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Porträt der Firma Deuter
Eine Rucksackfirma will das Wandern nachhaltiger machen

Schule Suhr

Im Kindergarten Steinfeld 4 am 26. Juni 2018 in Suhr.

Eugen Schmidt zerrt an einem Gurt, Jan Omari setzt an anderer Stelle einen Schraubenzieher an. Fast 5500 Rucksäcke haben sie und ihre Kolleginnen und Kollegen im vergangenen Jahr wieder tragfähig gemacht, im Schnitt 21 pro Arbeitstag. Am häufigsten müssen sie defekte Reissverschlüsse austauschen, bisweilen auch abgerissene Gurte ersetzen, Halterungen oder Träger erneuern. An Rucksäcken, die nicht selten schon Jahre im Gebrauch sind, was man ihnen auch ansieht. Deshalb stapeln sich in der Werkstatt des Herstellers Deuter in dessen Zentrale in Gersthofen bei Augsburg in Deutschland Hunderte Boxen mit kleinen und grösseren Ersatzteilen. So viel Vorrat macht Sinn; ein Trekkingrucksack besteht aus mehr als 200 Einzelteilen.

«Wir wollen sehen, was an unseren Rucksäcken kaputtgeht, damit wir sie in Zukunft besser machen und Fehler vermeiden.»

Robert Schieferle, Deuter-Chef

«Für uns als Unternehmen ist die Reparatur nicht nur Kundenservice», sagt Deuter-Chef Robert Schieferle, ein drahtiger Mann und selbst begeisterter Berg- und Radsportler. «Wir wollen sehen, was an unseren Rucksäcken kaputtgeht, damit wir sie in Zukunft besser machen und Fehler vermeiden.» Und nachhaltiger ist es obendrein, ein Produkt zu reparieren, anstatt es wegzuwerfen. «Wir machen das schon immer so», sagt Schieferle.

Früher trugen ausschliesslich Bergsteiger, Wanderer oder Tourengeher Rucksäcke. In den vergangenen Jahren sind diese in den Städten angekommen, als praktische Alltagsbegleiter von Fussgängern und Radfahrern, Schulkindern und Reisenden. Deuter brachte nach eigenem Bekunden 1990 als erste Firma einen Bike-Rucksack auf den Markt. Lange sei man auch der einzige Hersteller von Tragerucksäcken gewesen, um Kinder auf dem Rücken zu tragen, heisst es.

Massanfertigungen für Fotografinnen und Bergsteiger

Seit 125 Jahren gibt es die Marke aus dem bayerischen Schwaben. Sie stattete schon häufiger Olympiateams aus, und 2024 werden zumindest die Sportsoldatinnen und -soldaten unter den deutschen Olympionikinnen und Olympioniken mit Deuter-Rucksäcken und Taschen nach Paris reisen. Auch für die Bergrettung, Fotografen oder Rettungssanitäter fertigt sie die Firma nach deren Wünschen an, manchmal sogar massgeschneidert. Ein Nischengeschäft, genauso wie die Tragesysteme für das Reinigungspersonal von Flugzeugen, mit deren Hilfe sich die Arbeitskräfte Reinigungsbehälter auf den Rücken schnallen können. Bisweilen bestellen auch Autofirmen limitierte Sonderanfertigungen mit ihren Logos drauf. Mindestabgabemenge: 300 Stück.

«Das sind Sonderanfertigungen», sagt Schieferle, «die wir in Absprache mit unseren Kunden anfertigen.» Der Kern der Marke Deuter, ihre Identität, liege jedoch eindeutig im Bergsport. Zwar gründete Hans Deuter das Unternehmen in Augsburg als Segeltuch- und Leinweberei, die in den Anfangsjahren vor allem die königlich bayerische Post mit Briefbeuteln und Postsäcken versorgte. Seit 1919 fertigt Deuter jedoch Rucksäcke.

80 Prozent des Umsatzes bringen die Rucksäcke

Berühmte Hochalpinisten vertrauten bald darauf bei ihren Touren auf Deuter-Ausrüstung, etwa Willi Rickmer Rickmers Ende der 1920er-Jahre bei seiner Pamir-Expedition, Anderl Heckmair, als er 1938 mit einer Seilschaft die Eiger-Nordwand bestieg, oder 1953 Hermann Buhl beim ersten Alleingang auf den Nanga Parbat.

Zum Beginn der 1990er-Jahre ging es der Firma wie allen Textil- und Sportartikelherstellern hierzulande: Sie geriet unter Kostendruck, weil Näharbeiten in Deutschland zu teuer geworden waren, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Deuter fand im koreanischen Unternehmer Oh Suk Ho und dessen Firma Duke einen Partner. In deren Näherei in Vietnam fertigen 2800 Menschen exklusiv für Deuter Rucksäcke. «Die Zusammenarbeit ist sehr, sehr eng, wir tauschen uns auch vor Ort regelmässig aus», sagt Robert Schieferle.

Deuter selbst zählt 165 Beschäftigte, 140 davon in der Gersthofener Zentrale. Dort sind nicht nur Werkstatt, Verwaltung, Vertrieb und Marketing angesiedelt, sondern es werden auch die Kollektionen entworfen und überarbeitet. Die aus Vietnam angelieferten Rucksäcke und die in China gefertigten Schlafsäcke werden von hier aus versandt. Letztere gehören seit 1995 zum Deuter-Portfolio. Mit ihnen erwirtschaftet das Unternehmen etwa zehn Prozent seines Umsatzes, 80 Prozent bringen Rucksäcke, den Rest Accessoires und Taschen ein.

«Unsere ganze Firmengruppe hatte ohne Frage ein aussergewöhnlich gutes Jahr.»

Sebastian Schwanhäusser, CEO Schwan Stabilo

«Deuter ist europäischer Marktführer bei Performance-Rucksäcken», sagt Sebastian Schwanhäusser. Er ist Chief Executive Officer (CEO) des Familienunternehmens Schwan Stabilo, zu dem Deuter seit 2006 gehört. Die Firma mit Sitz in Heroldsberg bei Nürnberg ruht auf drei Säulen. Da ist die bekannte Schreibgerätemarke Stabilo. Stifte produziert auch Schwan Cosmetics, nämlich solche für Lippen, Gesicht, Brauen und Augen, die nicht unter eigenem Namen verkauft, sondern ausschliesslich für Kosmetik-Labels gefertigt werden. Und dann ist da als dritte Sparte das Outdoor-Segment, das Schwanhäusser um Deuter aufgebaut hat. Dazu gehören auch Ortovox und Maier Sports (beide Outdoor-Funktionskleidung) und die auf Radfahrer spezialisierte Marke Gonso.

Alle drei Sparten erwirtschafteten in dem am 30. Juni beendeten Geschäftsjahr 2022/23 gut 850 Millionen Euro Umsatz, 14 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Nach Kosmetik (387,2 Millionen Euro) war Outdoor mit einem Geschäftsvolumen von 245 Millionen Euro (plus 13 Prozent) die zweitgrösste Sparte. Wie viel davon auf Deuter entfällt, will Schwanhäusser nicht sagen; Branchenkenner gehen davon aus, dass sich der Umsatz der Rucksackmarke auf 100 Millionen Euro zubewegt. «Unsere ganze Firmengruppe hatte ohne Frage ein aussergewöhnlich gutes Jahr», sagt Sebastian Schwanhäusser.

Unter einem Dach: Rucksäcke, Stifte und Kosmetik

Dass eine Ruck- und Schlafsackmarke in einem von Stiften für Schreiben und Kosmetik geprägten Unternehmen auf den ersten Blick wie ein Fremdkörper wirkt, lässt Sebastian Schwanhäusser nicht gelten. Abgesehen von der unter dem Gesichtspunkt der Risikominimierung sinnvollen Diversifizierung auf mehrere Standbeine bestünde «die wirtschaftliche Logik darin, dass alle drei Branchen ähnlich funktionieren», sagt Schwanhäusser. «Wir stellen Produkte zum Anfassen her, wir bedienen ähnliche Kundengruppen und es geht um Themen wie Markenattraktivität, Markenpflege und Internationalisierung, wo wir uns auskennen.»

Unter diesen Gesichtspunkten habe Schwan-Stabilo seinerzeit den Markt nach tauglichen Übernahmekandidaten gescannt und sei auf Deuter gestossen. Der damalige Inhaber Michael Franke wollte aus privaten Gründen und mangels Nachfolger in der Familie Deuter verkaufen, und ihm gefiel wiederum, dass Schwan-Stabilo «als Familienunternehmen eine ähnliche Kultur pflegt», sagt Schwanhäusser.

Derzeit hilft man von Heroldsberg aus mit, Deuter in jenen Ländern zu platzieren, wo es bereits Schwan-Stabilo-Stifte gibt und eine entsprechende Vertriebsinfrastruktur besteht. In Italien, Frankreich und Grossbritannien hat die Outdoor-Sparte mit ihrem Flaggschiff Deuter neue Tochterfirmen gegründet; auch in China und den USA will man expandieren. Weltweit wächst der Markt für Rucksäcke rasant; von 15,9 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr auf etwa doppelt so viel 2029, sagen Marktforscher. Der Trend sei überall derselbe und er spiele dem Rucksackhersteller in die Karten, sagt Deuter-Chef Robert Schieferle: «Die Menschen wollen überall raus in die Natur und sich dort bewegen.» Bei Deuter selbst ist das nicht anders. Den 125. Firmengeburtstag feierte die Belegschaft im Sommer mit einer Bergwanderung im Silvrettagebirge.