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Meinung

Gastkommentar zur Europapolitik
Die EU und die Schweiz – beide haben Fehler gemacht

Zwei, die sich nicht verstehen: Bundespräsident Guy Parmelin, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel.
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Natürlich ist die Schweiz ein wohlhabendes Land, ein Erfolgsmodell – und das seit langer Zeit. Aber auch an der Schweiz gehen die Digitalisierung, die rasanten Veränderungen und Rupturen in der Wirtschaft nicht spurlos vorbei. Schweizer Champions sind seltener geworden; Innovation und Erneuerung brauchen Austausch und so wenig Hindernisse wie möglich.

Genau darum ist der Verhandlungsabbruch für mich schwer zu verstehen. Es gibt einen guten Grund, warum die Schweiz 120 bilaterale Abkommen mit der EU geschlossen hat. Die überwältigende Bedeutung des Handels zwischen der EU und der Schweiz für beide Seiten muss hier nicht erneut betont werden.

Sicher, die Schweiz nannte gewichtig klingende Gründe, die Gespräche über ein Rahmenabkommen mit der EU nicht fortzuführen: Migrations- und Lohnpolitik, Staatsbeihilfen, Schutz der schweizerischen Sozialsysteme. Das hört sich sinnvoll an. Warum sollte die Schweiz ein Rahmenabkommen eingehen, das in wesentlichen Feldern Nachteile für das soziale und politische Gefüge der Eidgenossenschaft bedeuten würde?

Aber globale Megatrends zeigen auf, wie sehr die Schweiz auf europäische Kooperation angewiesen ist: Das Gebaren Russlands, der Aufstieg Chinas, die Energiewende, das Stoppen des Klimawandels, die Stärkung des internationalen Wertesystems – das sind die Themen, bei denen zwischen die EU und die Schweiz kein Blatt passen sollte. Die technokratische Frage der Legitimität von Staatsbeihilfen – so wichtig sie ist – darf da nicht im Weg stehen.

Die EU hat die Fehler aus den Brexit-Verhandlungen mit David Cameron wiederholt.

Aussenminister Cassis hat recht, wenn er sagt, dass eine Einigung einen «grossen Kompromiss» erfordert hätte. Einige Hardliner in der schweizerischen Verwaltung waren dazu nicht bereit, genauso wenig, wie die EU-Kommission zu einer Aufweichung ihrer Standpunkte bereit war. Der Bundesrat hätte das Risiko eingehen sollen, für das Abkommen zu werben. Die Reaktionen aus den schweizerischen Grenzregionen zeigen, dass Menschen bereit gewesen wären, für dieses Abkommen zu kämpfen. Nicht jedes Gebell der SVP darf honoriert werden.

Allerdings hat nicht nur die Schweiz Fehler gemacht. Neben der unsinnigen Drohung, keine bilateralen Abkommen mehr zu verhandeln oder abzuschliessen, muss die EU sich fragen, warum sich nach den Briten schon wieder ein natürlicher Verbündeter vom europäischen Projekt entfernt.

Ich verstehe den Wunsch der EU, in Verhandlungen kohärent gegenüber Drittstaaten aufzutreten. Aber die EU hat Fehler aus den Brexit-Verhandlungen mit David Cameron wiederholt. Die EU stärkte die Position der SVP, wie sie die Brexit-freundlichen Teile der Tories aufgepäppelt hat, indem sie die Auseinandersetzung mit den Argumenten der Verhandlungspartner scheute. Aber diese Argumente waren da, und sie waren eben mehr als Lügen und Rechtspopulismus. Das heisst nicht, dass die schweizerische Entscheidung richtig war, aber die EU muss Verhandlungen auf Augenhöhe ermöglichen, um die Beziehungen zu so essenziell wichtigen Drittstaaten wie der Schweiz nicht zu beschädigen.

Nur weil das Abkommen gescheitert ist, muss man nicht das ganze Spielbrett umwerfen.

Die EU hat recht, wenn sie sagt, dass die bilateralen Abkommen mit der Entwicklung des Handels nicht mehr Schritt halten. Die Auswirkungen des Scheiterns der Gespräche sind sofort spürbar, ein Abkommen zur Anerkennung schweizerischer Medizingeräte lief schon aus. Weitere werden in den nächsten Jahren folgen.

Aber die Argumentation der EU, keine weiteren Abkommen abschliessen zu wollen, folgt einer verqueren Logik. Nur weil das Abkommen gescheitert ist, muss man nicht das ganze Spielbrett umwerfen. Das positive Zeichen der Schweiz zur Unterstützung für neuere EU-Mitglieder sollte konstruktiv aufgenommen werden. Ein Rahmenabkommen wäre die bestmögliche Lösung für beide Seiten gewesen – nun gilt es, eine zweitbeste Lösung zu finden, denn die gemeinsamen Herausforderungen sind gross.