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Meinung

Kommentar zum Fall Mike Ben Peter
Die Polizei darf nicht unantastbar sein

Im Strafprozess gegen die sechs Lausanner Stadtpolizisten wirkt Staatsanwalt Laurent Maye wie ein Fremdkörper.
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Die Polizei deckt Straftaten auf, die Staatsanwaltschaft klärt Straftaten ab, mithilfe der Polizei. Doch was passiert, wenn Polizisten womöglich selbst ein Verbrechen begangen haben? 

Ein solcher Fall wird aktuell vor dem Lausanner Bezirksgericht verhandelt. Sechs Lausanner Stadtpolizisten wehren sich gegen den Vorwurf der fahrlässigen Tötung. Am 28. Februar 2018 überwältigten sie bei einer Aktion gegen Strassendeals den 39-jährigen Nigerianer Mike Ben Peter. Der dunkelhäutige Mann erlitt bei der Kontrolle einen Herzstillstand, multiple Rippenbrüche und hatte schwere Hämatome an den Genitalien. Er verstarb auf der Intensivstation des Universitätsspitals Lausanne. Was ist passiert?

Genau das müsste der stellvertretende Waadtländer Generalstaatsanwalt den Lausanner Bezirksrichtern mit einer klaren Beweisführung vor Augen führen. Auch aus Respekt vor den Hinterbliebenen. Dabei kommt es auf die Details an. 

Die Witwe des Opfers und ihr Genfer Anwalt müssen die Attitüde des Anklägers als erniedrigend empfinden.

Aber der Ankläger wirkt im Gerichtssaal wie ein Fremdkörper. Zwar hat er die Polizisten wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, vor Gericht wirkt der Vize­generalstaatsanwalt aber geradezu abwesend. So abwesend, dass der Gerichtspräsident dem Staatsanwalt eine Frage stellte und der Staatsanwalt es zu begrüssen schien, dass ihm der Gerichtspräsident gleich auch eine Antwort formulierte.

Die Witwe des verstorbenen Nigerianers und ihr Genfer Anwalt Simon Ntah müssen die Attitüde des Anklägers als erniedrigend empfinden. Sie können sich dabei auf die Schweizer Strafprozessordnung berufen, wo es heisst: «Die Strafbehörden klären von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab. Sie untersuchen die belastenden und entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt.»

Im Gerichtssaal hat faktisch Opferanwalt Simon Ntah die Rolle des Staatsanwalts übernommen. Und es scheint so, als hätte er dies auch schon während der fünf Jahre dauernden Strafuntersuchung getan. Jedenfalls ist es der Genfer Anwalt und nicht der stellvertretende Waadtländer Generalstaatsanwalt, der den Polizisten widersprüchliche Aussagen nachweist. Die Polizisten mussten mitunter eingestehen, dass der Nigerianer sie weder attackiert noch bedroht hatte, sondern dass sie einen «gestikulierenden Afrikaner» antrafen, wie es ein Angeklagter formulierte. Vor Gericht pochten sie dennoch auf ihr Recht, den Nigerianer zum Selbstschutz in Bauchlage am Boden fixiert zu haben, auch wenn dieser längst Handschellen trug.

Die Anklage hinterlässt den Eindruck, als wolle man gar nicht so genau wissen, weshalb Mike Ben Peter gestorben ist.

Der Prozess in Lausanne verdeutlicht die Abhängigkeit der Staatsanwaltschaft von der Polizei, obwohl die Staatsanwälte den Polizisten die Ermittlungsaufträge erteilen. Fehlt aber der Polizei der Antrieb, für die Staatsanwaltschaft Straftaten aufzuklären, fehlen der Staatsanwaltschaft die Mittel, Straftaten vor Gericht zu bringen. Im Fall von Mike Ben Peter schienen Staatsanwaltschaft und Polizei hingegen gleichermassen passiv. Ein Zeuge versicherte dem Gericht, er habe sich selbst bei der Staatsanwaltschaft gemeldet und ein Jahr bis zu seiner Einvernahme warten müssen. Die Polizei habe nicht nach Zeugen gesucht.

Die Anklage hinterlässt vor Gericht den Eindruck, als wolle man gar nicht so genau wissen, weshalb Mike Ben Peter gestorben ist. Das alles untergräbt letztlich die Autorität der Polizei: Wenn die Staatsgewalt glaubwürdig sein soll, darf sie nicht unantastbar sein.