Anschuldigung gegen die SchweizDie Nationalbank gerät in den Schwitzkasten der USA
Die Schweiz wird wohl in einem neuen Bericht des US-Finanzministeriums als Währungsmanipulator aufgeführt. Welche Folgen das hat – und warum die Biden-Regierung keine Entlastung bringt.
Am Donnerstag wird das dreiköpfige Präsidium der Schweizerischen Nationalbank unter Thomas Jordan zum letzten Mal in diesem Jahr über seine Geldpolitik berichten. Auch wenn sie dazu vermutlich kaum viel sagen werden, stehen Jordan und sein Institut unter Druck der USA. In einem anstehenden Bericht des US-Finanzministeriums wird die Schweiz mit grosser Wahrscheinlichkeit als «unfairer Währungsmanipulator» bezeichnet werden. Im schlimmsten Fall drohen dann Zölle auf Schweizer Produkten. Der Reihe nach:
Warum Währungsmanipulator?
Als Währungsmanipulator bezeichnet der gewöhnlich halbjährlich erscheinende Bericht des Ministeriums ein Land, das drei Kriterien erfüllt: erstens einen Überschuss von mindestens 20 Milliarden Dollar im Warenhandel mit den USA. Zweitens einen Leistungsbilanzüberschuss gegenüber der Welt von mindestens 2 Prozent. Und drittens: wenn die Notenbank des Landes innert eines halben Jahres in einem Ausmass von mehr als 2 Prozent des eigenen Bruttoinlandprodukts an den Devisenmärkten interveniert, um den eigenen Währungswert zu beeinflussen.
Die Schweiz übertrifft im laufenden Jahr die drei Kriterien deutlich. Mit Verweis auf anonyme Quellen hat die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, dass die Schweiz im nächsten Bericht denn auch als Währungsmanipulator bezeichnet werde. Dieser wird in den nächsten Tagen oder Wochen erwartet, hätte aber schon längst veröffentlicht sein müssen.
Bereits im letzten Bericht vom Januar steht die Schweiz neben anderen Ländern «unter Beobachtung». Noch nie hat der Bericht bisher aber ein Land als Währungsmanipulator gebrandmarkt. Dass die Nationalbank in den letzten Wochen keine Devisenkäufe mehr vorgenommen hat, dürfte wenig helfen.
Was droht der Schweiz?
Im schlimmsten Fall drohen Zölle auf Schweizer Exportprodukte in die USA. Das zeigt das Beispiel von Vietnam. Der südostasiatische Staat steht wie die Schweiz gemäss dem letzten Bericht des Finanzministeriums der USA unter Beobachtung.
Einer anderen US-Behörde, dem Handelsministerium, hat allein das gereicht, um Anfang November auf Betreiben von US-Unternehmen Zölle gegen vietnamesische Produkte zu erwirken. Die Begründung: Die vietnamesische Währung werde künstlich zu tief gehalten, was einer Subvention auf vietnamesischen Produkten gleichkomme.
Wird daher die Schweiz offiziell als Währungsmanipulator bezeichnet, dürfte das einer Einladung an US-Konkurrenten von Schweizer Firmen gleichkommen, ebenfalls Gegenmassnahmen zu fordern.
Grossinvestoren könnten auf eine Aufwertung des Frankens spekulieren.
Weiter könnte der Druck aus den USA zur Folge haben, dass die Nationalbank an den internationalen Währungsmärkten als eingeschränkt handlungsfähig erscheint. In diesem Fall droht, dass Grossinvestoren vermehrt auf eine Aufwertung des Frankens und gegen die Nationalbank spekulieren.
Aus deren Zentrale heisst es dazu, an Devisenmarktinterventionen im Bedarfsfall weiter festhalten zu wollen. Schliesslich dürfte es der Schweiz noch schwerer als bisher fallen, mit den USA ein von ihr schon seit längerem gewünschtes Freihandelsabkommen zu vereinbaren.
Was treibt die USA an?
Sollten die USA nichts tun, obwohl die Schweiz alle US-Kriterien eines Währungsmanipulators erfüllt, wird der Bericht zahnlos. Das hat aktuell vor allem mit Blick auf die Europäer Bedeutung. Der Euro notiert zum Dollar auf dem höchsten Stand seit dem Frühjahr 2018, was für die durch das Coronavirus geschwächte und stark von Exporten abhängige Eurozone zu einem wachsenden Problem wird.
Die USA haben deshalb jedes Interesse, den Europäern zu signalisieren – auch durch ein Vorgehen gegen die Schweiz –, dass sie eine gezielte Schwächung der Währung zum Nachteil von US-Konkurrenten nicht tolerieren würden.
Was nützt Trumps Abwahl?
Die Berichte des US-Finanzministeriums und die darin enthaltenen Kriterien sind keine Folge des Protektionismus von Donald Trump und gehen auf die Zeit vor seiner Präsidentschaft zurück. Schon deshalb ist nicht zu erwarten, dass der neue Präsident Joe Biden eine deutlich grössere Zurückhaltung zeigen wird.
Das gilt umso mehr, als sich Biden ohnehin schon gegen den Vorwurf des Trump-Lagers behaupten muss, zu wenig gegen unfaires Verhalten von US-Konkurrenten zu tun.
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