Interview mit Martin Ebner«Die Menschen möchten wieder reisen»
Helvetic Airways hat in der Pandemie neue Jets gekauft. Jetzt stehen sie bereit. Der Eigentümer Martin Ebner ist zuversichtlich, dass das Fluggeschäft bald anzieht. Wenn der Krieg nicht weiter eskaliert.
In Europa ist ein Krieg ausgebrochen. Was macht das mit Ihnen?
Martin Ebner: Der Krieg in der Ukraine beschäftigt mich stark. Menschenleben gelten plötzlich nichts mehr. Das macht mich sehr traurig. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass so etwas in Europa passieren kann. Bei der Corona-Seuche wusste man: In wenigen Jahren kommen wir da wieder raus. Bei diesem Krieg hingegen bin ich mir nicht so sicher.
Welche Auswirkungen hat der Krieg aufs Fluggeschäft?
Ich möchte keine Prognose wagen. Wenn der Krieg eskaliert, wird auch nicht mehr geflogen. Bleibt er hingegen aufs jetzige Gebiet begrenzt, dürfte die touristische Fliegerei nicht massgeblich beeinträchtigt werden.
Dann reisen wir wieder wie vor der Pandemie?
Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Während der Pandemie mussten wir verzichten. Jetzt aber möchten viele Menschen wieder reisen. In den letzten Jahren konnten sie auch Geld sparen. Ich rechne deshalb damit, dass – sofern der Krieg rasch beigelegt werden kann – in der nächsten Zeit sogar mehr gereist wird als vor der Pandemie.
In der Geschäftswelt wird man sich vermutlich vermehrt mit Videokonferenzen behelfen.
Auch die Geschäftsleute werden wieder fliegen. Zumindest auf der Mittelstrecke: Sie können am Morgen abreisen – und sind am Abend wieder zu Hause. In der Zwischenzeit führen Sie Gespräche. Richtige Gespräche. Eine Videokonferenz kann das direkte Gespräch nie ersetzen. Man spart viel Zeit, wenn man persönlich verhandelt. Und damit auch viel Geld.
«Bei der Corona-Seuche wusste man: In wenigen Jahren kommen wir da wieder raus. Bei diesem Krieg hingegen bin ich mir nicht so sicher.»
Dafür dürften die Preise fürs Fliegen steigen.
Vielleicht ein bisschen. Das Kerosin ist derzeit sehr teuer. Andererseits stehen viele Flugzeuge zur Verfügung. Ob es aber sinnvoll ist, dass man ältere Flieger wieder einsetzt, ist eine andere Frage. Ich bin überzeugt, dass wir unsere Flugzeuge genau zum richtigen Zeitpunkt ersetzen konnten.
Weshalb haben Sie in solch unsicheren Zeiten zwölf neue Flugzeuge gekauft?
Die Erneuerung unserer Flotte war schon lange geplant. Wir haben den Kauf trotz der Pandemie durchgezogen. Wenn ein Flugzeug bereitstand, haben wir stets sofort bezahlt. Beim Hersteller Embraer, der schwierige Zeiten durchgemacht hat, schätzt man unsere Zuverlässigkeit sehr.
Nicht nur die Pandemie machte dem brasilianischen Flugzeughersteller Embraer zu schaffen. Auch die geplante Übernahme durch den US-Giganten Boeing ist geplatzt. Bereiteten Ihnen die Turbulenzen mitten im Grossgeschäft Kopfzerbrechen?
Diese Zeit war zugegebenermassen sehr schwierig. Nachträglich sind wir aber rundum zufrieden. Wir durften die Produktion der Flugzeuge sehr eng begleiten und unsere Wünsche einbringen. Ich bin begeistert vom neuen Flugzeug.
Begeistert ist offensichtlich auch Brasilien: Der Botschafter hat Sie heute mit einem Orden ausgezeichnet. Was bedeutet er Ihnen?
Es macht mich stolz, wenn das beste brasilianische Unternehmen so zufrieden ist mit uns. Und es freut mich, dass die brasilianische Regierung dies wahrnimmt. Wir haben mit Embraer eine wirklich gute Partnerschaft aufgebaut. Der Orden gehört auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Helvetic. Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung.
Weshalb kaufen Sie Flugzeuge, wenn Sie diese auch mieten könnten?
Vor rund zwölf Jahren brach in Island der Vulkan Eyjafjallajökull aus. Der Flugverkehr musste wegen der Asche eingestellt werden. Damals beschloss ich, in Zukunft möglichst wenige Flugzeuge zu mieten. Denn beim Leasing fallen in einem solchen Fall weiterhin hohe Kosten an – auch wenn nicht geflogen werden kann. In der Pandemie konnten wir die Flugzeuge stehen lassen, ohne dass es finanziell bedrohlich wurde. Viele Fluggesellschaften, die vor der Pandemie stark aufs Leasing setzten, gibt es heute nicht mehr.
Was gefällt Ihnen am neuen Flugzeug?
Fast alles. Das Modell E190 E2 verursacht weitaus weniger Lärm als vergleichbare Flugzeuge. Das ist mir wichtig – ich bin selber sehr lärmempfindlich. Zudem verbraucht der Jet vergleichsweise wenig Kerosin. Ich persönlich finde ihn auch äusserlich sehr elegant. Und ich liebe es, beim Fliegen durch die grossen Fenster zu schauen.
Wie ist Helvetic durch die Pandemie gesteuert?
Wir konnten bloss wenig fliegen. Däumchen gedreht haben wir aber nicht. Wir bauten die Möglichkeiten hier im Hangar aus: Nun können wir auch komplexe Wartungsarbeiten selbstständig durchführen. Damit wird Helvetic flexibler und unabhängig von Drittparteien. Zudem haben wir das IT-System des Unternehmens erneuert und setzen nun eine Cloud-Lösung ein. Die Schulungen wurden intensiviert – für die Piloten wie auch das Kabinenpersonal. Deshalb sind wir heute weitaus besser aufgestellt als noch vor der Pandemie. Die Qualität stimmt. Ich habe ein gutes Gefühl.
Haben Sie während der Pandemie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen?
Gleich zu Beginn der Krise haben wir ein geleastes Flugzeug zurückgegeben. Für ein Flugzeug benötigt man zehn Piloten. Von diesen haben wir uns getrennt. Und beim Kabinenpersonal haben wir Abgänge nicht ersetzt.
Zu Beginn der Pandemie war die Lage dramatisch: Der Flugverkehr stand praktisch still. Und die Kunden forderten ihr Geld zurück.
Wir haben alles zurückzahlen können, was wir den Leuten schuldig waren. Andere hatten mehr Mühe. Die Lufthansa etwa war ihren Kunden mehrere Milliarden Euro schuldig, weil sie ihre Flüge nicht durchführen konnte. Der damalige Swiss-Geschäftsführer Thomas Klühr war in einer sehr ungemütlichen Situation. Die Entscheidungswege beim Lufthansa-Konzern waren unbegreiflich lang. Ohne Zusagen des Mutterkonzerns konnte aber die Eidgenossenschaft die Notkredite nicht sprechen.
Wie haben Sie reagiert?
Wir haben damals à fonds perdu auf Gelder verzichtet, die uns gemäss Vertrag für die geplanten Flüge im Auftrag der Swiss zugestanden wären. Thomas Klühr ist ein hochanständiger Mensch. Er steckte in einer wirklich schwierigen Situation: Er kam nicht an das nötige Geld heran. Ich wollte das Möglichste tun, um ihm zu helfen.
Honoriert wurde das nicht. Wenig später durfte Helvetic der Swiss nur noch vier statt wie abgemacht acht Flugzeuge zur Verfügung stellen.
Das tat sehr weh. Denn in der Zwischenzeit war die Situation eine ganz andere: Liquidität stand in Hülle und Fülle zur Verfügung. Dass die Swiss damals entschieden hat, nur die Hälfte der vertraglich vereinbarten Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, ist unverständlich für mich. Bis zum heutigen Tag.
Gingen Sie juristisch dagegen vor, dass die Swiss den Vertrag nicht eingehalten hat?
Nein, wir gingen nie juristisch gegen die Swiss vor. Mehr sage ich nicht dazu.
Im nächsten Sommer wird Helvetic wieder mit mindestens sechs Flugzeugen für die Swiss fliegen.
Das ist korrekt. Unser Geschäftsführer Tobias Pogorevc hat alles ausgebügelt. Die Swiss und Helvetic arbeiten wieder partnerschaftlich zusammen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.