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Meinung

Analyse zu rassistischen Hausnamen
Der moralische Zeigefinger ist hier fehl am Platz

Das Haus zum Mohrentanz an der Niederdorfstrasse. Der Schriftzug soll verschwinden.
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Zürich betreibe «hilflose Alibipolitik und dreiste Geschichtsleugnung», die Stadt «läuft Gefahr, über ihr eigentliches Ziel hinauszuschiessen». So heisst es in den heftigsten Reaktionen auf die Ankündigung der Stadt, Inschriften von Altstadthäusern zu entfernen, die heute nicht anders als rassistisch verstanden werden können.

Gut, gibt es diese harschen Reaktionen. Aber auch: Gut, hat sich die Stadt zu diesem Schritt entschlossen. Beides zeigt, dass sich Zürich mit seiner Geschichte beschäftigt, dass es den Zürcherinnen und Zürchern nicht wurst ist, wie sich ihre Stadt zu diesen Fragen stellt.

Die Reaktionen legen aber auch krasse Missverständnisse offen. Nicht einmal die Projektgruppe der Stadtverwaltung, die sich die Entfernung der Inschriften ausgedacht hat, glaubt, mit Farbkübel und Pinsel den Rassismus aus der Welt schaffen können. Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Man überlässt sie übrigens auch besser nicht einfach Beamten und Politikern.

Es geht auch nicht darum, die Altvorderen, die ihre Häuser so beschriftet haben, posthum zu verbrecherischen Rassisten zu erklären. Warum der «Mohr», der «Mohrentanz» und der «Mohrenkopf» an Zürcher Häusern prangen, ist aus heutiger Sicht selten belegt. Die Begriffe stammen aus längst vergangenen Epochen. «Rassismus» war lange ein unbekanntes Konzept.

Die Tilgungsaktion verleugnet keine Geschichte. Im Gegenteil.

Aber der «Mohr» ist auch nicht mehr das unschuldige Wort, das es in den Ohren vieler einmal war. Der Begriff ist schlicht und einfach aus der Zeit gefallen. Er gilt heute zu Recht als rassistisch. Es gibt Betroffene, die sich zu Recht daran stören.

Und so wie man heute nicht mehr beim «Fräulein» sein Bier bestellt, kann man eben auch nicht mehr gedankenlos vom «Mohren» oder vom «Mohrenkopf» plaudern. Das hat nichts mit einer blinden Ideologie der Political Correctness zu tun, sondern ganz einfach mit ganz normaler Höflichkeit. Höflichkeit, die wir unseren Mitmenschen schulden.

Und ja: Selbstverständlich wird ein Stück Geschichte getilgt, wenn die Schriftzüge an den Hausmauern übermalt werden. Aber das ist der Preis, den wir dafür zahlen, wenn wir mit unserem Sprachgebrauch nicht in der Vergangenheit stecken bleiben wollen. Und dieser Preis ist verschmerzbar.

Die Tilgungsaktion verleugnet also keine Geschichte. Im Gegenteil: Sie nimmt die historischen Schicksale der Wörter ernst. Damit nimmt sie auch Geschichte ernst – als eine Entwicklung, die nie wirklich abgeschlossen ist und immer wieder neu interpretiert werden muss.

Allerdings: Wer nicht geschichtsblind sein will, darf auch nicht auf einem Auge geschichtsblind sein. Aber diese Gefahr besteht tatsächlich. Es entspricht offenbar dem aktuellen Zeitgeist, in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte mit Furor nach schwarzen Flecken des Kolonialismus zu suchen, nach Verstrickungen in Ausbeutung und Sklavenhandel.

Vieles, was aus heutiger Sicht als verwerflich erscheint, war einst Standard.

Daran ist nichts falsch. Was aber falsch wäre: sich von diesem Zeitgeist den Blick aufs Ganze verstellen und verdunkeln zu lassen. Vieles, was aus heutiger Sicht als verwerflich erscheint, war einst unhinterfragbarer Standard.

Niemand darf daher mit erhobenem moralischem Zeigefinger über die Vergangenheit richten. Auch das ist eine Lehre, die man aus der Debatte über die alten Zürcher Hausnamen mitnehmen kann.

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