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Design-Analyse zu Bezos’ Raumschiff
«Der erste Penis im All» oder «der Mercedes unter den Raketen»?

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Jeff Bezos glückt gut eine Woche nach dem britischen Unternehmer Richard Branson der zweite private Weltallflug – und das halbe Internet spricht danach nur über das Design der Rakete namens New Shepard. Sie sei «besonders phallisch», heisst es da, vom «ersten Penis im All» ist die Rede, als «Dick Ship» wird sie bezeichnet, als Penis-Schiff. Etwas sachlicher drückt es der «Guardian» in einem Artikel aus: Dort wird die Form der Rakete als «anthropomorph» beschrieben.

Die New Shepard startet zu ihrem Flug. Auffällig ist die pilzförmige Spitze. 

Das Aussehen der Rakete ist natürlich kein Zufall. Seit 20 Jahren arbeitet Bezos an seinem Weltraum-Projekt Blue Origin, zuletzt hatte er rund eine Milliarde Dollar jährlich in die Entwicklung investiert.

Was also hat den Ausschlag beim Design der New Shepard gegeben?

Holger Wentscher, Leiter des Bereichs Trägerraketen bei der Ruag, ist begeistert von der Rakete. «Hier ist ein schlauer Mann mit einem schlauen Team an der Arbeit.» Wentscher sieht in der New Shepard primär ein Testmodell für die kommenden Stufen des Blue-Origin-Projekts.

Jeff Bezos (mit Hut) jubelt nach dem erfolgreichen ersten Flug. Links neben ihm der jüngste Mensch im All, der Holländer Oliver Daemen, rechts die älteste Frau im All, Wally Funk, Flugpionierin. Ganz rechts: Bezos’ Bruder Mark, der ebenfalls mit an Bord der New Shepard war.

Was hierbei entscheidend ist: Jeff Bezos verfolgt viel grössere Ziele als gelegentliche Touristenflüge ins All. «Er will menschliche Kolonien im Weltraum ermöglichen. Dafür braucht er gute Raketen, die häufig fliegen müssen und voraussichtlich auch wiederverwendbar sein werden. Um das zu testen, hat er nun erst mal diese kleinere Rakete bauen lassen», sagt Wentscher.

Schon nächstes Jahr soll mit der New Glenn das um einiges grössere Nachfolge-Modell zum ersten Flug starten, in der New Shepard seien einige der Grundtechnologien dafür bereits angelegt. So wird die Nachfolge-Rakete auf der zweiten Stufe dasselbe Triebwerk wie die New Shepard verwenden. Klein ist dieses übrigens nicht. Zum Vergleich: Bezos’ Triebwerk habe rund die Hälfte der Schubkraft des Vulcain-Triebwerks der Ariane 5, mit der die Europäische Weltraumorganisation ESA ins All fliegt, erklärt der Experte.

«Bezos hat das ganz schlau gemacht.»

Holger Wentscher, Senior Vice President Ruag

Die schlanke Zylinderform verleiht den Raketen im Aufstieg Stabilität und ermöglicht eine gute Steuerung. Über schwenkbare Triebwerke am unteren Ende sowie zusätzliche Steuerdüsen am Kopfteil sind längliche Raketen leicht lenkbar. Auch der grosse Ring unterhalb der Passagierkapsel dient der Steuerung. Bei einem kugelförmigen Design liessen sich diese Steuerungselemente gar nicht sinnvoll anbringen.

Um bei drei- oder gar vierfacher Überschallgeschwindigkeit durch die Atmosphäre stossen zu können, gelte zudem: «Je dünner, desto besser.» Bloss: Zu lange darf eine Rakete auch nicht werden – zu gross wäre die Bruchgefahr bei den immensen Kräften, die wirken. Es gelte hier, das richtige Gleichgewicht zwischen schlank und stabil zu finden.

Die New Shepard im Flug.
So schwebte die Kapsel mit den vier Space-Touristen über der Erde (Illustration).

Das Auffälligste am Design von Jeff Bezos’ Rakete ist das pilzförmige Kopfteil. Alle Fluggeräte, die mit sehr hoher Geschwindigkeit fliegen, sind vorn an der Spitze zumindest leicht abgerundet. Damit wird verhindert, dass ein sogenannter Staupunkt entsteht, wo sich Luftteilchen so stark erhitzen, dass sie jegliches Material schmelzen würden.

Dass die Bezos-Kapsel so breit abgerundet ist, hat Komfortgründe: Sie bietet die Möglichkeit, grosse Fenster einzubauen. «Bezos hat das ganz schlau gemacht», sagt Wentscher. Die Kuppel verursache zwar mehr Widerstand, wodurch mehr Treibstoff verbraucht werde, und die grossen Fenster führten zu mehr Gewicht. «Aber das bringt alles mehr Komfort für die Passagiere.»

Genug Platz zum Schweben und Rausgucken: Blick ins Innere der New-Shepard-Kapsel.
Verraucht und geköpft steht die Blue-Origin-Rakete nach der erfolgreichen Mission auf dem Landeplatz.

Der Raumfahrtexperte ist überzeugt: Jeff Bezos hat ein starkes Produkt für seine Kundschaft – über die er Teile der Forschung und Entwicklung finanzieren will. Richard Branson scheint hier im Hintertreffen: Der Milliardär ist rund eine Woche vor Jeff Bezos mit seinem Virgin-Galactic-Jet auf 86 Kilometer Höhe geflogen – der Jet hat aber nur kleine Fenster.

Es liegt auf der Hand: Wer bereit ist, mehrere Hunderttausend Franken für einen 10-Minuten-Flug ins All auszugeben, wird auf genug Platz und gute Aussicht auf den Blauen Planeten bestehen. Das Fazit von Holger Wentscher: «Jeff Bezos hat den Mercedes unter den Raketen gebaut.»

Richard Branson war mit einem Jet in den suborbitalen Weltraum vorgestossen. Anders als Bezos’ Rakete ist die Virgin Galactic einzig für Touristenflüge ins All entwickelt worden.

Die New Shepard ist also für Passagiere eine Komfort-Rakete – und für Bezos ein Testmodell, auf das er für seine nächsten Projekte aufbauen kann. Wird die Ruag hier womöglich gar mit an Bord sein? «Wir sind mit Blue Origin in Kontakt. Noch ist es nicht zu einer Zusammenarbeit gekommen, aber ich schliesse es für die Zukunft nicht aus», sagt Wentscher.

Was die Ruag sicher nicht bauen werde: eigene Touristenraketen für Weltallflüge.

Und so tüftelt Bezos mit seinem Team an der nächsten Rakete. Die wird nach ersten Visualisierungen weniger wie ein «Dick Ship» aussehen. Aber sie wird noch viel grösser sein als die New Shepard – man kann also von neuem etwas hineininterpretieren.

Ohne Pilzkopf, dafür grösser: Die New Glenn, Bezos’ nächste Rakete.

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