Spektakulärer Prozess in ZürichDer Richter für komplexe Fälle nimmt sich Putins Geldspur an
Sebastian Aeppli hat keine Angst vor grossen Namen. Er gilt als unerschrocken. Das braucht er jetzt im heiklen Gerichtsfall um den Freund des Kremlherrschers.

Er lässt sich von Titeln, Meriten und grossen Namen nicht beeindrucken. Schon zu oft sass Richter Sebastian Aeppli selbst gegen tatsächliche und vermeintliche Prominente zu Gericht.
So zum Beispiel im spektakulären Prozess um den Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz und weitere Beschuldigte im letzten Frühling. Der Rummel war gross. TV-Teams, Reporter und Fotografinnen belagerten das Bezirksgericht Zürich. Aeppli liess sich auch selbst ablichten auf dem Weg zum Verhandlungssaal. Zumindest eine Weile lang. Später hob er dann seine Mappe vors Gesicht. Ganz nach dem Motto: So, jetzt ist es aber genug.
«Sie werden keinen Strafverteidiger finden, der ihn lobt.»
Am Mittwoch kommt es unter der Führung von Aeppli erneut zu einem brisanten Prozess, der für die Schweiz weitreichende Folgen haben könnte. Und der auch weltweit beobachtet werden wird. Es geht um ein Bankengeschäft, das unter dem Titel «Putins Geldspur in die Schweiz» bekannt geworden ist. Die Schweizer Gazprombank hatte 2014 für einen russischen Cellospieler und engen Familienfreund des russischen Präsidenten Wladimir Putin zwei Konten eröffnet, über die hohe Millionenbeträge flossen.
Richter Aeppli wird entscheiden müssen, ob dem Musiker tatsächlich die Konten gehörten oder ob er nur ein Strohmann war – für Exponenten des russischen Establishments oder gar für Putin selbst. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.

Anklage erhebt der Zürcher Staatsanwalt Jan Hoffmann. Glaubt man Strafverteidigern, kann er sich freuen, dass Aeppli den Prozess führen wird. Der Richter eckt mit seiner besonderen Art an. «Sie werden keinen Strafverteidiger finden, der ihn lobt», sagt ein erfahrener, mit komplexen Strafverfahren vertrauter Anwalt. Und wird von anderen Anwälten bestätigt. Staatsanwälte hätten bei ihm ein leichtes Spiel.
Ein Staatsanwalt aber, ebenfalls mit schwerwiegenden Fällen bestens vertraut, lobt den «Schnelldenker» Aeppli als «sehr pragmatisch und mutig. Er geht hervorragend mit komplexen Fällen um.» Nur wenige Urteile, an denen er mitgewirkt habe, würden durch die nächsthöhere Instanz korrigiert.
Aeppli fasst sich kurz
Einig sind sich die Prozessbeobachter, dass Aeppli eine ganz klare Vorstellung davon hat, wie ein Strafprozess ablaufen soll – nämlich nach seinen Vorgaben. Aeppli ist je nach Sichtweise bekannt oder berüchtigt für Parteibefragungen, die sich in aller Regel aufs Allernötigste beschränken. Noch kürzer sind seine mündlichen Urteilseröffnungen und -begründungen, die schon manchen Prozessbeobachter mit offenen Fragen zurückliessen.
«Er zieht einen Prozess durch, lässt sich nicht aufhalten, macht nicht lang Federlesens», sagt einer. Ein anderer hat den Eindruck, das Urteil stehe bereits bei Prozessbeginn fest. «Sein Führungsstil ist wenig empathisch», stellt ein Dritter fest. Im Vincenz-Prozess zeigte er aber auch eine einfühlsame Seite. So etwa, als er sich nach dem Befinden von erkrankten Beschuldigten erkundigte.
Aeppli, Mitglied der Grünen, Sohn eines Zürcher Oberrichters, kam 1990 als Ersatzrichter ans Bezirksgericht Zürich, wurde 1993 gewählter Bezirksrichter und übernahm im Jahre 2000 als Vorsitzender die 9. Abteilung. Es ist jene Abteilung am Bezirksgericht, die am häufigsten befasst ist mit grossen oder schwierigen Wirtschaftsstraffällen oder Gewaltdelikten. Aeppli erreicht nächstes Jahr das AHV-Alter, ist aber bis 2026 gewählter Bezirksrichter.
Dass sich Aeppli nicht scheut, Prozessparteien nötigenfalls in den Senkel zu stellen oder Zuschauer aus dem Saal zu werfen, wenn sie stören, fällt auch Medienschaffenden auf. Er sei von sich selbst sehr überzeugt und strahle Autorität aus, heisst es. Er wird dies am Mittwoch erneut unter Beweis stellen können. Die Beschuldigten werden mit hochkarätigen Anwälten antreten.
Hinweis: Dieses Porträt erschien am 25. Januar 2022 ein erstes Mal – vor dem Start des Vincenz-Prozesses. Im Hinblick auf den Start des Prozesses zu Putins Geldspur am Mittwoch publizieren wir es aktualisiert erneut.
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