Migros-Chef im Interview«Der Preis wird an Bedeutung gewinnen»
Fabrice Zumbrunnen erklärt, wie der Detailhandelsriese in der Krise seine Stärke ausspielen konnte. Und er sagt, warum derzeit sowohl M-Budget-Artikel wie auch teure Bio-Produkte sehr gefragt sind.
Migros-Fachgeschäfte wie Micasa oder SportXX öffnen am Montag wieder; kommen aber auch die Kunden zurück?
Wir rechnen mit hohen Frequenzen, aber nicht mit einem Ansturm wie vor zwei Wochen bei der Öffnung unserer Baumärkte und Gartencenter, denn dort war der Nachholbedarf sehr gross. Aber ich denke, es gibt viele Leute, die sich freuen, wieder halbwegs normal einkaufen zu dürfen. Es gibt sicher auch einen Bedarf bei Sortimenten, die jetzt noch gesperrt sind, etwa bei Beautyprodukten.
Die Konsumentenstimmung ist gemäss jüngsten Zahlen im Keller, fast 2 Millionen arbeiten kurz und bangen um den Arbeitsplatz. Glauben Sie wirklich, die Leute geraten mit der Lockerung in Kauflaune?
Das macht uns selbstverständlich Sorgen. Lebensmittel und Alltagsprodukte braucht man immer, aber den Kauf eines Sofas kann man verschieben. Vor der Corona-Krise war die Wirtschaftslage positiv. Das Problem ist auch die Konjunktur im Ausland, von der die Schweiz als Exportland abhängig ist. Die kommenden Monate werden nicht einfach werden, aber mit der Lockerung geht es jetzt in die richtige Richtung.
Der Preisdruck dürfte generell steigen, auch bei Lebensmitteln. Die Migros hat schon letztes Jahr in den Supermärkten 1500 Produkte verbilligt; kommen nun die nächsten 1500?
Während des Lockdown gab es zwei gegensätzliche Phänomene: Einerseits stiegen die Umsätze bei unserer Tiefpreislinie M-Budget. Andererseits auch bei Bio-Produkten. Wenn nun eine Rezession kommt, wird der Preis zwar schon eine noch wichtigere Rolle spielen. Aber eben: auch Bio, Nähe und Qualität. Wir glauben, dass wir mit unserem sehr breiten Angebot gute Karten haben.
Werden Sie die Preise also weiter senken?
Wir werden die Preis-Leistung für unsere Kunden weiter steigern. Der Preis per se wird an Bedeutung gewinnen.
«Bei Hotelplan müssen wir mit einem grossen Verlust rechnen.»
Kommt es gleich nach der Wiedereröffnung zu einer Rabattschlacht?
Ich denke nicht, dass wir davon ausgehen müssen. Ich kann mir vorstellen, dass es bei Bekleidung und in anderen Bereichen andere Realitäten geben wird. Hier hat die Saison nie wirklich begonnen, und jetzt kommt schon bald der Ausverkauf. Aber wir sind hier nicht am stärksten betroffen.
Zugleich steigen die Kosten für die Migros wegen der Hygienevorschriften, was noch mehr Druck auf die Marge gibt.
Bei unserem Kerngeschäft Lebensmittel hatten wir mehr Aufwand, aber auch mehr Umsatz, deswegen haben wir in diesem Bereich einen leicht positiven Effekt. Wie das nun bei der Öffnung der Fachmärkte aussieht, müssen wir sehen.
Erwarten Sie für 2020 insgesamt ein Umsatzplus?
Die Krise zeigt, dass die Strategie der Migros richtig ist. Ich rechne mit einem soliden Umsatz. Auf Gruppenebene haben wir viele Firmen, die zweistellige Wachstumsraten aufweisen. Andererseits haben wir Bereiche, die jetzt lange geschlossen waren. Bei Hotelplan müssen wir mit einem grossen Verlust rechnen.
Wie sieht es bei der M-Industrie aus, dem Produktionszweig mit den eigenen Unternehmen wie Frey, Mibelle oder Bischofszell? Soll dort jetzt noch weitergespart werden?
Es gibt keinen Spardruck, sondern einen gemeinsamen Effort, um die M-Industrie zu stärken. Wir wollen nach wie vor 80 Prozent des Sortimentes mit unseren eigenen Migros-Produkten bestücken. Wir sind alle gefordert, die beste Qualität zum besten Preis anzubieten. Was wir mit der Corona-Krise erlebt haben, zeigt auch die Stärke unserer Industrie. Wir waren in der Lage, sehr flexibel zu reagieren, und haben viele Produkte selber herstellen können, etwa Desinfektionsmittel.
Ein Verkauf einzelner Unternehmen oder eine Verlagerung ins Ausland stehen nicht zur Debatte?
Die Migros will weiterhin mit einer starken eigenen Industrie arbeiten. Dabei gibt es immer Anpassungen im Portfolio. Wir werden auch Firmen übernehmen und weiter investieren. Die Migros-Industrie wird in den kommenden Jahren noch stärker und sogar grösser werden.
Generell gefragt: Denken Sie an einen weiteren Jobabbau bei der Migros?
Wir konnten die Kosten deutlich senken, diese grosse Sparübung haben wir hinter uns. Wir arbeiten jetzt enger und effizienter zusammen. Die Krise soll uns aber ermutigen, etwa unsere Technologiesysteme und Geschäfte noch enger zusammenzuführen und agiler zu werden.
Gefährdet Corona die Übernahme von Globus durch die Signal Holding und Central Group?
Es gibt keine Nachverhandlungen. Wir sind hier auf Kurs.
Das bedeutet, Sie bekommen die vereinbarte 1 Milliarde Franken auch netto noch, ohne Kredite, welche die Migros den neuen Eigentümern weiterhin gewährt?
Was die Verkaufskonditionen angeht, haben wir Stillschweigen vereinbart. Kurzfristig gibt es wie für alle Unternehmen dieser Branche sicher eine Herausforderung für die neuen Eigner. Aber es gibt auch eine Post-Corona-Welt. Die Kundinnen und Kunden werden zurückkommen. Auch ich werde meine Anzüge weiter bei Globus kaufen.
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