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Streit trotz Regierungswechsel
Deutschland und Polen kommen sich nicht näher

epa11148338 German Chancellor Olaf Scholz (R) and Polish Prime Minister Donald Tusk arrive for a joint press conference at the chancellery in Berlin, Germany, 12 February 2024. German Chancellor Olaf Scholz and Polish Prime Minister Donald Tusk met for bilateral talks.  EPA/CLEMENS BILAN
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In Kürze:
  • Polen zweifelt an der Ernsthaftigkeit der deutschen «Zeitenwende» in der Sicherheitspolitik.
  • Berlin und Warschau streiten über Migration und Asylrecht in der EU.
  • Tusk fordert weitere Wiedergutmachung für polnische Opfer des Zweiten Weltkriegs.

Einen wichtigen Preis sollte Donald Tusk vor einigen Wochen in Potsdam erhalten, für seine Verdienste um Demokratie und Europa geehrt werden, mit einer Lobrede von Olaf Scholz. Am Ende kam weder der polnische Ministerpräsident noch der deutsche Kanzler. Weil die Nachbarn hinter den Kulissen gerade viel streiten, hiess es.

Zuvor hatte der 85. Jahrestag des deutschen Überfalls 1939 dasselbe Bild gezeigt: Die Polen gedachten in Danzig, die Deutschen in Berlin. Fünf Jahre zuvor waren der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel noch nach Polen eingeladen gewesen, obwohl damals mit der national-konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) eine offen deutsch-feindliche Kraft an der Macht war.

Die Hoffnung auf einen Neuanfang war gross gewesen, als der europafreundliche Liberalkonservative Tusk vor einem Jahr die Wahl gewonnen und die alte Regierung abgelöst hatte. Jetzt ist die Ernüchterung riesig, auf beiden Seiten.

Deutschland sollte «sich entschuldigen und schweigen»

Politisch streitet man sich bei zentralen Themen. Polen zweifelt an der Ernsthaftigkeit der «Zeitenwende», die Scholz zu Beginn der russischen Invasion in der Ukraine ausrief. Dass Berlin seither zum zweitgrössten Unterstützer Kiews geworden ist, hat in Warschau die Skepsis nicht vertrieben. Polen wiederum vertraut bei seiner Aufrüstung nicht auf deutsches oder französisches Kriegsgerät, sondern auf die USA und Südkorea.

Seit zehn Jahren streiten die Nachbarn über die russischen Gasröhren durch die Ostsee, ein Streit, der auch nach der Zerstörung von Nord Stream nicht aufgehört hat. Die deutschen Behörden werfen Polen vor, die Ermittlung zu den Saboteuren behindert und zuletzt einen der Hauptverdächtigen fliehen gelassen zu haben – einen ukrainischen Tauchprofi. Tusk reagierte heftig: Jene, die mit Russland zusammen die Pipelines gebaut hätten, sollten «sich entschuldigen und schweigen», statt Polen Vorwürfe zu machen.

Auch was die Kontrolle der irregulären Migration angeht, liegen Berlin und Warschau über Kreuz. Polen stimmte in der EU gegen die Verschärfung der Asylpolitik, weil es zusätzliche Pflichten fürchtet. Auf die Wiedereinführung von Grenzkontrollen durch Deutschland reagierte Warschau heftiger als alle anderen Nachbarn. Weil Polen fürchtet, Migranten aus dem Nahen Osten künftig nicht mehr so leicht nach Deutschland weiterleiten zu können, kündigte Regierungschef Tusk nun sogar an, das Asylrecht vorübergehend auszusetzen – was in Berlin wie in Brüssel scharf kritisiert wurde.

Wie weiter mit der Wiedergutmachung?

Nach Jahren scharfer antideutscher Rhetorik sind in Polen die Vorbehalte gegenüber Deutschland unvermindert gross. Anders als die Vorgängerregierung hält sich Tusk mit Ressentiments zurück. Im aufziehenden Wahlkampf um die Präsidentschaft will er es sich jedoch auch nicht leisten, von der Opposition allzu leicht als «deutscher Agent» diffamiert zu werden.

Im Hintergrund schwärt auch das schwierigste und schmerzlichste Streitthema weiter: das nach Wiedergutmachung für die deutschen Verbrechen an Polen im Zweiten Weltkrieg. Deutschland hat 2001/02 insgesamt mehr als 1,8 Milliarden Mark an polnische Opfer bezahlt – die finanzielle Geste kam aber später und fiel spärlicher aus als anderswo.

Die Vorgängerregierung stellte deswegen vor zwei Jahren eine Reparationsforderung von 1300 Milliarden Euro an Deutschland – obwohl ihr klar war, dass es dafür keinen Rechtsanspruch gibt. Tusk hat diese Forderung zwar fallen gelassen, beharrt aber ebenfalls auf weiteren Gesten der Wiedergutmachung.

Auch Soforthilfe für die gut 40’000 noch lebenden polnischen Opfer steht wieder auf der Agenda. Scholz hatte Tusk im Sommer offenbar angeboten, dafür 200 Millionen Euro zu mobilisieren – 5000 Euro pro Person. Tusk habe das als unzureichend zurückgewiesen. Wenn die politische Konkurrenz Hunderte von Milliarden fordere, könne er sich nicht mit ein paar Millionen zufriedengeben. Die Opfer von damals sind alle alt, viele arm, viele krank. Auf Hilfe warten sie nun weiter.