Mamablog: Eltern im AusgangDie beste Version von dir kriegen immer die anderen
Die Kinder werden grösser und plötzlich sind alte Freiheiten zurück. Das sollte die Beziehung beflügeln, dachte unsere Autorin. Tut es auch – aber nicht nur.
Plötzlich ist sie wieder da. Die Freiheit, von der wir dachten, sie sei in den stinkenden Windeln erstickt oder aufgrund chronischer Müdigkeit abgestorben. Gefühlt von heute auf morgen ist (fast) alles irgendwie möglich, man muss sich nur organisieren. Auch Energie und Lust, das auszunutzen, sind zurück. Budgetiertes Babysittergeld kann anders eingesetzt werden. Etwa für einen Gin Tonic mehr. Was tun mit der neuen Freiheit? Erst mal überborden ist nicht die dümmste Idee. Das Pendel in die andere Richtung ausschlagen lassen und dann eine gute Mitte finden, ist eine uns vertraute Strategie. So nach dem Motto: Wenn ich alles ausprobiert habe, weiss ich, was ich nicht mehr will.
Bierfahne und Late-Night-Chiliwurst im Bett
Es ist schön, wieder entspannter zu werden. Jahrelang habe ich herumgenörgelt, weil es dreckig und puffig war. Jedes Büechli und Brösmeli am Boden hat mich genervt. Jetzt siehts bei uns öfter aus wie Sau, weil selbst ich Besseres zu tun habe. Wenn die Kinder finden, das WC sollte mal wieder geputzt werden, wissen wir, dass es längst Zwölf geschlagen hat. Es ist schön, wegzugehen und zu wissen, dass der andere Elternteil nicht in Elend und Chaos versinken wird. Dass zu 99 Prozent kein Kind erwacht und das Zubettgehen bestens klappt. Wenn alle Stricke reissen, haben wir noch den Fernseher. Es ist schön, dass wir die Kinder allein lassen können und sie es in den allermeisten Fällen super machen. Schön und verlockend. Plötzlich braucht es die Disziplin, zu Hause zu bleiben, obwohl wir nicht müssten. Nicht jede Gelegenheit zu nutzen. Uns für etwas zu entscheiden, obwohl wir beides und noch mehr könnten.
Schön, ist die Version eines Menschen, die wir vermisst haben, wieder da. Aber was habe ich davon?
Von dieser Phase hätte ich erwartet, dass sie unsere Beziehung beflügelt. Das tut sie auch. Aber nicht nur. Einst haben wir noch sogenannte Date Nights eingeplant, damit wir uns mal wieder was Anständiges anziehen und Erwachsenenkram machen und die Leidenschaft nicht vor die Hunde geht. Jetzt müssen wir schauen, dass wir zwischendurch mal einfach rumhängen. Und dass wir uns sehen. Nicht nur bei der Stabübergabe. Sogar, wenn wir am gleichen Anlass sind.
Nach mehr als sieben mageren Jahren ist es natürlich, dass wir die Rückkehr ins Sozialleben, so wie wir es von früher kennen, geniessen und auskosten. Wenn ich jedoch von der wiedergeborenen spassigen Version nur noch die Bierfahne im Bett kriege und die Late-Night-Chiliwurst, die sich durch alle Poren in die Freiheit kämpft, – wenn er die gut gelaunte, hübsch gemachte Version noch mit einem Küsschen verabschieden oder von weitem beim Herumwuseln beobachten darf, kommt vielleicht Frust auf. Und Eifersucht. Auf die, welche die Version eines Menschen kriegen, die wir auch vermisst haben. Schön, ist sie wieder da. Aber was habe ich davon?
Die besten aller Komplimente
Nachdem wir uns also wie pubertierende Teenager kopflos ins Abenteuer gestürzt und es genossen haben, kümmern wir uns jetzt darum, dass die Familie auch noch in den Genuss kommt. Wichtigste Regel, dass es gelingt: Smart-Geräte aus! Zweite wichtige Regel: Mutig sein und die Liebsten nicht unterschätzen. Zwischendurch mal den gedachten Spruch auch raushauen, statt die korrekte Antwort zu geben. Ich stelle vermehrt fest, dass unsere Kinder einen wunderbaren Humor haben. Der kommt vor allem zum Vorschein, wenn wir unseren eigenen auch auspacken. Wenn ich zu Hause meine Lieblingsklamotten und nicht nur Schlabberhose und Dutt trage, kriege ich von meinem Ältesten schon Komplimente. Ein «Mama, du siehst mega cool aus» schmeckt mir besser als jeder Drink. Eine Kinderhand, die bewundernd durch meine offenen Haare fährt, ersetzt jede Massage. Wer zu Hause was zu lachen hat, muss nicht immer flüchten. Das ist mein Motto für die Sommerpause.
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