov. 21, 2023.(AP Photo/Andreea Alexandru)

Tami hat seine Schlüsse gezogen. Sogar schon vor dem Rumänien-Spiel. Und wenn sich nun der Nationaltrainer vor ihm je nach Sichtweise erklären darf oder muss? Dann kann seine Folgerung kaum daraus bestehen, dass die Schweiz auf jeden Fall mit Yakin an die EM reist.

Denkbar, dass sich Tami noch einmal von Yakin überzeugen lässt. Aber es scheint klar, dass sich der dafür ins Zeug legen muss. Trotz eines Vertrags, der bis Turnierende läuft.

Tami ist der Fachmann, nicht Verbandschef Blanc

Da kann eigentlich auch nicht ins Gewicht fallen, dass Verbandspräsident Dominique Blanc vor ein paar Wochen Yakin im Interview mit CH-Media einen Freifahrtschein für die Endrunde ausgestellt hat: «Wir werden mit ihm an die EM reisen.» Tami ist der Fussballfachmann, nicht Blanc. Es fällt in sein Jobprofil, über den Nationaltrainer zu richten.

Auf SRF erklärt Tami entsprechend, er könne nicht sagen, ob die Schweiz mit Yakin an die EM fahren werde. Später stellt er im Bauch der Bukarester Haupttribüne fest: «Wenn wir eine harte Entscheidung treffen müssen, werden wir das tun. Und wenn wir einen kühlen Kopf bewahren müssen und mit Yakin weiterarbeiten, tun wir das auch.»

Eines aber sagt Tami in dieser kühlen Bukarester Nacht nicht: wo er die aktuellen Probleme der Mannschaft ortet. Das will er zunächst Yakin erzählen.

Aber es wäre nicht das Schweizer Nationalteam, wenn die Protagonisten nicht gleich selbst zumindest kleine Einblicke gewähren würden. Da steht dann zum Beispiel Xherdan Shaqiri hin und sagt zu Granit Xhakas einstiger Aussage, in dieser Gruppe müssten zehn Siege in zehn Spielen das Ziel sein: «Wir Spieler müssen alle mal bodenständiger bleiben und aufpassen, was wir sagen. Wir sind noch immer die kleine Schweiz.»

21.11.2023; Bukarest; Fussball Nationalmannschaft Euro 2024 Qualifikation - Rumaenien - Schweiz, Xherdan Shaqiri (SUI) enttaeuscht 
(Claudio Thoma/freshfocus)

Etwas später pflichtet Yakin bei: «Zu sagen, zehn Spiele, zehn Siege… Wir wussten von Anfang an, dass so eine Aussage ein grosses Risiko beinhaltet.»

Und schliesslich kommt Xhaka selbst und findet: «Was heisst: grosser Anspruch? Wir waren an sechs grossen Turnieren. Dann darf man auch grosse Ansprüche haben. Wenn jemand diese Ansprüche nicht hat, ist das seine Meinung. Aber ich habe diese Ansprüche an mich und an die Mannschaft. Und dabei wird es auch bleiben.»

21.11.2023; Bukarest; Fussball Nationalmannschaft Euro 2024 Qualifikation - Rumaenien - Schweiz, Granit Xhaka (SUI) 
(Claudio Thoma/freshfocus)

Was Shaqiri und Xhaka dann noch übereinstimmend sagen: dass sie gern mit Yakin an die EM gehen würden. «Wir stehen immer hinter dem Trainer», sagt Shaqiri. «Ich bin überzeugt, dass wir weiter mit ihm arbeiten wollen», erklärt Xhaka. Und Yakin selbst freut sich natürlich schon auf die EM-Vorbereitung im März.

Vielleicht stimmt das ja alles. Dass alle in diesem Schweizer Team miteinander nach Deutschland wollen. Bloss ist nicht ganz klar, ob sie die Reise als kleine Schweiz antreten wollen – oder mit grossen Ambitionen. Und wahrscheinlich liegt genau da das Problem.