Fast eine Billion Franken investiertDie Nationalbank wehrt sich gegen Forderungen, endlich grün zu werden
Klimaorganisationen demonstrieren an der Generalversammlung für eine aktive Klimapolitik der Schweizer Notenbank. Ökonomen zeigen, wie das gehen könnte.
Drinnen treffen sich die Aktionäre, draussen protestieren die Klimaaktivisten. Anlässlich der Generalversammlung der Schweizerischen Nationalbank forderte am Freitagmorgen ein breites Bündnis verschiedener Klimaorganisationen «eine grüne und gerechte Nationalbank».
Mit «ihrem gigantischen Devisenportfolio, ihren Regulierungskompetenzen und ihren zurückgehaltenen Gewinnen» habe die Nationalbank «einen riesigen Hebel für die notwendige Transition in eine zukunftsfähige Wirtschaft». Doch statt ihre Verantwortung wahrzunehmen, würde sie «mit ihren aktuellen umweltschädlichen Investitionen die Klima- und Biodiversitätskrise aktiv befeuern».
Die wichtigsten Forderungen der Aktivisten: Die Nationalbank soll noch im laufenden Jahr zusammen mit der Finanzmarktaufsicht (Finma) einen Plan mit konkreten Massnahmen erarbeiten, wie sie «proaktiv und effektiv dazu beitragen, die Umsetzung des 1,5-Grad-Pfads bis 2040 und die vollständige Wiederherstellung der Biodiversität bis 2050 zu erreichen». Die Nationalbank müsse ihre Anlagepolitik offenlegen und mit den Klimazielen in Übereinstimmung bringen. Dazu müsse sie aus Investitionen in fossile Energien aussteigen, die Banken nach Klimakriterien regulieren und die Finanzierung von fossilen Energien erschweren.
Ausstieg aus Exxon und Chevron gefordert
Die Nationalbank steht schon länger in der Kritik, weil sie ihre Anlagen passiv verwaltet. Das heisst, sie bildet den Aktienmarkt in seiner Gesamtheit ab und betreibt keine aktive Titelauswahl. Sie schliesst lediglich systemrelevante Banken aus und Unternehmen, die schwerwiegende Verstösse gegen grundlegende Menschenrechte begehen, an der Herstellung international geächteter Waffen beteiligt sind oder systematisch schwere Umweltschäden verursachen. So investiert sie nicht mehr in Aktien und Anleihen von Unternehmen, die hauptsächlich im Kohleabbau tätig sind.
Die Kritik der Umweltschützer entzündet sich vor allem an Ölfirmen wie Exxon oder Chevron, an denen die Nationalbank Ende 2021 mit 985 beziehungsweise 863 Millionen Dollar beteiligt war.
Rüdiger Fahlenbrach und Eric Jondeau, Ökonomen der Universität und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne, haben den CO₂-Fussabdruck des US-Aktienportfolios der Nationalbank untersucht und mit jenen des weltweit grössten Vermögensverwalters Blackrock sowie des norwegischen Staatsfonds verglichen. Letzterer gilt als Vorbild für nachhaltiges Investieren, und Blackrock wirbt damit, Nachhaltigkeit grosszuschreiben.
Nur 89 Firmen verursachen 60 Prozent der Emissionen
Das SNB-Portfolio schneidet ähnlich gut ab wie das von Blackrock. Bei gleicher Grösse verursacht das norwegische Portfolio aber 31 Prozent weniger Kohlenstoffemissionen. Dabei sind nur wenige Unternehmen für einen Grossteil der CO₂-Emissionen des SNB-Portfolios verantwortlich. Im Jahr 2019 machten die 13 Unternehmen mit der höchsten Kohlenstoffintensität nur 1 Prozent des Marktwerts des US-Aktienportfolios aus, verursachten aber 23 Prozent der Emissionen. Mit dem Ausschluss der 89 CO₂-intensivsten Firmen würden fast 60 Prozent der Emissionen entfallen.
SNB-Präsident Thomas Jordan lehnt dies ab. Die Nationalbank habe keinen Auftrag, mit ihrer Vermögensverwaltung selektiv die Entwicklung bestimmter Wirtschaftssektoren zu beeinflussen, also Strukturpolitik zu betreiben.
Der Ausschluss der 13 umweltschädlichsten Unternehmen könnte zu einer Verringerung der Kohlenstoffemissionen um 22 Prozent führen.
Deshalb haben Fahlenbrach und Jondeau eine Variante berechnet, die mit dem Mandat der Nationalbank konform wäre: Bei dieser Strategie würde die SNB die Unternehmen mit der höchsten CO₂-Intensität ausschliessen und das Geld in die Unternehmen mit der niedrigsten Intensität im selben Sektor reinvestieren.
Der Ausschluss der 13 umweltschädlichsten Unternehmen würde so zu einer Verringerung der Kohlenstoffemissionen um 22 Prozent führen, der Ausschluss der 89 schlechtesten Firmen sogar zu einer CO₂-Reduktion um mehr als die Hälfte. Auf die Performance hätte dies keine nennenswerte Auswirkung, die Kosten für die Umsetzung der Strategie wären gering.
Ausschlussstrategien können kontraproduktiv sein
Allerdings: Mit dieser Strategie verbessert sich bloss der CO₂-Fussabdruck des SNB-Portfolios. An den Emissionen der Firmen ändert sich nichts, wenn nur ihre Aktien in andere Hände übergehen.
So argumentiert auch Thomas Jordan. Unterstützung erhält er darin von seinem früheren Direktoriumskollegen Jean-Pierre Danthine, heute Geschäftsführer des Nachhaltigkeits-Forschungszentrums Enterprise for Society (E4S), das der Universität Lausanne, der Wirtschaftshochschule IMD und der technischen Hochschule EPFL angeschlossen ist. Danthine hat zusammen mit der Ökonomin Florence Hugard die Wirksamkeit verschiedener Investorstrategien untersucht.
Wesentlich wirksamer für das Klima sind Strategien, bei denen die Investoren aktiv Einfluss auf das Management ausüben.
Die Klimawirkung von Ausschlussstrategien ist demnach sehr begrenzt und kann gar kontraproduktiv sein, wenn diese Investitionen in Prozessverbesserungen oder kohlenstoffarme Technologien behindern. Es ist auch nicht einfach, Wertpapiere eindeutig als klimafreundlich oder klimaschädlich einzustufen. Finanziert zum Beispiel eine Ölfirma mit einer Anleihe Projekte zur Reduktion von CO₂-Emissionen, ist das gut für das Klima. Würde die Schweiz als Überbrückungslösung Gaswerke bauen, wäre es seltsam, die Erbauer oder Betreiberfirmen aus dem Anlageuniversum auszuschliessen.
Wesentlich wirksamer für das Klima sind Strategien, bei denen die Investoren aktiv Einfluss auf das Management ausüben. Dazu bräuchte die Nationalbank allerdings ein neues Mandat, und der Aufwand zur Bewirtschaftung des Portfolios wäre deutlich teurer.
Drinnen im Kursaal in Bern erteilte die Nationalbank den Klimademonstranten vor dem Gebäude denn auch eine klare Absage. Die Nationalbank habe «keine legale und legitime Grundlage für Entscheidungen zugunsten solcher Anliegen», sagte die Präsidentin des Bankrats, Barbara Janom Steiner, in ihrer Rede.
Eine Ausweitung ihres Mandats «würde die Erfüllung ihres Auftrags, eine Geldpolitik im Gesamtinteresse des Landes zu führen, gravierend gefährden», warnte sie, «vor allem aber würde es der Nationalbank unnötig erschwert oder gar verunmöglicht, ihr eigentliches Mandat zu erfüllen, nämlich für Preisstabilität zu sorgen und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen». Der Beitrag, den die Nationalbank beim Kampf gegen den Klimawandel leisten könne, werde zudem «massiv überschätzt».
Doch das Dilemma bleibt. Mit ihrer riesigen Bilanz weckt die SNB unweigerlich Begehrlichkeiten. Der Druck aus der Politik wird anhalten. Am Samstag wollen die Klimaorganisationen vor dem Hauptsitz der SNB in Zürich eine «Volksversammlung» abhalten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
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