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Berner Student in Moskau
«Die Russinnen und Russen erwachen in einer neuen Realität»

Der Rubel sank auf ein Rekordtief: Viele Russinnen und Russen befürchten nach Putins Einmarsch negative Konsequenzen auch für sich selber. 
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Auf den ersten Blick geht der Alltag in Moskau weiter. Doch die Stimmung ist bedrückt, viele Menschen stehen unter Schock. Noch vor wenigen Stunden war der russische Grossangriff auf die Ukraine, der jetzt geschieht, für viele undenkbar. «Nein, nein, nein, einen Krieg wird es nicht geben», war sich eine Bekanntschaft am Montag noch sicher. «Eine Invasion der Ukraine werden sie nicht wagen, Russen lieben Ukrainer», versicherte eine andere.

Auch der Bauunternehmer aus dem nördlichen Murmansk, der Stalin lobt und Russen, Ukrainer und Belarussen als «ein Volk» bezeichnet, sagte, er könne sich einen «richtigen» Krieg niemals vorstellen. Die Frage schien die Leute jedoch zu beunruhigen, schnell wechselten sie das Thema. Nun ist es unausweichlich.

Während die Staatsmedien von einem kurzen, erfolgreichen Einsatz sprechen, stehen in Moskau einige Menschen vor Bankfilialen Schlange, weil sie negative Folgen von Putins Invasion im Nachbarland befürchten. Das dürfte auch für diejenigen Russinnen und Russen gelten, die den Angriff als gerechtfertigt erachten.

Vielen, vor allem jungen Menschen, ist das Vorgehen Putins aber komplett zuwider. Sie erzählen von Urlauben in der Ukraine vor dem Konflikt, von Freundinnen, Freunden und Verwandten, und sprechen erbittert über die Propaganda im russischen Fernsehen. Viele posten nun Solidaritätsbekundungen in den sozialen Medien, in Moskau gehört #NetVojne, «Nein zum Krieg», zu den meistverwendeten Hashtags, im Studentenwohnheim fliessen einige Tränen. An diese Menschen hatte sich Wolodimir Selenski, der Präsident der Ukraine, in der Nacht auf Donnerstag in seiner Ansprache gerichtet. In russischer Sprache betonte er die vielen Gemeinsamkeiten und die starken Verbindungen zwischen einfachen Ukrainern und Russen. Selenski rief diese dazu auf, ihre Ablehnung des Kriegs deutlich zu machen.  Ob dies aber ausserhalb von Instagram und Twitter gelingt, ist fraglich.

Unter regierungskritischen Russinnen und Russen ist die Ohnmacht und Hilflosigkeit deutlich spürbar. «Wie sollten wir uns für die Ukraine einsetzen, wenn wir nicht mal für unsere eigenen Rechte auf die Strasse gehen können, ohne im Knast zu landen?», fragt eine Bekannte rhetorisch. Eine Mitstudierende kündigt dennoch an, demonstrieren zu wollen. «Wir sind heute Morgen in einer anderen Realität aufgewacht», schreibt sie. «Eine Realität, für die ich mich unglaublich schäme.»