Wahlen in DeutschlandDie Christdemokraten färben sich grün
Armin Laschet verspricht Klimaneutralität bis 2045, ohne dem Einzelnen viel zuzumuten. Viel Distanz zu den Grünen legt der Kanzlerkandidat der Union dafür in der Sozialpolitik.
97 Tage vor der Bundestagswahl hat am Montag die regierende Christlich Demokratische Union als letzte Partei ihr Programm vorgestellt. CSU-Chef Markus Söder lobte dabei demonstrativ seinen CDU-Kollegen Armin Laschet, mit dem er noch vor zwei Monaten erbittert um die Kanzlerkandidatur gekämpft hatte. «Der Höhenflug der Grünen ist vorbei», meinte Söder. Man könne «grüne Politik auch ohne die Grünen machen» – das sei ausdrücklich auch Laschets Verdienst.
Der Gelobte präsentierte das 140-seitige Programm von CDU und CSU mit den Worten, er strebe für die Zukunft «Stabilität und Erneuerung» an: Deutschland brauche einen «Modernisierungsschub», zudem wolle man es in ein «klimaneutrales Industrieland» verwandeln. Modernisierung erfordere nicht nur umfassende Digitalisierung, sondern auch günstige Bedingungen für die Wirtschaft und ein Programm, das diese von der überbordenden Bürokratie befreie.
Armin Laschet will Klimaschutz mit wirtschaftlicher Stärke und sozialer Sicherheit verbinden.
Um nach der Pandemie schnell wieder zu wachsen, dürfe man die Unternehmen jetzt nicht durch neue Auflagen und Steuern belasten, wie es Grüne, Sozialdemokraten oder Linkspartei planten, sagte Laschet. Zugleich dürften auch die Christdemokraten die soziale Frage nicht aus den Augen verlieren. Es gehe darum, Klimaschutz mit wirtschaftlicher Stärke und sozialer Sicherheit zu verbinden. Gelinge das nicht, «wird unsere Gesellschaft über dieser Frage zerbrechen».
Laschet steht zum ehrgeizigen Ziel, das die scheidende Kanzlerin Angela Merkel vor einigen Wochen noch ausgegeben hat: Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. Erreichen will die Union das vor allem durch Innovationen und Technologie – nicht durch Verbote.
Söder stellte die gemeinsame Politik unter das Schlagwort «Green Deal statt No Deal». Die Grünen wollten Verbrennermotoren oder Inlandflüge verbieten, möglichst keine Strassen mehr bauen, auf Autobahnen dafür ein Tempolimit einführen. CDU und CSU seien gegen solche Verbote und Auflagen. Den Verkehr oder die Industrie wolle man lieber dank neuer Kraftstoffe klimafreundlicher gestalten. Weiterhin wolle man auch «die besten Autos der Welt bauen – und zwar mit allen Antriebsformen».
Um den Ausstoss von CO2 zu verringern, soll der Emissionshandel europaweit auf alle Sektoren ausgedehnt werden. Steigende CO2-Preise dürften Autofahren oder Heizen künftig erheblich verteuern. Wie heikel das politisch ist, weiss auch Laschet.
Um zu grosse Belastungen der Einzelnen zu vermeiden, werde man deswegen das Geld, das man dank höherer CO2-Preise einnehme, künftig in vollem Umfang an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben – vor allem in Form sinkender Strompreise. Die Grünen planen eine ähnliche Entlastung: Sie wollen die Einnahmen in Form eines «Energiegeldes» pro Kopf zurückerstatten.
Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen, hält Laschets Programm für «mutlos und unsozial».
Die Klimapläne der Union nannte Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock am Montag dennoch «mutlos und unsozial». Zieht man die Wahlkampfrhetorik ab, könnten Christdemokraten und Grüne, gemäss Umfragen derzeit die beiden stärksten Parteien, nach der Bundestagswahl in der Klimapolitik aber durchaus zusammenkommen.
Schwieriger wäre das in der Sozial- und Finanzpolitik. Die Union schliesst grüne Wünsche wie höhere Steuern für Vermögende und Vielverdiener ebenso aus wie eine Aufweichung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. In der Union erwartet man aber, dass den Grünen eine ambitionierte Klimapolitik am Ende wichtiger sein dürfte als ein Ausbau des Sozialstaats über höhere Steuern und Schulden.
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