Gastbeitrag zum Putsch in Niger Die Bevölkerung in Niger braucht jetzt Unterstützung
Auf den Putsch in Niger antworteten viele Staaten mit Sanktionen. Doch diese treffen die Falschen: die Not leidenden Menschen im ärmsten Land der Welt.
Niger steht vor gewaltigen Herausforderungen. Die Menschen leiden bereits seit Jahren unter der Sicherheitskrise in weiten Teilen des Landes und der schwierigen Ernährungslage. Die vom Ukraine-Krieg ausgelöste Inflation hat die Situation verschlimmert, und nun kommt die Regierungskrise noch dazu.
Als Reaktion auf den Putsch wurden sehr schnell Sanktionen gegen Niger verhängt. Die Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (Ecowas) beschloss in einer Sondersitzung, die Grenzen aller Mitgliedsstaaten für Niger zu schliessen, obwohl unser Land und seine Bevölkerung hauptsächlich auf den Import der Grundnahrungsmittel angewiesen sind. Auch die Finanztransaktionen wurden ausgesetzt, einschliesslich Erdölprodukte, Strom, Waren und Dienstleistungen.
Leider erhöhen diese Sanktionen in erster Linie die Not der Menschen, obwohl sie bereits sehr geschwächt sind. Niger liegt in der Sahelzone und ist das ärmste Land der Welt. Der Klimawandel führt jedes Jahr zu Ernährungskrisen mit Dürren in einigen Gebieten und Überschwemmungen in anderen.
Seit Einführung der Sanktionen sind die Preise explodiert. In nur wenigen Tagen ist der Preis für einen Sack Reis von 10’500 auf 13’000 CFA-Franc gestiegen, was 24 Prozent Inflation bedeutet. Schlimmer noch: Viele NGOs erwägen die Einstellung ihrer Projekte, weil die Geldgeber nicht mehr bezahlen. Dabei ist unser Land von dieser Unterstützung abhängig, denn sie baut in der Bevölkerung Resilienz gegenüber den Sicherheitsdefiziten und der Klimakrise auf.
Die Schweiz darf als langjähriger und wichtiger Partner unter keinen Umständen dem Beispiel anderer Länder folgen.
Das bedeutet für die Menschen vor Ort: Der Zugang zu Nahrung wird extrem schwierig. In einigen Orten, wo Swissaid tätig ist, erleben wir eine lang anhaltende Dürre in Verbindung mit starken Regenfällen. Die Bauern befürchten Ernteausfälle, wie auch schon im letzten Jahr. 2022 waren über vier Millionen Menschen von dieser Mangel- und Unterernährung betroffen, dieses Jahr dürften es mindestens drei Millionen sein. Hinzu kommt, dass aufgrund einer lang anhaltenden Dürre in der zweiten Julihälfte ein besorgniserregender Trend zum Verlust der diesjährigen Ernte zu beobachten ist.
Die Menschen fühlen sich im Stich gelassen und verstehen das radikale Verhalten der internationalen Gemeinschaft nicht, in einem Land, in dem manche Familien mit weniger als einem Schweizer Franken pro Tag auskommen müssen! Die Rückführung von Expats in ihre Heimatländer versetzt der Bevölkerung – sie ist bekannt für ihre legendäre Gastfreundschaft – einen emotionalen Schock. Die Schweiz darf als langjähriger und wichtiger Partner unter keinen Umständen dem Beispiel anderer Länder folgen. Die Folgen für die Bevölkerung wären katastrophal.
Wir fühlen uns verpflichtet und entschlossen, die Not leidende Bevölkerung zu unterstützen. Gerade jetzt braucht es uns. Swissaid unterstützt in Niger seit vielen Jahren Bauernfamilien mit Agrarökologie und stärkt die Frauen in ihren Rechten. Zusätzlich braucht es jetzt Nothilfe: Im August versorgen wir in den Regionen Dosso und Tillabéry mehr als 1000 Familien mit Lebensmittelpaketen, die Nahrungsmittel wie Hirse, Reis, Öl und Salz enthalten. Die Familien werden auch mit Gutscheinen im Wert von 100 Schweizer Franken unterstützt, damit sie sich auf dem lokalen Markt mit Grundnahrungsmitteln eindecken können. So kann auch in diesem schwierigen Moment zumindest ein Minimum ihrer Bedürfnisse zum Leben gedeckt werden – in der Hoffnung, dass die lokale Wirtschaft in den Dörfern weiter funktionieren wird.
Mahamane Rabilou Abdou ist Leiter des Swissaid-Büros in Niger.
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