Kommentar zum ArmeebudgetDie Schweiz verdient einen besseren Plan
Milliarden statt Visionen: Die Diskussion zur nötigen Aufstockung des Armeebudgets offenbart politische Hilflosigkeit.
Plötzlich ist vieles gleichzeitig möglich: Die Schweiz nimmt Zehntausende Flüchtlinge auf. Sie verhandelt die Grundprinzipien der ihr heiligen Neutralität neu. Und sie will die über Jahrzehnte geschrumpfte Armee finanziell massiv stärken.
Asylsystem, Neutralität, Armee – Russlands Einmarsch in die Ukraine führt auch hierzulande zu fundamentalen Verschiebungen politischer Gewissheiten. Die jüngste, vor dem 24. Februar unvorstellbare Entwicklung: Der Nationalrat heisst die Aufstockung des Armeebudgets von 5,6 auf rund 7 Milliarden Franken gut. Das entspricht einem Prozent des Bruttoinlandprodukts.
Die Absicht hinter der Budgeterhöhung ist berechtigt. Sie verdeutlicht, dass die Schweiz angesichts der militärischen Gewalt auf europäischem Boden ihre strategische Risikobeurteilung justiert. Sie trägt zudem der Erkenntnis Rechnung, dass die vergessen geglaubte konventionelle Kriegsführung auch im 21. Jahrhundert eine reale Gefahr darstellt.
Doch die Art und Weise, wie diese Absicht jetzt verhandelt wird, zeugt von politischer Hilflosigkeit. Die Debatte im Nationalrat war geprägt von rückwärtsgewandten rechten Begehrlichkeiten und illusorischen linken Gegenprojekten.
Viola Amherd verkörpert die Summe der substanzlosen Vorschläge.
Die bürgerlichen Befürworter trauern dem eigenen Fehler nach, in den vergangenen 30 Jahren unter linkem Druck Hand zu Budgetkürzungen geboten zu haben. Abseits von Schlagworten fehlt in diesem Lager hingegen ein konkreter Umsetzungsplan, wie die Schweiz in Zukunft sicherheitspolitisch aufgestellt sein soll.
Die linken Gegnerinnen der Budgeterhöhung machen es nicht besser: Sie verfechten die Idee einer Schweiz mit abgespeckter Armee, die auf den bedingungslosen Schutz von Nato und EU zählen darf. Diese Strategie ist nicht redlich. Wollen wir in eine europäische Sicherheitsarchitektur eingebunden sein, müssen wir einen angemessenen Beitrag leisten. Die bestehenden militärischen Mittel möchte die Linke nun auf «realistische Bedrohungen» umlagern – eine geradezu zynisch tönende Lagebeurteilung angesichts des Angriffs auf die Ukraine.
Und die Verteidigungsministerin? Viola Amherd verkörpert die Summe dieser substanzlosen Vorschläge. Sie legt sich jetzt zwar nach längerem Zögern fest, wofür die Armee die Milliarden ausgeben würde. Doch der Plan liest sich als simple Auflistung bereits beschaffungsreifen Materials; es ist eine Aneinanderreihung von Pendenzen, die nun rascher abgearbeitet werden sollen. Sieben Milliarden für einen alten Einkaufszettel? Eine sichere Schweiz braucht mehr Vision und Gestaltungswillen.
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