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Kritik an Bezos, Musk und Co.
Die schmutzigen Geheimnisse des Smartphones

Das Smartphone, der ständige Begleiter: Musikfans im Berner Wankdorf-Stadion. 
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Kate Crawford steht auf der Bühne und zeigt den Käfig, damit es das Publikum schaudert. Das Patent von Amazon aus dem Jahr 2016 auf der Leinwand hinter ihr soll Symbol für die Macht der Maschinen über den Menschen sein: Die Skizze zeigt einen Roboterwagen, auf dem ein menschenhoher Käfig den Lagerhausarbeiter umschliesst, um ihn vor herumschwirrenden voll automatisierten Logistikrobotern zu schützen, die Pakete aus den Regalen holen. Der Mensch als schützenswerter Fremdkörper zwischen Maschinen.

Amazon hat längst erklärt, man habe nie wirklich die Absicht gehabt, einen solchen Käfig zu bauen. Aber als Bild für die Ängste, die die Hochtechnologie der Techkonzerne hervorruft, taugt er für Crawford allemal. Sie forscht an der USC Annenberg in Kalifornien und für Microsoft und ist eine der profiliertesten Kritikerinnen der künstlichen Intelligenz (KI).

In der Berliner Arena-Halle, in deren Mitte sie spricht, versprechen die Stände um sie herum die Zukunft. Auf der grossen Digitalkonferenz Republica warnt die Australierin vor ebenjener Zukunft. An diesem Mittwochabend will sie zeigen, was sich hinter KI und anderen Techprodukten verbirgt. Für Crawford ist es wie schon bei Öl und Diamanten: eine «extraktive» Industrie, die Rohstoffe und Energie aufsaugt, Ödnis hinterlässt und menschliche Körper schindet.

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Auch im Alltag rückt KI immer näher an den Menschen heran. Übersetzungsprogramme wie Deep L, die die Kommunikation mit Austauschstudenten oder ukrainischen Flüchtlingen erleichtern, sowie Google Maps, das den erwarteten Stau zum Beispiel am Samstag um 16 Uhr anhand historischer und aktueller Verkehrsdaten vorhersagt, funktionieren so gut dank Maschinenlernen, einer Unterkategorie der KI.  

Künstliche Intelligenz braucht zuerst einmal viel Energie

KI stellen sich viele Menschen als neutrale Hochglanzroboter oder perfekte, autonome Software vor. KI ist eine Verheissung, im Unsichtbaren das Leben der Menschen einfacher, effizienter, vielleicht gar perfekt zu machen. Crawford recherchiert seit Jahren, welche ökonomischen Zusammenhänge sich hinter den geschlossenen Oberflächen von Amazons Echo-Geräten und Apples iPads verbergen. Es geht ihr zufolge um die Ausbeutung von Rohstoffen, von menschlicher Arbeit und um das Ziel von Jeff Bezos und Elon Musk, höchstpersönlich das Weltall zu erobern: «Steine, Fleisch und Raketen», wie Crawford sagt.

«Künstliche Intelligenz ist weder künstlich noch intelligent.»

Kate Crawford

Das bedeute auch einen Etikettenschwindel. KI stellen sich viele Menschen als neutrale Hochglanzroboter oder perfekte, autonome Software vor, doch: «Künstliche Intelligenz ist weder künstlich noch intelligent», sagt Crawford. Menschen füttern Software mit Daten und etikettieren Millionen von Bildern, damit sie lernen kann. Sie kratzen die Grundstoffe der Technik aus dem Boden. Dem Nutzer aber begegnen nur die Designer-Statussymbole Echo und Tesla Model 3.

Für ihr Buch, den «KI-Atlas», ist Crawford um die Welt gereist, zu den Orten, an denen das System hinter KI sichtbar wird. Sie nimmt die Zuhörer mit zu den indonesischen Arbeitern, die mit Saugröhren Zinn aus dem sandigen Boden ihrer Inseln lösen. Auf afrikanische Müllhalden, auf denen der Elektroschrott brennt. Nach Bolivien, dem Land des Lithiums. Dem Kongo mit seinen Kobaltminen. Nach China als Werkbank der künstlichen Intelligenz. Zur ehemaligen Gold- und Silberstadt Silver Peak in Nevada.

Hier kommt Musk ins Spiel. Ein Tesla braucht mehr als 60 Kilogramm Lithium für seine Batterien, ein Grund, dass Musk eine wichtige Fabrik in Nevada baute, nicht weit von Silver Peak. Mit Crawfords selbst geschossenen Fotos leerer Abschussrampen von Bezos’ Blue-Origin-Raketen hat der Vortrag etwas von einer Diashow, nur dass es nicht um Abenteuergeschichten aus der Wüste geht, sondern um ein unsichtbares wirtschaftliches Ökosystem. Unsichtbar für die Menschen, wenn sie Google Maps sagen, wohin sie möchten, oder mit ihrem Echo sprechen, um über Amazon zu bestellen. Auch die Sprachsoftware der Konzerne frisst Unmengen von Strom.

Amazon-Gründer Jeff Bezos.

Dass zu einer locker dahingesagten Bestellung über Echo viel mehr gehört als ein schön designtes Gadget, illustriert Crawford einmal mehr anhand von Jeff Bezos. Der versicherte seinen Aktionären, ein spezieller Algorithmus für den Schichtplan werde Arbeiter in den Lagerhäusern durch verschiedene Tätigkeiten rotieren lassen, damit nicht immer dieselben Muskelgruppen beansprucht werden. Sie spricht von «Überwachung bis ins Tiefengewebe der Arbeiter».

All das, um Bezos und Musk ihre Jungenträume von der Eroberung des Weltalls zu ermöglichen? Schliesslich ist die Ausbeutung von Rohstoffen im Weltall die nächste Extraktionsdimension. Hier wird es etwas unterkomplex bei Crawford. Dass Bezos von alten Sci-Fi-Romanen so begeistert ist, dass er wie ein brutaler weisser Siedler den Boden ausbeuten und dann mit «phallischen» Raketen die Normalsterblichen auf dem verödeten Planeten zurücklassen will, klingt ebenfalls ziemlich nach Fiction.

Viele Menschen, die hier bei der Republica im Publikum sitzen und ihr zuhören, arbeiten selbst mit KI-Technologie. Ihnen gibt Crawford mit auf den Weg: «Fordert mehr Gerechtigkeit ein in den Systemen, die ihr baut!» Schliesslich wird künstliche Intelligenz nicht allein von Jeff Bezos, sondern von vielen Menschen gemacht.